Die Kritiker

«Ida rettet die Welt»

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Nur noch kurz die Welt retten: Eine junge Psychologiestudentin gerät in dieser norwegischen Serie in Gefahr, in einen drohenden Amoklauf verwickelt zu werden. Oder bildet sie sich das nur ein?

Manchmal braucht es junge Stimmen, um drängende Themen unserer Zeit in ungewohnter Klarheit hörbar zu machen. «Ida rettet die Welt», eine norwegische Dramedy-Serie, die nun bei One ausgestrahlt wird und auch ihren Weg in die ARD-Mediathek gefunden hat, wagt sich an ein gesellschaftliches Minenfeld: psychische Gesundheit, das Incel-Phänomen, die moralische Ambivalenz von Hilfsbereitschaft – und das alles durch die Linse einer jungen Frau, die nicht nur Psychologie studiert, sondern offenbar auch die Welt retten will.

Die Titelfigur, gespielt von der eindrucksvollen Newcomerin Elli Müller Osborne, ist eine vielschichtige Heldin: neurotisch, idealistisch, analytisch – und oft erschreckend allein mit ihren Gedanken. Ida zieht zum Studium nach Oslo, aber ihre wahren Herausforderungen liegen nicht in Seminarräumen oder WG-Küchen, sondern in ihrem Kopf. Dort verdichtet sich ein diffuses Unbehagen zu einer konkreten Obsession: Ist Axel, der stille Kommilitone mit Waffennähe und sozialer Isolation, tatsächlich ein Amokläufer in spe? Und wenn ja – was ist Idas Rolle in diesem Szenario?

Die Serie basiert auf dem gefeierten Debütroman der Psychologin Kjersti Halvorsen und zeigt von Anfang an: Hier geht es nicht um oberflächliche Effekthascherei, sondern um einen ernst gemeinten, feinfühligen Blick auf die Unsicherheit junger Erwachsener im Zeitalter der Dauerkrise. Die Angst vor Gewalt, die Suche nach Kontrolle, das Streben nach moralischer Integrität – all das wird verhandelt in acht knapp halbstündigen Episoden, die sich angenehm jeder klaren Genrezuordnung entziehen.

Regisseurin Rikke Gregersen führte bei diesem Projekt ein junges Kreativteam, das spürbar von einem frischen, fast dokumentarischen Zugang zu seinen Figuren lebt. Insbesondere Kameramann Torjus Thesen findet eine visuelle Sprache, die das Erzählte nicht erdrückt, sondern mit Leichtigkeit kontrastiert. Die Bilder sind hell, fast sonnig – ein bewusster Widerspruch zum psychischen Ernst, der unter der Oberfläche brodelt.

Besonders stark ist die Serie, wenn sie sich auf ihre leisen Zwischentöne konzentriert: auf Idas zunehmende Verwirrung über ihre eigene Rolle in dem sich anbahnenden Drama, auf die subtile Bedrohlichkeit, die Arthur Hakalahti als Axel nie plakativ, sondern stets brüchig und menschlich verkörpert. Ebenso überzeugend: Mohammed Aden Ali als Jonas, Idas potenzieller Love Interest, der mit seiner geerdeten Ruhe einen wohltuenden Kontrapunkt zum neurotischen Grundton der Handlung bildet.

Doch gerade in dieser Vielstimmigkeit liegt auch eine gewisse Schwäche des Formats: Denn mitunter will die Dramaturgie zu viel auf einmal. Zwischen Thriller, Coming-of-Age-Geschichte und sozialem Psychogramm verliert sich der Erzählfluss gelegentlich in zu vielen Richtungen. Die Entscheidung, alles in acht kompakte Folgen zu pressen, ist mutig – aber sie fordert auch ihren Preis: Einige Nebenfiguren bleiben skizzenhaft, bestimmte Entwicklungen erscheinen forciert oder überhastet.

Dennoch: «Ida rettet die Welt» ist eine der wenigen Serien der letzten Zeit, die es wagen, den moralischen Eifer einer jungen Generation ernst zu nehmen, ohne ins Klischee abzudriften. Die narrative Frage, ob Ida wirklich retten kann – Axel, sich selbst, die Welt –, wird nicht endgültig beantwortet. Und gerade darin liegt die Stärke dieses Formats: Sie zeigt eine Generation, die in Unsicherheit lebt und dennoch versucht, Verantwortung zu übernehmen.

Am Ende bleibt ein erzählerisch ambitioniertes, stellenweise überfrachtetes, aber über weite Strecken eindringliches Porträt einer jungen Frau, die sich dem Chaos nicht entzieht, sondern darin einen Platz sucht. Ob das Retten der Welt dabei wirklich gelingt, bleibt offen – aber es ist ein serieller Versuch, der Beachtung verdient.

Die norwegische Serie «Ida rettet die Welt» ist derzeit in der ARD-Mediathek abrufbar.

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