Die Kritiker

«Helen Dorn: Todesmut»: Ein spannender Thriller mit gutem Tempo

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Zwei Frauen beobachten über ihr Notebook, wie ein Bekannter von ihnen in Griechenland ermordet wird. Die Polizei alarmieren können sie nicht, denn sie selbst verstecken sich vor den Behörden. Ihnen bleibt nur eine Chance: Sie müssen weiter untertauchen, denn eines ist klar – der Killer hatte es auf sie abgesehen.

Helen Dorn: Todesmut

  • Deutschland 2023
  • Regie und Drehbuch: Friedemann Fromm
  • Kamera: Heinz Wehsling
  • Schnitt: Richard Krause
  • Musik: Ina Meredi Arakelian
  • Besetzung: Anna Loos, Ernst Stötzner, Tristan Seith, Nagmeh Alaei, Stipe Erceg, David A. Hamade, Erika Marozsán, Helena von Have, Renan Demirkan, Leslie Malton, Pina Kühr, Amelie Otto, Alexander Wipprecht
«Helen Dorn» ist keine schlechte Spielfilmreihe. Manchmal aber stolpert sie über sich selbst durch einen gewissen Schwermut, den die Hauptfigur selbst ausstrahlt. Helen Dorn ist eine Frau, die man durchaus als eine Sozialphobikerin bezeichnen kann. Selbst die Menschen, die sie mögen, wie ihr Assistent Weyer, der sogar mit ihr von Düsseldorf an die Alster vor einiger Zeit übergesiedelt ist, behandelt sie nicht immer so, wie es sein sollte. Dieses Grundmisstrauen, das die Figur in sich trägt, entwickelt sich in diesem Spielfilm zum großen Pfand der Geschichte. Denn Misstrauen ist angesagt. Auf jeden Fall klopft eines Morgens ein Polizist aus Griechenland an die Tür von Helen und erbittet Amtshilfe in Bezug auf einen Mord in Athen. Der Journalist ist offenbar während einer Zoom-Konferenz ermordet worden und den griechischen Behörden ist es gelungen, die IP-Adresse des Computers auf der anderen Seite zu orten – in Hamburg. Zwar nicht auf den Meter genau, sehr wohl aber in einem Umkreis, der Hoffnung macht, die Zeugen/Zeuginnen des Mordes ausfindig zu machen.

Helen kann sich nicht erklären, was sie an diesem Fall stört. Ist es das seltsame Auftreten des griechischen Polizisten, der sich etwas eigenartig verhält. Bevor Helen eine Antwort für sich findet, führen sie die Infos aus Griechenland auf eine brauchbare Spur und sie machen die Zeuginnen ausfindig. Es ist der Moment, in dem Männer auftauchen und das Feuer auf Helen eröffnen.

Um eines gleich vorab zu sagen: «Helen Dorn: Todesmut» erzählt seine Geschichte nicht mit einem feinen Skalpell. Regisseur und Autor Friedemann Fromm packt eher den Vorschlaghammer aus und lässt es krachen wie noch nie in der Spielfilmreihe. Fast meint man, er habe sich im Format geirrt, Deutschlands Actiondarstellerin Nummer 1 ist schließlich Lisa Maria Potthoff und ihre Serie heißt «Sarah Kohr». Anna Loos darf in ihrer Rolle als Helen Dorn zwar auch hin und wieder über Zäune klettern oder mit den Zähnen fletschen, aber zwischen der kampfsporterprobten Lisa Maria Potthoff auf der einen Seite, die am Ende eines Filmes gerne mal aussieht wie eine Zusammenfassung aller «Rocky»-Filme, und der inzwischen 52jährigen Loos, die die sich doch in klassischeren Schauspielerinnenbahnen bewegt, liegen in Sachen Action für gewöhnlich Welten. Für gewöhnlich, denn in diesem Film kracht es erstaunlich und oft. Der Grund dafür ist von Anfang an bekannt und daher auch kein Spoiler, wenn er hier offengelegt wird. Die beiden Damen auf der Flucht sind (aus Gründen, die der Film nach und nach erklärt) mit einem rechtsextremen Verlag aneinandergeraten, der in Hamburg sitzt, sein Geld direkt aus Moskau erhält und vor allem daran arbeitet, über seinen Internetfernsehsender und diverse Websites die freiheitliche Demokratie zu zerflicken. Leslie Malton stellt Dr. Cordula Frank, die Verlagsleiterin, dar. Man mag diese Dr. Cordula Frank liederlich finden, Malton aber verleiht ihr auch eine faszinierende Aura. Diese Aura ist böse und niederträchtig bis in die letzte gefärbte Haarspitze. Aber das Selbstbewusstsein, mit dem sie agiert, wie sie sich ihrer Sache sicher ist, lässt Eiswasser im Vergleich wie kochendes Teewasser erscheinen. Eines ist die Frau aber nicht: eine Lügnerin. Was sie über ihr Netzwerk verbreitet, sind dezidiert keine Lügen. Es sind Fragen. Wie die, die Dr. Isabella Alighieri in einem Nebenstrang der Handlung aus der Bahn wirft. Dr. Alighieri, seit dem Spielortwechsel von Düsseldorf nach Hamburg die Gerichtsmedizinerin vom Dienst, wird in diesem Nebenstrang als Sachverständige in einem Mordfall angehört. Zwei Neonazis haben eine syrische Frau vergewaltigt und ermordet. Die Beweislage ist eindeutig. Routiniert spult die Medizinerin ihr Programm runter, bis die Verteidigerin, Dr. Franks Tochter, sie mit ihrer iranischen Herkunft konfrontiert und die Behauptung in den Raum stellt, sie könne als Muslima überhaupt nicht objektiv sein. Und dann hat sie in ihrer Kindheit im Iran auch noch schlimme Dinge – als Frau - erlebt …

Nichts von alledem hat mit dem Fall zu tun, aber mit diesem Einschub gelingt es der Anwältin Zweifel an der Integrität der Medizinerin zu sähen; kurze Zeit später berichtet Mamas TV-Sender von der Medizinerin, die ihren Job offenbar nur einer Quote verdankt und die Unabhängigkeit der Justiz ist dahin – denn kein Gericht will sich sagen lassen, nicht alle Einwürfe zu prüfen.

Und so geht der Verlag auch gegen die Polizei vor. Dr. Cordula Frank merkt sehr schnell, dass Helen Dorn ziemlich egal ist, was man über sie sagt. Mit ihrer, auf deutsch gesagt, Leck-mich-am-Arsch-Einstellung ist sie eine schwierige Gegnerin. Ihre Abteilung aber bietet Angriffsfläche – in Person ihres Chefs Nedjo Kristic. Noch so ein Quotenmigrant, dem man ein paar Streifen auf die Schulter gepappt hat, weil er über den politisch-korrekten Nachnamen verfügt? Da freut sich das Wutbürgertum in seinen Ohrensesseln und bläst zum Shitstorm gegen die eh inzwischen woke Polizei.

Friedemann Fromms Drehbuch mag mit dem Vorschlaghammer des Weges kommen, wenn er seine Welten von Gut und Böse erschafft. Eine skrupellose Verlagschefin, Geld aus Moskau? Die Fronten werden hier mit dem dicken Edding gezeichnet. Gleichzeitig gelingt Fromm jedoch etwas Bemerkenswertes: Mit einfachsten Mitteln zeigt er auf, wie Agitation funktioniert – und dass Agitation eben keine Atom-Physik ist, die man Jahrzehnte studiert haben muss. Ihre Funktionsmechanismen sind eigentlich einfach. Bewege dich in dem System, das du zerstören willst, halte dich an seine Regeln (bis an die Grenzen, aber nicht darüber hinaus) und dann – sähe Zweifel. Lüge nicht, Lügen werden durchschaut. Sorge vielmehr dafür, dass Wahrheiten nicht mehr geglaubt werden. Das ist effektiver!

Allerdings sind da in diesem Thriller die beiden Frauen auf der Flucht und diese beiden verfügen offenbar über Informationen, die selbst einer Frau Dr. Cordula Frank nicht einfach vom Tisch wischen kann, wenn sie je in die Hände polizeilicher Behörden gelangen sollten. Informationen, für die man bereit ist, über Leichen zu gehen.

Ein spannender Thriller, der gekonnt auf Tempo setzt und seine Actionszenen wohldosiert einzusetzen versteht.

«Helen Dorn: Todesmut» läuft am Samstag, 02. März 2024, 20.15 Uhr im ZDF.

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