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«The Hunting Wives»: Sex, Lügen und Langeweile

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Femme Fatales aus Texas auf Männerjagd: Netflix präsentiert eine verstaubte Serie, die die Streaming-Ära eigentlich hinter sich gelassen haben sollte.

Es gibt Serien, bei denen man sich unweigerlich fragt, wie ein Stoff, der in seinem Kern durchaus Potenzial für Spannung und Tiefgang bietet, auf solch bemerkenswerte Weise in ein ästhetisch wie dramaturgisch belangloses Produkt verwandelt werden konnte. «The Hunting Wives», eine neue Serie aus dem Hause Netflix, ist ein Paradebeispiel für diesen Missgriff. Basierend auf dem gleichnamigen Roman von May Cobb, verspricht die Geschichte um eine geheimnisumwitterte Clique texanischer Frauen, die ihre Nachmittage mit Alkohol, Gewehren und gefährlichen Geheimnissen verbringen, einen düsteren Abstieg in menschliche Abgründe. Doch was uns die Streamingplattform letztlich serviert, ist eine seifenopernhafte Kolportage, in der Hochglanzoberflächen über die Leere der Erzählung hinwegzutäuschen versuchen.

Die Hauptfigur Sophie O’Neil, gespielt von Brittany Snow, zieht mit ihrem Ehemann und Sohn aus dem elitären Massachusetts in die Provinz von Texas – auf der Suche nach Entschleunigung, Bodenständigkeit und einem Neuanfang. Was sie findet, ist die titelgebende Gruppe der "Hunting Wives", angeführt von der verführerischen und manipulativen Margot (überzeichnet: Malin Akerman), die Sophie schnell in einen Strudel aus Lügen, Eifersucht und schließlich einem Mordfall hineinzieht.

Was zunächst nach einem cleveren Mix aus «Desperate Housewives» und «Big Little Lies» klingt – man erkennt die Einflüsse, die Netflix offenbar gern bedienen möchte –, gerät rasch zu einer Ansammlung schablonenhafter Szenen, in denen der Plot mit der Subtilität eines Vorschlaghammers vorangetrieben wird. Die Dialoge sind voller Plattitüden, die Charaktere eindimensional, ihre Motivationen willkürlich und oft unverständlich. Gerade Sophie bleibt seltsam blass; ihr moralisches Ringen wirkt aufgesetzt, und ihre Wandlung von der braven Ehefrau zur Femme fatale verläuft derart hastig und unmotiviert, dass man ihr kaum folgen mag.

Hinzu kommt eine ästhetische Inszenierung, die verzweifelt bemüht ist, mit satten Farben, stylischen Kostümen und überinszenierten Partys von der inhaltlichen Leere abzulenken. In einer Serie, die sich mit den dunklen Seiten des weiblichen Begehrens, Machtspielen und toxischer Freundschaft beschäftigen will, erwartet man Ambivalenz – stattdessen liefert «The Hunting Wives» Stereotype: die manipulative Schönheit, die naive Außenseiterin, die stille Mitläuferin. Die Männerriege bleibt ohnehin Staffage, meist reduziert auf blasse Karikaturen von Ehemännern, die entweder nichts begreifen oder sofort zu viel wissen.

Dabei hätte die Grundidee durchaus Stoff für eine kluge, vielleicht sogar feministisch vielschichtige Erzählung geboten: eine Analyse weiblicher Machtstrukturen abseits der üblichen patriarchalen Konstellationen, ein Blick in die Abgründe suburbaner Langeweile, in der Triebe und Tabubrüche sprießen. Doch die Serie wählt stets den bequemsten Weg, der weniger durch psychologische Tiefe als durch klischeehafte Skandalisierung führt.

So bleibt «The Hunting Wives» nicht nur stilistisch fragwürdig, sondern auch erzählerisch enttäuschend – eine Serie, die ihr Publikum zu unterschätzen scheint. Am Ende hat man nicht das Gefühl, Zeugin eines raffinierten Spiels aus Moral und Verlangen geworden zu sein, sondern vielmehr einer müden Wiederholung jener Fernsehkonventionen, von denen man gehofft hatte, der Streamingboom hätte sie längst hinter sich gelassen.

Die Serie «The Hunting Wives» ist im Streaming-Angebot von Netflix zu finden.

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