First Look

«Stick»: Das Leben ist ein Golf-Turnier

von

Mit Owen Wilson als älterem Golfer ist AppleTV+ eine schöne kleine Serie gelungen.

Er trägt ein Poloshirt wie andere einen Gebetsschal: ehrfürchtig. Owen Wilson, der in «Stick» nicht einfach nur Golf spielt, sondern – natürlich – mit dem Driver die Seele abschlägt. Eine Serie über einen Sport, bei dem man in aller Stille Fehler macht. Und sie dabei elegant kaschiert. Das ist Golf. Das ist «Stick». Das ist: richtig spannend.

Es ist alles da: die verwitterte Americana-Melancholie der Driving Range um acht Uhr morgens, das dumpfe Ploppen der Bälle, die ins Netz schlagen wie ungeöffnete E-Mails – und mittendrin Pryce Cahill, ein Golf-has-been, exzellent gespielt von Owen Wilson mit dieser pastellfarbenen Lässigkeit, die sich weigert, in den Modus „Comeback“ zu schalten. Das hier ist kein Rocky. Das ist eher: ein sehr verlorener George Clooney, der sich in der Umkleidekabine verheddert und dabei ganz nebenbei einem jungen Menschen das Leben rettet.

Pryce trifft auf Santi – 17 Jahre, jung, hochbegabt, wütend. Es ist das Gegenteil eines Vater-Sohn-Dramas. Keine erlösende Umarmung am Ende des dritten Akts. Kein Disney. Mehr so: Was ist das eigentlich für ein Leben, wenn man es niemandem zeigen will? Die beiden schieben sich ineinander wie zwei Einzelteile eines kaputten Kopfhörers – es knackt, aber irgendwann ist da Ton.

«Stick» macht etwas Seltsames: Es traut sich, langsam zu sein. In einer Welt, in der Serien wie TikToks auf Speed geschnitten sind, bleibt diese hier stehen. Guckt. Zieht ein langes 7er Eisen. Und trifft. Irgendwas. Einen Nerv zum Beispiel. Oder einfach nur das Gefühl, dass man noch nicht alles vergeigt hat, auch wenn es sich genauso anfühlt.

Es gibt keinen Antagonisten. Nur das Leben. Die Angst, die Karriere, die Vergangenheit. Es gibt diesen Club, diese Landschaft – irgendwo zwischen kalifornischem Staub und emotionalem Trümmerfeld. Man will dort wohnen. Oder wenigstens mal Caddy sein. Zwischen Menschen, die alle aussehen, als hätten sie ihre gesammelten Träume gegen einen Scheck eingetauscht – nicht hoch, aber immerhin gedeckt.

Owen Wilson spielt das alles mit einer Note, die man lange nicht mehr gehört hat: Demütiger Dandyismus. Sein Pryce ist einer, der weiß, dass er mal cool war – aber eben auch, dass es vorbei ist. Und er trägt dieses Wissen wie einen zu engen Blazer: unbequem, aber stilvoll.

Es gibt kein Gag-Feuerwerk, eher: humoristische Stolpersteine. Die Serie ist manchmal trocken wie ein Martini. Mit Olive. Ohne Hoffnung. Die musikalische Untermalung passt perfekt dazu: nicht aufdringlich, aber so platziert, dass man denkt: Ja. So klingt das also, wenn man sich langsam wieder öffnet.

Wird es am Ende eine große Auflösung geben? Ein großes Turnier, einen Pokal eine kleine Träne im Scheinwerferlicht? Eher unwahrscheinlich, dafür ist die Serie zu sehr in ihrer emotionalen Betrachtung verhaftet. Und das ist gut so. Denn das ist Fernsehen, wie es sein sollte: traurig, lustig, ehrlich, albern, alles zugleich: eine Serie wie eine schöne Niederlage, denn ja: Auch Niederlagen können schön sein. Und Owen Wilson als Kapitän dieses leicht beschädigten Schiffs? Ein Geschenk. Danke dafür. Ball ist im Spiel. Spiel beginnt.

Die Serie «Stick» ist bei AppleTV+ zu finden.

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