
Die Geschichte, die sich in den Nachtstunden eines fiktiven New Yorker Edelrestaurants entfaltet, ist zunächst von bestechender Einfachheit. Jake Friedken (Jude Law) ist ein Mann, der seine Dämonen mit Disziplin bändigt – ein Erfolgswirt, der den Schein der Kontrolle kultiviert. Als sein Bruder Vince (Jason Bateman), ein gescheiterter Mann mit zweifelhafter Vergangenheit, unvermittelt in sein Leben zurückkehrt, brechen Risse auf: familiäre Schuld, verdrängte Scham, alte Rechnungen. Es ist eine klassische Konstellation, fast biblisch, und das Drehbuch weiß das auch. Nur: Je weiter die Handlung voranschreitet, desto stärker drängt sich der Eindruck auf, dass diese Dramatik sorgfältiger komponiert als durchlebt ist.
Gewiss, «Black Rabbit» versteht sich auf Atmosphäre. Kaum eine Szene, die nicht in gedämpftem Licht und dezenten Erdtönen gehalten wäre; die Kamera gleitet behutsam durch die Räume, als wolle sie die Gesichter der Figuren mit Respekt ertasten. Das Setting – eine Mischung aus Restaurant und Bar – ist zugleich Bühne und Beichtstuhl. Dort, wo gegessen, getrunken und gesündigt wird, scheint die Stadt selbst zu atmen. Diese visuelle Eleganz ist beeindruckend, ja hypnotisch. Aber sie gerät mitunter zum Selbstzweck. Man beginnt, den Schatten zu bewundern, anstatt das, was er verhüllt, zu fürchten.

Man spürt, dass «Black Rabbit» mehr sein will als ein Krimi oder Familiendrama. Es geht um Schuld und Vergebung, um Männlichkeit in der Krise, um die moralische Preisfrage des Erfolgs. Das alles wird mit beachtlicher Ernsthaftigkeit verhandelt – manchmal allerdings mit der Gravität eines Essays, der sich selbst zitiert. Jede Szene trägt die Ambition, Bedeutung zu haben, was am Ende die Leichtigkeit kostet. Wo andere Serien mit Wucht überraschen, will Black Rabbit überzeugen. Wo Spannung aufblitzen könnte, wird symbolisiert, wo ein Bruch droht, wird ein Zitat gesetzt. So entsteht eine Kuriosität: ein Werk, das brillant gedacht, aber selten wirklich gespürt ist.

Am Ende steht «Black Rabbit» da wie sein Protagonist: elegant, kontrolliert, ein wenig zu sehr auf Wirkung bedacht. Man ahnt, dass hier großes Können am Werk war – Regie, Kamera, Musik, Schauspiel – und dennoch fehlt der letzte Funke, der das Konstrukt in Leben verwandelt. Vielleicht ist das der Preis des Perfektionismus: dass er die Wärme opfert, um schön zu bleiben.
Die Serie «Black Rabbit» ist im Streaming-Angebot von Netflix zu finden.
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