Stab
Darsteller: Harald Krassnitzer, Adele Neuhauser, Christina Scherrer, Günter Franzmeier, Dominik Warta, Hubert KramarMusik: Thomas Kathriner
Kamera: Josef Mittendorfer
Drehbuch und Regie: Rupert Henning
Schon nach wenigen Minuten ist klar: Das hier ist kein klassischer Sonntagabendkrimi, kein Wohnzimmer-Kartoffelchips-Fall mit gewohnter Gemütlichkeit. Nein, dieser «Tatort» ist ein fiebriges Spiegelkabinett, ein politischer Thriller, der von Rupert Henning mit chirurgischer Präzision geschrieben und inszeniert wurde. Und das, was da unter der Oberfläche dieser aufgekratzten Krimihandlung brodelt, ist nichts weniger als die Frage: In was für einem Land leben wir eigentlich?
Bibi und Moritz, das Wiener Ermittlerduo, sind inzwischen so vertraut wie eine gute Flasche Zweigelt: Man kennt sie, man liebt sie, man weiß, dass sie auch im größten Chaos noch die Orientierung behalten. Adele Neuhauser und Harald Krassnitzer spielen sich durch diesen Fall mit einer Lässigkeit, die fast schon unheimlich wirkt – dabei sind ihre Rollen längst keine Karikaturen mehr, sondern zermürbte Seismografen einer Gesellschaft, die sich selbst nicht mehr versteht.
Und dazwischen: Christina Scherrer als Meret Schande, die tapfere, fast stoisch brennende Ermittlerin im Auge des Shitstorms. Ihr Blick ist so klar wie ihre Haltung, und wenn sie sich mit dem Nachrichtendienstler Dominik Warta in wortlosen Machtspielen verliert, ist das pures Fernsehen. Keine große Geste, kein Schrei – sondern leise, konzentrierte Spannung. Genau so erzählt man innere Konflikte in Zeiten äußerer Explosionen.

Am Ende dieses «Tatort»-Abends steht keine klare Antwort, kein „der Mörder war’s!“-Moment mit moralischer Endnote. Nein, man bleibt zurück mit Fragen. Und mit einem leichten Zittern. Und das ist vielleicht das größte Kompliment, das man einem Krimi machen kann: Dass er bleibt – nicht als Fall, sondern als Gefühl.
Rupert Henning ist hier etwas gelungen, das man im öffentlich-rechtlichen Abendprogramm nicht alle Tage sieht: Ein Film, der politisch ist, ohne plump zu agitieren. Der gesellschaftliche Brüche nicht glättet, sondern zeigt. Und der – bei aller Düsternis – trotzdem nicht zynisch wird. Sondern menschlich bleibt. «Wir sind nicht zu fassen» ist ein kluger, schneller, dunkler Film über den Zustand eines Landes, das zwischen Selbstbetrug und Sehnsucht taumelt. Es ist ein Film über Systeme, über Kontrollverlust und das Aufbäumen dagegen. Und ja – es ist auch ein verdammt guter «Tatort». Oder um es in der Sprache der Straße zu sagen: Dieser Film hat Eier. Und Hirn. Und Herz. Danke dafür.
Der Film «Tatort – Wir sind nicht zu fassen» wird am Sonntag, den 1. Juni um 20.15 Uhr im Ersten ausgestrahlt.
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel