Serientäter

«The Last of Us»-Part 2: Wenn eine Serie sich selbst im Weg steht

von

Die zweite Staffel der gefeierten Endzeitserie will viel – und schafft wenig. Zwischen erzählerischem Leerlauf, mutigen Brüchen und vertanen Chancen bleibt vor allem eines: ein großes Versprechen für Staffel drei.

«The Last of Us»

Regie: Craig Mazin; Kamera: Eben Bolter; Produzenten: Neil Druckmann, Craig Mazin, Carolyn Strauss, Evan Wells, Asad Qizilbash, Carter Swan, Rose Lam; Showrunner: Craig Mazin; Maske: Barrie Gower; Musik: Gustavo Santaolalla, David Fleming; Besetzung: Bella Ramsey (Ellie), Pedro Pascal (Joel), Kaitlyn Dever (Abby), Gabriel Luna (Tommy), Isabela Merced (Dina), Mazino (Jesse), Rutina Wesley (Maria), Merle Dandridge (Marlene)
Die zweite Staffel von «The Last of Us» umfasst sieben Episoden – und bietet dabei einiges an Stoff für Diskussionen. Es gibt starke Momente, packende Szenen, emotionale Tiefschläge. Und sehr viel Leerlauf. «The Last of Us» macht eine Auseinandersetzung nicht einfach. Und sie verlangt eine Spoilerwarnung. Eine in großen Lettern geschriebene Spoilerwarnung, denn ohne Spoiler geht es nicht.

Wir sprechen hier nicht von kleinen Spoilern, die vielleicht einmal am Rande einer Szene ein kleines bisschen mehr verraten als sie sollten. Wir sprechen hier von Spoilern der Kategorie – Darth Vader ist wirklich Lukes Vater und Bruce Willis ist den ganzen Film über ein Geist? Wenn du also noch unvorbereitet bist und dich von der Geschichte überraschen lassen willst, dann solltest du jetzt vielleicht noch einmal innehalten und zum nächsten Text wechseln, denn dieser Text hier macht keine Gefangenen. Es. Wird. Gespoilert! Und zwar rigoros. Aus diesem Grund ist dies mehr als ein freundlicher Hinweis. Es ist eine Warnung.

Einstieg in Staffel 2


Nach den Geschehnissen der ersten Staffel haben sich Ellie und Joel in Jackson niedergelassen – einer abgeschirmten, erstaunlich gut organisierten Gemeinschaft im Nordwesten Wyomings. Umgeben von schneebedeckten Bergen, Palisaden und einem Hauch von Normalität lebt man dort in relativer Sicherheit. Strom fließt, Kinder gehen zur Schule, es gibt Pferde, Holzöfen und gelegentlich sogar Tanzabende. Für eine Welt, die vom Cordyceps-Pilz heimgesucht wurde, ist das beinahe ein Wunder.

Joel wirkt angekommen, zumindest für den Moment. Er baut Möbel, spielt Gitarre und versucht, eine Art Vaterrolle für Ellie auszufüllen – auf leisen Sohlen, mit der Unsicherheit eines Mannes, der weiß, dass er einen Fehler gemacht hat. Einen schwerwiegenden Fehler. Ellie hingegen ist zerrissener. Der Schein von Frieden kann nicht über die innere Unruhe hinwegtrösten, die in ihr gärt. Sie verachtet Joel für das, was er getan hat – oder beginnt zumindest, es zu tun. Zwischen ihnen liegt etwas Unausgesprochenes, das mehr wiegt als jedes Zombie-Aufkommen.

Womit gleich zu Beginn der zweiten Staffel eine Frage im Raum steht: Was, bitte schön, ist vorgefallen, dass Ellie kaum in der Lage ist, Joel ins Gesicht zu schauen? Vor allem nach dem dramatischen Finale der ersten Staffel, in dem Joel alles, aber auch wirklich alles getan hat, um Ellie aus den Händen der Fireflies zu retten – jener militanten Organisation, die bereit war, das Mädchen zu opfern, um vielleicht ein Heilmittel gegen die Pilzinfektion zu entwickeln. Joel hat damals nicht nur ihre Flucht erzwungen. Er hat getötet. Viele. Und er hat gelogen. Schwer. Aus Liebe. Aus Angst. Aus Überzeugung. Was davon überwiegt, darüber lässt sich streiten. Dass Ellie es irgendwann herausfinden würde – war wohl nie wirklich fraglich. Fraglich ist allerdings, ob es wirklich diese Geschehnisse sind, die einen Keil zwischen ihre Beziehung gestoßen hat? Nein, das ist es nicht. Aber was ist es?

Das Problem dieser ersten Episode liegt nicht darin, dass sie langweilig wäre. Im Gegenteil: Atmosphärisch dicht, eindrucksvoll gespielt und visuell überzeugend ist sie allemal. Und doch bleibt da ein merkwürdiges Gefühl zurück – ein Gefühl der Verwirrung, fast schon des Fremdseins. Viele Szenen wirken in ihrer emotionalen Stoßrichtung regelrecht unverständlich. Ellie verhält sich merkwürdig distanziert, oft schroff, manchmal sogar hart – vor allem gegenüber Joel. Ihr Verhalten erscheint out of character, als hätte man einen entscheidenden Zwischenschritt verpasst, der diese emotionale Kälte erklären würde. Aber der kommt nicht. Stattdessen wird man als Zuschauer mitten in eine Beziehung geworfen, die scheinbar aus dem Nichts Risse bekommen hat. Da sitzt man dann, als unbedarfter Zuschauer, und fragt sich stirnrunzelnd: Moment mal – habe ich eine Szene verpasst? Oder vielleicht sogar eine ganze Episode? Diese Art von Irritation wäre nicht weiter schlimm, würde sie sich schnell auflösen. Aber genau das geschieht nicht. Und das ist ein Problem, denn es erschwert den Einstieg massiv. Es macht es schwer, emotional in die Geschichte hineinzufinden – besonders für all jene, die sich «The Last of Us» nicht über die Konsole, sondern über die Couch erschlossen haben.

Zwar wird hinter den Kulissen eifrig erklärt, dass Ellies Verhalten in direktem Bezug zur Handlung des zugrundeliegenden Videospiels steht – konkret: zu einem Rückblick-Kapitel, das bereits zwischen Teil eins und Teil zwei des Spiels angesiedelt ist. Und das ist ja auch schön: Wenn man denn das Spiel kennt. Der Autor dieser Zeilen tut das nicht, musste sich diese Verbindung also selbst erst einmal anlesen – und so ratlos, wie er vor dem Fernseher saß, so dürften sich viele Zuschauerinnen und Zuschauer gefühlt haben. Gerade die erste Staffel hat bewiesen, dass eine Serie auf Basis eines Spiels sehr wohl für sich selbst funktionieren kann. 2023 wurde das Projekt von zwei Seiten aus gelobt: Die Gamer lobten, dass der Medienwechsel mit Feingefühl und Respekt vor dem Original gestaltet wurde. Kleinere Abweichungen? Geschenkt. Im Gegenteil: Sie schienen oft sinnvoll, geradezu notwendig, um Figuren zu vertiefen und Beziehungen klarer zu konturieren. Der Übergang vom Spiel zur Serie – er galt als geglückt. Seriengucker ohne Playstation-Hintergrund konnten sich derweil ganz in der wohl konstruierten Erzählwelt mit seinen emotional fordernden Hauptfiguren verlieren. Umso verwunderlicher wirkt es nun, dass ausgerechnet der Auftakt zur zweiten Staffel diesen Balanceakt aus dem Tritt bringt – zumindest in seiner ersten Stunde.

Und so sei an dieser Stelle ein erster, durchaus gewichtiger Spoiler gesetzt: Was zwischen Ellie und Joel vorgefallen ist, wird erklärt. Und zwar ausführlich. In Episode 6. Einer Folge, deren komplette Handlung vor den Geschehnissen der ersten Episode spielt – also ein Rückblick im eigentlichen Sinne. Und was diese Episode leistet, ist beeindruckend. Sie erzählt, ruhig, unaufgeregt und dabei emotional fordernd, wie es zu jenem Bruch kommt, der sich in der Auftaktfolge so kühl und unausgesprochen anfühlt. Plötzlich ergibt alles Sinn. Ellie, die Joel kaum in die Augen sehen kann. Ihre Härte, ihre Distanz, ihre unausgesprochene Wut. All das hat ein nachvollziehbares, tief verankertes Fundament.

Das Problem ist nur: Diese Erklärung kommt spät. Zu spät. Sie kommt in einem Moment, in dem sich die Serie längst mit ganz anderen Dingen beschäftigt – mit Abby (wem bitte?), mit Seattle (warum?), mit Trauma, Rache (Rache?), Schuld und Tod. Dass dann plötzlich, inmitten dieser dröhnenden Themen, eine Rückblende erscheint, die rückwirkend den emotionalen Motor der Staffel einführen soll, wirkt dramaturgisch nicht ideal gesetzt. Sie liefert, was man sich zu Beginn so dringend gewünscht hätte: Orientierung, Verständnis, emotionale Anschlussfähigkeit. Doch statt den Einstieg zu erleichtern, funktioniert sie lediglich als nachgelagerte Reparaturmaßnahme, die viel zu spät kommt, da die neuen Konflikte und Beziehungen längst etabliert sind und der Rückblick nun das Voranschreiten der Handlung blockiert.



Who the fuck is Abby?


In dieser Handlung spielt eine gewisse Abby eine wichtige Rolle. Sie taucht erstmals am Rande der ersten Episode auf und wird in der zweiten Folge teilweise im Mittelpunkt stehen Sie ist ein Firefly. Das ist von Anfang an klar. Aber mehr gibt es im Grunde nicht über sie zu sagen. Ach ja, sie hat ein Hühnchen mit Joel zu rupfen. Warum? Man ahnt es sehr bald. Als Joel Ellie befreit hat, hat er keine Gnade gekannt und auf seinem Weg eine Spur des Blutes hinterlassen.

Die Idee dahinter ist eigentlich ausgesprochen packend – und im Serienkontext sogar beinahe revolutionär. Denn als Film- und Serienkonsumenten sind wir es gewohnt, Geschichten über Rache aus einer klaren Perspektive erzählt zu bekommen. Es gibt Täter. Es gibt Opfer. Und die Opfer nehmen – früher oder später, oft unter dramaturgisch maximalem Pathos – Rache. So weit, so bekannt.

Nach der ersten Staffel von «The Last of Us» sind Joel und Ellie ganz klar unsere Protagonisten. Unsere Helden. Unsere Bezugspersonen. Wir kennen sie, wir leiden mit ihnen, wir fiebern mit ihnen mit. Vor allem Joel, der stoische Einzelgänger mit dem gebrochenen Herzen, hat sich im Laufe der ersten Staffel eine emotionale Tiefe erarbeitet, die ihm viele Fans eingebracht hat. Und als er Ellie am Ende jener ersten Staffel aus den Händen der Fireflies befreit, wirkt das zunächst wie eine Heldentat. Er hat sie gerettet. Punkt.

Aber wenn wir einmal ehrlich sind: Hat er wirklich nur Bösewichte getötet? Oder waren da nicht auch Menschen, die glaubten, das Richtige zu tun? Menschen mit Namen, mit Familien, mit Biografien? Die Fireflies sind kein gesichtsloser Kult, kein Horror-Kollektiv, das sich nur durch seine Boshaftigkeit definiert. Unter Joels Opfern waren Brüder, Schwestern, Mütter, Väter, Freunde. Menschen, die man genauso hätte begleiten können wie Ellie und Joel. Menschen, deren Geschichte – aus einem anderen Blickwinkel betrachtet – genauso viel Gewicht gehabt hätte.

Und genau hier setzt die zweite Staffel an. Denn «The Last of Us» entscheidet sich mutig dafür, den Spieß umzudrehen und führt Abby in die Geschichte ein. Von Anfang an ist klar, dass sie in irgendeiner Form mit Joels Opfern in Verbindung steht – und ja, Opfer ist hier kein zu großes Wort. Für Abby ist Joel kein Held. Kein Beschützer. Kein liebevoller Ziehvater. Für sie ist er ein Mörder. Und was folgt, ist keine klassische Heldengeschichte mehr, sondern ein radikaler Perspektivwechsel, der das Erzählgefüge in seinen Grundfesten erschüttert.

«The Last of Us» sprengt damit ganz bewusst die typischen Genre-Muster. Es gibt kein klares Richtig und Falsch mehr. Die Serie stellt die unbequeme Frage: Was passiert, wenn wir lernen müssen, mit der Sichtweise derjenigen zu sympathisieren, die unseren „Helden“ hassen – und zwar zu Recht? Wer ist Opfer, wer ist Täter? Wer verdient Mitgefühl, wer verdient Gerechtigkeit – und was genau ist das überhaupt? Dieser narrative Bruch ist mehr als ein erzählerischer Kunstgriff. Er ist ein Angebot an das Publikum, sich emotional zu verrücken, sich selbst infrage zu stellen - oder zumindest sollte es sein. Denn auch hier begeht die zweite Staffel einen Fehler – indem Abby nach der zweiten Episode erst einmal wieder verschwindet. Oh, ihr Name hallt wie ein böses Echo durch den weiteren Verlauf der Staffel und lässt die Pilze, Zombies, ja die gesamt Apokalypse fast vergessen. Jedoch bleibt Abby nach dem, was sie macht, eine Fremde, über deren Motive wir zwar fundierte Spekulationen anstellen können, die aber in letzter Konsequenz als körperhafte Figur dem Geschehen fernbleibt.

Spoiler voraus!


Nun gehört diese zweite Episode, die in Deutschland den Titel „Durch das Tal“ trägt, wahrscheinlich zum Besten, was das apokalyptische Fernsehen je auf den Bildschirm gebannt hat. Die Story spielt auf zwei Ebenen. Während eines Versorgungseinsatzes geraten, etwas gerafft zusammengefasst, Joel, Ellie und zwei weitere Begleiter in einen Hinterhalt. Der Angriff durch eine größere Horde Infizierter zwingt sie zur Flucht in eine nahegelegene Fabrikhalle – dort treffen sie unerwartet auf besagte Abby und ihre Gruppe. Auf der anderen Seite ist die Stadt selbst, die von einer Horde angegriffen wird. Und das, was folgt, das nannte man früher Kino. Der Angriff der Infizierten auf die Stadt entwickelt nicht nur eine mitreißende Dynamik durch die Kamera und den Schnitt, die einander atemberaubend ergänzen und das ganz große Handwerk erkennen lassen. Es sind Kinobilder, die die Episode liefert, Bilder von bitterer Grausamkeit – und großer Faszination. Die Kamera wechselt virtuos zwischen weitläufigen Breitbildaufnahmen und intimen Nahperspektiven, die uns unmittelbar auf Augenhöhe mit den Verteidigern bringen. Sie fängt ihre rohe Wut ein, den tiefen Schmerz und den verzweifelten Kampf ums Überleben – eine Symbiose aus epischer Bildgewalt und zutiefst menschlicher Verletzlichkeit. Was vor einem Jahrzehnt noch als großer Showdown auf der Kinoleinwand inszeniert worden wäre, ist heute Teil 2 einer Fernsehserie ...

Und in dem Moment, in dem man als Zuschauer glaubt, endlich wieder durchatmen zu können, ereignet sich etwas Unerwartetes, ja geradezu Unfassbares. Ein Augenblick, der die eingangs geäußerte Spoilerwarnung noch einmal in aller Deutlichkeit ins Bewusstsein ruft – jene Warnung, dass dieser Text keine Gefangenen macht und für eine gründliche Auseinandersetzung mit der zweiten Staffel gezwungen ist, Handlungsmomente zu enthüllen, die gemeinhin unter Verschluss bleiben. Wer sich also entschließt, weiterzulesen, muss sich darüber im Klaren sein: Ein Zurück gibt es nicht mehr. Der ganz große Spoilerhammer wird ausgepackt.

Der Spoiler!


Dieser Moment stellt nicht nur eine dramatische Zuspitzung dar, er ist ein narrativer Wendepunkt, der das zuvor Gesehene in ein neues Licht rückt und die Erzählung auf eine Ebene hebt, die jenseits einfacher Gut-gegen-Böse-Schemata verläuft.

Und jetzt nicht mehr weiter hinausgezögert wird.
Bitte, es kann niemand sagen, nicht ausführlichst und eindringlichst gewarnt worden zu sein.
In der alten Fabrikhalle auf jeden Fall treffen Joel und Ellie auf Abby und ihre Leute. Rettet Joel Abby gar in den Wirren, die um sie herum herrschen (Stichwort: Angriff der Infizierten, der auch hier stattfindet), kann sich Abby nicht von ihrem Vorhaben abbringen lassen, Joel zu töten. Joel, erfahren wir, hat ihren Vater ermordet. Dafür stirbt nun Joel. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Ellie lässt sie leben, denn ihre Wut gilt alleine Joel. Es ist ein klassischer Racheakt, in dem der Fokus nicht auf eine Gemeinschaft gerichtet es. Es ist diese eine Person. Abby bekommt ihre Genugtuung. Der Rest …

An diesem Punkt wird eine Schwäche der zweiten Staffel besonders deutlich. Zurück in der Stadt, die den verheerenden Angriff zwar überstanden, dabei aber zahlreiche Opfer zu beklagen hat, treibt Ellie nur noch eines: Rache. Sie fordert, dass die Gruppe nach Seattle – der Heimat der Fireflies – aufbricht, um Vergeltung zu üben. Doch ihre Gemeinschaft ist basisdemokratisch organisiert, und so liegt die Entscheidung nicht allein bei ihr. Die Fireflies betrachtet Ellie als eine Bedrohung, die kaum weniger gefährlich ist als die Infizierten selbst. Dennoch wird ihr Vorhaben in der anschließenden Abstimmung abgelehnt – sogar von Tommy, Joels Bruder, der ebenfalls in der Gemeinde lebt. Getrieben von einem inneren Konflikt zwischen persönlichem Schmerz und der Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft, entscheidet er sich letztlich für den Schutz der Gruppe und gegen Ellies Wunsch nach Rache.

Was daran nun schwach ist? Ellie hat eine Freundin (Geliebte) – Dina. Diese lebt alleine in der Stadt. Und diese Dina ist etwas hin und hergerissen zwischen Ellie und Jesse, einem jungen Mann. Im Fogenden entscheidet sie sich nun für Ellie gegen Jesse – nämlich dahingehend, Ellie zu folgen. Die ist nämlich stinkig und derart voller Wut, dass sie sich alleine auf den Weg nach Seattle begibt. Fast allein, denn Dina kommt ja auch mich. Was passiert also in den Episoden drei, vier und fünf? Tatsächlich recht wenig im klassischen Sinne. Ellie und Dina durchstreifen also die die Wildnis und stoßen dabei nicht nur auf Spuren der Fireflies, sondern auch auf eine gefährliche, fanatische religiöse Sekte, die sich daran erfreut, hin und wieder Fireflies bestialisch zu ermorden. Wer genau diese Spacken sind, wird nicht erklärt. Stattdessen rückt vor allem die Beziehung zwischen Ellie und Dina in den Mittelpunkt. Es sind Szenen voller Gefühl, Nähe und Verletzlichkeit, die ihre Verbindung ausloten und vertiefen, was ja ganz nett ist. Aber drei Episoden lang? Ganz ehrlich, das hätte man auch in einer einzigen Folge zusammenfassen können. Inszenatorisch ist das teils recht unangenehm, denn es kommt das Gefühl auf, als würden die Autoren mit großen Schildern am Wegesrand stehen, auf denen steht: „Wartet ab, Leute, Staffel drei wird der Hammer, da kommt so viel auf euch zu, boah.“ Dies ist aber Staffel 2, die nicht nur über die Episoden drei bis fünf auf der Stelle tritt, sondern mit Episode 6 dann auch noch den Rückblick auftischt, über den bereits geschrieben wurde.

Das Finale


Das Finale, wenn man die siebte Episode denn nach dem Nichtgeschehen der Vorgängerfolgen so nennen möchte, läutet dann auch schon die dritte Staffel ein. Da sind also die Irren, da sind die Fireflies, oh, und Jeffrey Wright tritt nach einem besseren Cameo in einer der vorangegangenen Episode wieder auf. Wright, der in der Riege Supporting Actors definitiv eine Goldkarte besitzt, ist jemand, der problemlos auch Hauptrollen spielen kann. Als starker Unterstützer – ein Supporting Actor, niemals bloß ein Nebendarsteller – bringt er jedoch eine besondere Qualität mit, die jene, in deren Schatten er agiert, noch mehr zum Leuchten bringt. In dieser zweiten Staffel hätte man sich durchaus etwas mehr Raum für seine Figur gewünscht, denn gerade ein bisschen mehr Präsenz von jemanden wie ihm hätte der Staffel gutgetan. Einer Staffel, die sich um Ellie dreht wie eine Motte ums Licht fliegt. Ellie hier, Ellie da. Unter Fans – vor allem aus der Gamer-Fraktion – hat dieser Fokus einiges an Kritik hervorgerufen, und Hauptdarstellerin Bella Ramsey hat einen nicht unerheblichen Teil dieses Unmuts abbekommen. Was, man muss es so deutlich sagen, unfair ist. Denn Ramsey macht ihren Job hervorragend. Ihre Darstellung ist nuanciert, glaubwürdig, bisweilen herzzerreißend – an ihrem Spiel ist nichts auszusetzen. Das Problem liegt weniger in der Performance, sondern vielmehr in der Konstruktion ihrer Figur.

Ellie will Rache. Gut. Ein verständliches, menschliches Motiv. Dass sie an diesem Wunsch festhält, selbst nachdem ihre Community – demokratisch organisiert – ihr in einer Abstimmung eine klare Grenze setzt, ist ebenfalls nachvollziehbar. Doch ab diesem Punkt beginnt die Figur, sich in einen regelrechten Tunnelblick hineinzumanövrieren. Der Wunsch nach Vergeltung wird zur Obsession, jeder Versuch von außen, sie zu bremsen, prallt an ihr ab. Was man als konsequente Charakterzeichnung lesen kann, verliert in der Ausführung jedoch zunehmend an Resonanz.
Denn statt Ellies inneren Konflikt vielschichtig zu beleuchten, dehnt die Serie ihr Rachemotiv über mehrere Episoden hinweg aus – ohne neue Facetten, ohne tiefere Einblicke. Es ist ein monotones Voranschreiten, das ihre Figur nicht nur isoliert, sondern auch für das Publikum zunehmend schwer greifbar macht. Die emotionale Bindung, die zu Beginn der Serie mühsam aufgebaut wurde, beginnt zu bröckeln. Ellie ist zwar weiterhin das Zentrum – aber eines, das sich mehr und mehr dem emotionalen Zugriff entzieht.

Das ist schade, denn «The Last of Us» ist in seinen besten Momenten eine Serie, die von emotionaler Unmittelbarkeit lebt – davon, dass man mitfühlt, mitzittert, mitverzweifelt. Wenn aber die Hauptfigur zum starrköpfigen Monolithen wird, der seine Menschlichkeit nur noch in flüchtigen Momenten aufblitzen lässt, dann leidet darunter das ganze Gefüge.

Und so entsteht der paradoxe Eindruck, dass eine Serie, die fast ausschließlich von Ellie handelt, es nicht schafft, ihrer Protagonistin wirklich nahe zu kommen. Man schaut ihr zu – aber man fühlt nicht mehr mit ihr.

Fazit


Die zweite Staffel von «The Last of Us» fühlt sich an, als wüsste sie selbst nicht genau, was sie sein will – oder besser gesagt: als dürfe sie es nicht sein. Sie wirkt, wie bereits erwähnt, wie ein Auftakt, ein ausgedehnter Prolog, ein erzählerisches Aufwärmen, das sich auf sieben Episoden streckt, obwohl inhaltlich kaum mehr als drei oder vier Episoden darin stecken. Der Eindruck drängt sich auf, dass hier nicht zu wenig erzählt wird – sondern, um auch dies zu wiederholen, zu viel Zeit auf zu wenig Inhalt verwendet wurde. Die Serie tastet sich durch ihre Spielzeit, als wolle sie ein großes Versprechen einlösen, das sie aber erst in der Zukunft halten darf. Und am Ende steht man vor einem geöffneten Tor, hinter dem sich das eigentliche Drama verbirgt – doch hindurch gehen darf man noch nicht.

Denn ja, am Ende dieser Staffel wird das ganz große Fass aufgemacht. Figuren, Konflikte, Fronten – alles deutet darauf hin, dass der wahre emotionale und narrative Kern erst in der dritten Staffel schlagkräftig wird. Doch bis dahin bleibt vieles merkwürdig unfertig, unausbalanciert, ja beinahe künstlich zurückgehalten. Die dramatische Fallhöhe, die sich ankündigt, wird nicht erklommen – man bleibt unten stehen und schaut zu, wie oben schon fleißig aufgebaut wird.
Besonders spürbar wird das an der Figur Abby. Mit großem Aufwand und erzählerischer Gravitas wird sie eingeführt – eine Figur, die entscheidend ist, die Wucht in die Geschichte bringt, die mit einem einzelnen Schlag alles umwirft. Doch kaum hat sie die Bühne betreten, wird sie wieder in den Hintergrund verbannt. Erst gegen Ende taucht sie wieder auf, fast wie ein nachgereichter Hinweis: „Vergesst sie nicht – sie wird noch wichtig!“ Tatsächlich haben die Produzenten angekündigt, dass Abby in der dritten Staffel eine Hauptrolle einnehmen wird. Aber warum nicht jetzt? Warum hat man in dieser Staffel, in der ohnehin zu wenig passiert, nicht mehr mit dieser Figur gearbeitet? Warum überlässt man einer dritten Staffel die dramaturgische Verantwortung für eine Entscheidung, die in dieser Staffel getroffen wurde?

Wenn man schon den Mut aufbringt, eine etablierte Hauptfigur wie Joel derart unvermittelt – und für viele schockierend – aus der Geschichte zu nehmen, warum nutzt man nicht die Gelegenheit, die Nachfolgerin konsequent aufzubauen? Stattdessen bleibt Abby ein erzählerisches Platzhalterwesen. Die Staffel traut sich, eine Tür zuzuschlagen, aber sie zögert, eine neue weit genug zu öffnen.

Die Folge: Diese zweite Staffel ist unglücklich konzipiert. Sie will Brücke sein – aber keine Strecke überbrücken. Sie möchte vorantreiben, stößt aber nur an. Was als Konsequenz wirkt, bleibt in der Erzählung unvollendet, was als Neuanfang gemeint ist, wird nur vage skizziert. Immer wieder ruft die Serie: Wartet ab! Die nächste Staffel wird groß! Doch es ist nicht die nächste Staffel, die wir gerade sehen. Es ist diese – und diese muss sich daran messen lassen, was sie erzählt und nicht an dem, was sie vielleicht in Zukunft erzählen will.

Und was, wenn die dritte Staffel nicht hält, was die zweite verspricht? Was, wenn das große Fass, das nun bereitsteht, am Ende gar nicht die Wucht entfaltet, die hier schon einmal angedeutet wird? Dann wird man auf diese zweite Staffel zurückblicken – und sich fragen, ob sie vielleicht ihre eigentliche Aufgabe verfehlt hat: eine Geschichte zu erzählen, die für sich stehen kann. Nicht nur als Ankündigung, sondern als erzählerische Gegenwart. Denn Serien leben nicht vom Versprechen. Sondern davon, was sie im Moment zu erzählen wissen.

«The Last of Us» ist bei Sky und WOW verfügbar.

Mehr zum Thema... The Last of Us
Kurz-URL: qmde.de/163369
Finde ich...
super
schade
Teile ich auf...
Kontakt
vorheriger ArtikelRoku startet neuen Dienst für 2,99 US-Dollarnächster Artikel«WISO» blickt auf Hightech
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel

E-Mail:

Quotenletter   Mo-Fr, 10 Uhr

Abendausgabe   Mo-Fr, 16 Uhr

Datenschutz-Info

Letzte Meldungen


Mehr aus diesem Ressort


Jobs » Vollzeit, Teilzeit, Praktika


Surftipp


Surftipps


Werbung