Die Kritiker

«Ohne jede Spur»

von

Ein Fernsehfilm, der auf einer wahren Entführungsgeschichte beruht - und sich zu sehr anstrengt, möglichst "wahr" rüberzukommen.

Stab

Darsteller: Luise von Finckh, Dominic Marcus Singer, Stefan Gorski, Aglaia Szyszkowitz, Benjamin Sadler, Claudia Kottal
Musik: René Dohmen und Joachim Dürbeck
Kamera: Mario Minichmayr
Drehbuch: Jonas Brand und Lia Perez
Regie: Esther Rauch
Es beginnt mit einem Rennrad. Es beginnt mit Schweiß. Es beginnt mit dieser alles durchdringenden Sommerstille, die nur Sportlerinnen hören – und Serienkiller. «Ohne jede Spur», der True-Crime-Thriller von Regisseurin Esther Rauch, nimmt eine tatsächliche Entführung aus dem Jahr 2019 und bastelt daraus ein Fernsehdrama, das irgendwo zwischen «Tatort» und einer dramatisch verlängerten Folge «SOKO Donau» oszilliert. Und das ist weder Lob noch Tadel – sondern: Diagnose.

Zuerst das Gute: Dieser Film hat Drive. Keinen coolen Drive wie in «Drive», sondern diesen deutschen Mittelstreifen-zittrig-mit-Navi-Drive. Man weiß, wohin es geht, man weiß auch, dass es wehtut, und trotzdem hofft man – wie die Heldin – auf eine Ausfahrt ins Ungewisse. Hauptdarstellerin Luise von Finckh spielt mit einer bemerkenswerten Mischung aus körperlicher Präsenz, innerer Zerrissenheit und mütterlicher Klarheit – selten war eine Figur im deutschen Fernsehen gleichzeitig so verletzlich und so konkret.

Was nervt: Die Polizei. Natürlich nervt sie auch innerhalb der Handlung, weil sie eben 48 Stunden warten muss, bis die Ermittlungen beginnen können. Aber sie nervt auch auf der Metaebene – Robert Stadlober gibt wieder mal den spröden Provinzbeamten, und Claudia Kottal bleibt als Kollegin Ivanovic leider so blass, dass man sich fragt, ob sie aus ästhetischen Gründen mit der Wandfarbe gecastet wurde.

Zwischendurch möchte man den Fernseher anschreien – nicht, weil der Film so furchtbar schlecht wäre, sondern weil er einem so vehement beweisen will, wie schlimm alles ist. Es gibt keine Zwischentöne. Die Musik: traurig. Die Dialoge: ernst. Die Schnitte: präzise. Aber eben auch mechanisch. Alles wirkt, als hätte jemand sehr viel über Regie in der Theorie gelesen – und dann keinen Moment Pause gemacht, um einfach mal zuzuhören. «Ohne jede Spur» ist durchkomponiert – bis zur Erstickung.

Und doch: Diese Geschichte brennt sich ein. Die Szenen in der Gefangenschaft – intensiv, eng, klaustrophobisch. Der Entführer spielt seine Rolle irgendwo zwischen Muttersöhnchen, Verschwörungsfan und verkanntem Kuscheltier – beängstigend, aber nie ganz glaubwürdig. Vielleicht liegt genau hier die Crux des Films: Er will so sehr wahr sein, dass er manchmal künstlich wirkt. Die Kamera von Mario Minichmayr ist dabei so nah dran, dass man meint, den Atem zu riechen – aber auch hier: zu viel Nähe kann auch Distanz erzeugen. Man fühlt sich nicht mitgenommen, sondern fixiert.

Der Film funktioniert, wenn er ruhig ist. Wenn Nathalie einfach atmet. Wenn sie sich fragt, was der Mensch ist, wenn ihm alles genommen wird – außer sich selbst. In diesen Momenten wird «Ohne jede Spur» zu einem kleinen, dunklen Gedicht über Mutterschaft, Überlebenswillen und das, was einen Menschen ausmacht, wenn niemand zusieht. Doch der Rest – die Nebenfiguren, die Ermittlungen, die „dramatische Suche“ der Familie – wirkt oft wie ein müder Aufguss aus uralten Fernsehfilmen.

Der Film «Ohne jede Spur» wird am Donnerstag, den 29. Mai um 20.15 Uhr im Ersten ausgestrahlt.

Kurz-URL: qmde.de/161587
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