
Im Zentrum steht eine Frau namens Nina, gespielt von der bemerkenswert präsenten Amara Okereke, eine junge Sängerin aus Hull, die mit sich selbst und ihrer Sucht ringt. Nach einem katastrophalen Abend strandet sie im wortwörtlichen Sinne des Wortes in Kapstadt, fern der Familie und fern jeder Verantwortung. Doch das, was als Eskapismus beginnt, entpuppt sich als Konfrontation mit dem eigenen Abgrund.
Die Serie macht aus dieser Prämisse kein düsteres Sozialdrama – und genau darin liegt ihre Stärke. «The Morning After» gelingt das Kunststück, ein hochkomplexes Thema wie Alkoholismus nicht zu trivialisieren und gleichzeitig nicht mit pädagogischem Zeigefinger zu inszenieren. Stattdessen vertraut sie auf die emotionale Intelligenz ihrer Figuren und ihrer Zuschauer. Nina ist keine tragische Heldin, sondern eine widersprüchliche junge Frau, die immer wieder strauchelt, charmant, wütend, verletzlich – nie aber klischeehaft. Dass sie sich zunächst in einem entspannten Strandhausleben einfügt, ist nicht als reines Vergnügen inszeniert, sondern als betäubende Bewegung in der Schwebe zwischen Freiheit und Flucht.
Ihr privates Umfeld – bestehend aus Michaela, Mandisa, Justin und Cleo – ist mehr als eine bloße Ansammlung bunter Sidekicks. Sie alle bringen ihre eigenen Träume, Neurosen und Widersprüche mit. Besonders hervorzuheben ist Tarryn Wyngaards Cleo, deren kühle Professionalität als Anwältin mit einem chaotischen Innenleben kollidiert. Ebenso stark: Carmen Pretorius als Michaela, die zwischen Selbstverwirklichung und emotionaler Orientierungslosigkeit taumelt. Ihre Dialoge, geschrieben unter anderem von Karen Jeynes und Nompumelelo Ngqula, sind scharf, humorvoll und mitunter von erschreckender Wahrhaftigkeit.
Die südafrikanische Landschaft ist dabei mehr als nur Kulisse. Kapstadt, inszeniert in hellen, luftigen Bildern, wirkt wie ein Spiegelbild der Figuren: offen, flirrend, manchmal schön, manchmal gnadenlos. Auch das Tempo der Serie trägt dazu bei, dass sich ein angenehmer Rhythmus einstellt, der dem Stoff Raum gibt, ohne sich in Langatmigkeit zu verlieren. Die Inszenierung lässt zu, dass ernste Momente in den Alltag der Figuren einsickern, ohne ihn zu erdrücken. Das Komische wird nicht vom Tragischen getrennt, sondern greift ineinander, wie im Leben selbst. Die kulturelle Vielstimmigkeit des Casts, die Diversität der Erzählperspektiven und der selbstverständliche Umgang mit queeren, nicht-binären und transkulturellen Identitäten verleiht der Serie derweil eine Authentizität, wie sie im deutschen Serienangebot bisher selten ist.

Alle acht Folgen von «The Morning After» sind zum Streaming in der ARD-Mediathek auf Abruf.
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