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«Ironheart» bei Disney+: Mit Hirn, Herz und Hightech in den Heldenhimmel

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Mit „Ironheart“ wagt Marvel den Sprung ins postheroische Zeitalter: jung, queer, genial – und schwer beladen.

Mit «Ironheart» startet am 24. Juni 2025 auf Disney+ die nächste große Marvel-Serie – und gleichzeitig ein riskanter Balanceakt zwischen Coming-of-Age-Geschichte, gesellschaftlicher Relevanz, technologischem Pathos und Superhelden-Industrie. Im Zentrum steht Riri Williams, gespielt von Dominique Thorne, eine 19-jährige afroamerikanische Studentin am MIT, deren Intelligenz mit der von Tony Stark konkurriert – und das soll nicht nur eine reine PR-Behauptung sein. Schon in «Black Panther: Wakanda Forever» durfte sie kurz glänzen, nun wird sie zur Trägerin einer eigenen Mythologie. Oder zumindest zur Heldin einer sechs Episoden umfassenden Geschichte, die sich gleichermaßen um Selbstermächtigung und postindustrielle Verzauberung dreht.

Zurück in Chicago, wo Riri aufgewachsen ist, bastelt sie an ihrer eigenen Iron-Man-artigen Rüstung – inspiriert, aber nicht kopiert, wie es heißt. Doch während Riri noch zwischen Alltagsproblemen, akademischem Druck und inneren Dämonen jongliert, tritt ein Gegenspieler auf den Plan, der das bisher bekannte Gleichgewicht der Marvel-Welt ins Wanken bringt: The Hood, gespielt von Anthony Ramos, mischt das bekannte Hightech-Heldenbild mit Elementen dunkler Magie. Der Mann mit rotem Mantel, dämonischer Energie und einer unklaren Agenda wirkt wie ein Rückgriff auf alte Comicmythen – aber auch wie ein Testlauf für eine düsterere, reifere Marvel-Welt, die vielleicht nach Ende von Phase 5 auf die Fans wartet.

Spannend ist, dass «Ironheart» auf nahezu allen Ebenen als Korrektiv funktioniert: Ein weiblicher, schwarzer Teenager übernimmt das ikonische Stark-Erbe – nicht durch Genealogie, sondern durch eigene Genialität. Regie führt unter anderem Sam Bailey, eine Indie-Filmemacherin mit starkem Gespür für narrative Intimität, während auch Ryan Coogler als Produzent seine Handschrift einbringt. Es geht nicht mehr nur um den nächsten Kampf gegen das ultimative Böse, sondern um den Kampf gegen die Unsicherheit im eigenen Kopf. Die Serie inszeniert Genius und Trauma, Fortschritt und Verlust – verpackt in die visuelle Sprache von Stahl, Neon und latent apokalyptischem Regen.

Dass die Produktion mehrfach verschoben wurde, ist fast schon symptomatisch: Erst die pandemiebedingten Verzögerungen, dann die Autoren- und Schauspielerstreiks in Hollywood – und dazwischen Marvels offenkundige Strategie-Umbrüche. War Phase 4 des MCU noch als Übergangs-Experiment zu verstehen, bei dem Serien und Filme gleichermaßen ausprobiert wurden, ist Phase 5 der Versuch, mit weniger Output wieder mehr Wirkung zu erzeugen. Doch der Druck bleibt: Disney+ braucht neue Hits, und Marvel muss zeigen, dass das Franchise noch lebendig ist – jenseits von Multiversumsmüdigkeit und Iron-Man-Nostalgie.

«Ironheart» versucht diesen Spagat, indem es klassische Coming-of-Age-Motive mit aktuellen gesellschaftlichen Fragen verknüpft. Riris Freundeskreis ist divers, queer, technologisch versiert – und trotzdem keine Karikatur. Lyric Ross als beste Freundin Natalie, Anji White als überforderte, aber starke Mutter, Shea Couleé als subversive Hackerin – das alles wirkt wie aus dem Zeitgeist geschnitzt, aber mit etwas mehr Substanz als gewohnt. Ob das reicht, um das Franchise emotional aufzuladen, wird sich zeigen müssen.

Entscheidend wird sein, ob «Ironheart» sich traut, mehr als ein ironmaneskes Update zu sein. Bietet die Serie wirklich ein neues Narrativ, oder bleibt es bei der modernisierten Blaupause eines alten Mythos? Die Konkurrenz – auch aus dem eigenen Haus – ist groß. Und der Zuschauer wird kritischer. Die Zeit des Staunens ist vorbei. Jetzt zählt, was hängen bleibt.

«Ironheart» ist deshalb nicht nur die Geschichte einer jungen Heldin, sondern auch eine Metapher für Marvel selbst: zwischen Überforderung und Vision, zwischen massenmedialem Erwartungsdruck und künstlerischem Anspruch. Vielleicht ist das die wahre Superkraft dieser Serie – wenn sie denn den Mut findet, sich selbst ernst zu nehmen.

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