Stab
Darsteller: Jeremias Meyer, Sebastian Jakob Doppelbauer, David Ali Rashed, Nina Gnädig, Mina-Giselle Rüffer, Bernd GnannRegie: Marc Philip Ginolas, Carly Coco
Drehbuch: Marius Beck, Marc Philip Ginolas
Kamera: Conrad Lobst
Schnitt: Katja Beck
Ton: Claudio Demel
Szenenbild: Simon Schabert
Kostümbild: Olivia Andrione
Es ist ja nicht so, dass «Tschappel» gar nichts zu sagen hätte – es redet bloß in einer Lautstärke, die nicht zu dem passt, was es erzählt. Oder besser: erzählen will. Denn erzählt wird hier vor allem: viel. Und das meistens gleichzeitig.
Da ist Carlo, gespielt von Jeremias Meyer, Typ: sensibler Mittelschichts-Junge, der gerne ganz woanders wäre, aber halt nun mal in Hintervorderbach ist – einem Dorf, das so überdeutlich irgendwo in Bayern liegt, dass man denkt, der ORF hätte da auch noch ein bisschen mitfinanziert. Es gibt Festivals, Väter mit Gastronomiebetrieb, leicht beschädigte Freundschaften, alkoholselige Coming-of-Age-Träume und ungefähr 17 Versuche pro Folge, mit Situationskomik gegen Bedeutungslosigkeit anzulachen.
Und ja, man merkt sofort, das soll alles irgendwie liebenswert sein. Die Regie (Marc Philip Ginolas und Carly Coco) will das alles durch die Brille eines leicht verwahrlosten Poesiealbums zeigen. Da ist viel zerfaserter Sonnenschein, viel Milchkaffee-Licht. Viel: „Wir sind eigentlich alle auf der Suche.“ Aber die Drehbücher (von Marius Beck und Marc Philip Ginolas) scheinen geschrieben, als hätte jemand einfach «Bang Boom Bang», «Fack ju Göhte» und die ARD-Serie «WaPo Bodensee» miteinander vermengt: Die Pointen kommen, aber sie wissen oft nicht wohin. Gags wie Trabi-Motoren: laut, schnell vorbei, und wenn man’s nicht rechtzeitig merkt, stinkt’s ein bisschen.
Man hat das Gefühl, dass die Serie sich selbst ständig beim Zuschauen zuschaut. Und sich dabei gefällt. Sehr sogar. Alles wirkt wie „glücklich über den eigenen Mut zur Albernheit“, dabei aber verkrampft in der Angst, doch nichts Relevantes zu sagen. Die Versuche, gesellschaftlich zu werden – Diversität (Aydin, wunderbar verschwendet), Queerness, Kapitalismuskritik, sogar ein Nazi-Haus als WG – sie sind da, klar, wie Checklistenpunkte. Sie werden aber selten Teil des inneren Pulsschlags dieser Serie. Sie kleben außen auf, wie Aufkleber auf einem alten Kühlschrank: „Gegen Nazis“, „Make Love not Maultaschen“, „Team Güllepool“. Das Problem ist nicht, dass diese Serie trashig ist. Das wäre ja charmant. Nein, sie ist tragisch ambitioniert. Sie will gleichzeitig Tübingen und TikTok sein. Sowohl Provinz-Derrida als auch «LOL» mit Pipi-Witzen. Und das geht halt nicht auf. Oder noch nicht. Oder nicht so.

Aber das reicht nicht. Acht Folgen à 25 Minuten – das ist ja eigentlich ein Geschenk. Ein Raum, um etwas zu erzählen, was leise beginnt und laut endet. Aber «Tschappel» bleibt in der Mitte stehen. Es ist eine Coming-of-Age-Geschichte ohne Alter. Eine Serie über das Draußensein, die sich nie richtig raustraut.
Am Ende will «Tschappel» ein bisschen so sein wie «How to Sell Drugs Online (Fast)», ein bisschen wie «Shameless», ein bisschen wie «Tatortreiniger», aber was bleibt, ist das Gefühl, nach einer langen Fahrt durchs Ländle im Auto zu sitzen, Radio läuft, Fenster offen – aber niemand spricht. Und das ist schade. Denn eigentlich steckt da ein gutes Format drin. Vielleicht kein Geniestreich. Aber ein ehrlicher Moment. Man hätte ihn nur rauslassen müssen.
Die Serie «Tschappel» wird dienstags ab dem 3. Juni um 21.45 Uhr in ZDFneo ausgestrahlt.
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