
Die Handlung ist schnell umrissen: Ein mysteriöser Todesfall erschüttert die Idylle eines Nationalparks – irgendwo zwischen Felsmassiv und Föhrenwald. Eine Leiche wird entdeckt, ein Ermittler mit problematischer Vergangenheit – gespielt von einem sichtlich bemüh¬ten Eric Bana – wird zur Aufklärung entsandt. Was folgt, ist die Entfaltung eines vertrauten Musters: ein langsames Vordringen in die sozialen, emotionalen und institutionellen Abgründe einer abgeschotteten Gemeinschaft.
So weit, so vielversprechend. Doch das Problem liegt nicht im dramaturgischen Aufbau, sondern im Umgang mit ihm. Denn obwohl sich «Untamed» sichtlich bemüht, die Genregrenzen zu sprengen, tappt es immer wieder in die vertrauten Fallen: die des formelhaften Erzählens, des bedeutungsschweren Schweigens und der überstrapazierten Symbolik. Wenn die Kamera lange über wogende Baumkronen streicht oder das Gesicht des Ermittlers mit Blick in die Einöde verharrt, glaubt man zu wissen, was das Bild sagen will – aber es sagt es nicht. Es verharrt gleichsam in atmosphärischer Andeutung. Am Ende bleibt wenig mehr als Leere unter der Oberfläche.

Eric Bana gibt sich alle Mühe, seiner Figur Tiefe zu verleihen. Sein Kommissar Kyle Turner ist ein Mann der wenigen Worte und der vielen Schatten. Doch seine Stille wirkt oft nicht wie Ausdruck innerer Zerrissenheit, sondern wie dramaturgische Notwehr. Auch seine Beziehung zur Parkrangerin Vasquez (Lily Santiago) – eine Figur zwischen Pflichtgefühl und Mutterrolle – bleibt in der Skizze stecken. Es fehlt der Mut zum Exzess, zur Unberechenbarkeit, zur echten Reibung. Man fühlt sich erinnert an Serien aus der zweiten Reihe, die bei allem Bemühen um Atmosphäre nie aus ihrer formalen Selbstbeschränkung ausbrechen.

Gegen Ende bemüht sich «Untamed» schließlich um narrative Überraschungen. Es gibt Enthüllungen, Ertappungen und ein bisschen Katharsis. Doch weil die Figuren bis dahin kaum Bindung erzeugen, bleiben auch die Wendungen wirkungslos. Man nimmt sie zur Kenntnis, aber sie hallen nicht nach. Es ist das Serienäquivalent eines lauwarmen Applauses: anerkennend, aber nicht begeistert.
Was also bleibt von «Untamed»? Eine solide gemachte, aber letztlich konventionelle Serie, die ihre besten Momente der Landschaft und nicht dem Drehbuch verdankt. Das Format ist eine Art Netflix-Naturkrimi: ideal zum Nebenbei-Schauen, visuell gefällig, inhaltlich dünn. Eine Serie, die gerne wild wäre, aber zu gezähmt daherkommt, um lange im Gedächtnis zu bleiben.
Sechs Folgen von «Untamed» stehen beim Streaming-Anbieter Netflix bereit.
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