Die Kritiker

«Familie is nich»

von

Meret Becker als abweisende Oma, die sich dann doch weichkochen lässt: Der ZDF-Montagsfilm setzt voll auf Klischees.

Stab

Darsteller: Meret Becker, Luise Landau, Florian Lukas, Emma Bading, Banafshe Hourmazdi, Camill Jammal
Schnitt: Anna Kappelmann
Musik: Can Erdogan, Beat Solèr
Kamera: Bernhard Keller
Buch: Andrea Deppert
Regie: Nana Neul
Man hört schon am Titel, dass es jetzt ernst wird. «Familie is nich» – das klingt nach WhatsApp-Sprachnachricht von Mama, die nach dem dritten Shitstorm gegen Onkel Werner die Familiengruppe löscht. Es klingt aber auch nach Volkshochschul-Improtheaterstück in einem norddeutschen Mehrzweckraum mit Klappstühlen und Pfefferminztee. Und exakt danach sieht auch dieser Film aus: Irgendwas Ländliches, mit einem Haus, in dem die Protagonistin lebt – allein, versteht sich. Das ist Anne. Gespielt von Meret Becker, die hier mit der Energie einer Mauerblümchen-Diktatorin auftritt. Alles an ihr sagt: Ich will nicht gestört werden. Man glaubt’s sofort – und wünscht sich fast, der Film hätte diesen Wunsch respektiert.

Aber dann – Ding-Dong! – steht Tilda vor der Tür. Acht Jahre alt, voller frecher Sprüche, die den Erwachsenen mal zeigen, wo’s langgeht, das deutsche Drehbuch-Kind, Typ „Pippi Langstrumpf“ in der Sozialpädagogik-Ausbildung. Mutter im Gefängnis. Großmutter Anne maximal unwillig. Und zack, haben wir das Setup für eine Geschichte, die sich selbst als heilende Reise durch drei Generationen verkauft. Aber in Wahrheit ist es ein 90-minütiges Duell zwischen stoischem Brummen und kindlichem Trotz.

Das Ganze gestaltet sich dabei so ausrechenbar, so bewusst auf Rührung und kathartisches Schniefen geschrieben, dass jede noch so zarte Andeutung zur keuchenden Behauptung wird. Hier wird nicht gespielt, hier wird gearbeitet. Abgearbeitet. „Thema: Familie“ als To-do-Liste, Punkt für Punkt. Florian Lukas gibt derweil den Bürgermeister, der irgendwie auch mal dran darf. Er darf Gefühle haben. Er darf hoffen. Und man denkt nur: Warum tust du dir das an? Denn man kennt ihn ja aus wesentlich besseren Projekten.

Überhaupt: Alle hier spielen, als hätten sie während der Dreharbeiten einen Ratgeber gelesen, der „Versöhnung als Haltung“ heißt. Regisseurin Nana Neul versucht einen Ton zwischen Melancholie und Milde, zwischen Schweigen und Schweigen zu finden. Das gelingt auch stellenweise – dann aber eher durch Kameramann Bernhard Keller, der alles in ein pastelliges Weichzeichnerlicht taucht, das sehr daran erinnert, wie Instagram-Stories von Friseursalons aussehen, wenn sie eine neue Bio-Kaffeemaschine feiern.

Was bleibt? Ein Film, der nichts wagt, aber viel meint. Der Emotionen behauptet, statt sie zuzulassen. Der sagt: So ist das mit Familien, und dabei nicht merkt, dass er gerade Klischees von gestern mit Sensibilität von vorgestern verkauft. «Familie is nich» ist der gut gemeinte Poesiealbum-Eintrag unter den ZDF-Montagsfilmen. Und wie bei vielen Poesiealbum-Einträgen denkt man beim Lesen: Schön, dass du's versucht hast. Aber zu sagen hat es nichts.

Der Film «Familie is nich» wird am Montag, den 2. Juni im ZDF ausgestrahlt.

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