Im Sommer des Jahres 1881, als die Vereinigten Staaten noch im fiebrigen Rausch des Wiederaufbaus nach dem Bürgerkrieg steckten, wurde ein Präsident erschossen, den die meisten Amerikaner kaum kannten. James A. Garfield, ein Gelehrter und Idealist, hatte gerade ein halbes Jahr im Amt verbracht, als ihn ein enttäuschter Bewerber um politische Gunst mit zwei Schüssen niederstreckte. Der Täter, Charles J. Guiteau, war ein wirrer Dilettant, der sich als Werkzeug göttlicher Vorsehung verstand. Der Mord, grotesk in seiner Banalität und zugleich erschütternd in seiner Symbolkraft, offenbarte eine junge Demokratie, die zwischen Aufbruch und Selbstzerstörung schwankte. Genau hier setzt «Death by Lightning» an, die neue Netflix-Miniserie, die diesen beinahe vergessenen Moment der amerikanischen Geschichte mit unerwarteter Intensität ins Licht rückt.Mike Makowsky, der Autor und Showrunner, hat aus dem Stoff kein klassisches Biopic gemacht, sondern ein vielschichtiges Porträt einer politischen und moralischen Epoche, die uns näher ist, als es die Kulissen des 19. Jahrhunderts vermuten lassen. Seine Serie, getragen von der stillen Gravität eines Bühnenstücks, verweigert sich der Versuchung, historische Figuren zu Helden oder Schurken zu stilisieren. Stattdessen entfaltet sie ein Panorama der Ambivalenzen: eine Welt, in der Idealismus auf Opportunismus trifft, und in der persönlicher Glaube an das Gute an den Mechanismen der Macht zerschellt.
Michael Shannon spielt Garfield als einen Mann, der in seiner Bildung und Nachdenklichkeit fast aus der Zeit gefallen scheint – einen Präsidenten, der lieber über Literatur spricht als über Parteipolitik. In Shannons zurückhaltendem Spiel liegt die Tragik eines Menschen, der in der Politik das moralische Projekt eines ganzen Landes erkennt, ohne zu begreifen, wie sehr er selbst schon Teil ihrer Verstrickungen geworden ist. Ihm gegenüber steht Matthew Macfadyen als Charles Guiteau, der Attentäter: eine der faszinierendsten und verstörendsten Figuren, die das Fernsehen in jüngerer Zeit hervorgebracht hat. Macfadyen zeichnet ihn nicht als Monster, sondern als grotesk Komischen, einen von Geltungssucht, religiöser Verblendung und tiefer Einsamkeit gezeichneten Mann. In dieser Mischung aus Pathos und Wahn entsteht ein Spiegel, der weit über das historische Ereignis hinausweist.
Makowsky und sein Team erzählen diese Tragödie mit formaler Eleganz und beinahe altmodischer Ruhe. Die Serie lebt von ihren Zwischentönen, von Blicken und Gesten, von der feinen Spannung zwischen dem öffentlichen und dem privaten Raum. Die Kamera fängt die Innenräume des Weißen Hauses, die Hallen der Macht, in einem Licht ein, das zwischen Historienmalerei und Alptraum schwankt. Was «Death by Lightning» besonders auszeichnet, ist derweil die Weigerung, Geschichte als abgeschlossene Episode zu betrachten. Immer wieder schimmert im Text eine Gegenwartsdiagnose durch – das fragile Verhältnis von Macht und Moral, die Versuchung des Populismus, die Eitelkeit der politischen Bühne. Doch die Serie tut das ohne didaktischen Zeigefinger. Sie stellt aus, deutet an, lässt die Parallelen von selbst entstehen. In einer Zeit, in der historische Stoffe oft als bloße Kulisse für Streaming-Pathos dienen, wirkt diese Zurückhaltung fast radikal.
Es ist die große Kunst dieser vierteiligen Serie, dass sie das Kleine im Großen sichtbar macht: den Körper des sterbenden Präsidenten als Metapher für ein verletztes Gemeinwesen, den Wahn des Attentäters als Echo der kollektiven Sinnsuche. Und wenn die letzte Folge verklingt, bleibt nicht Empörung, sondern Nachdenklichkeit. «Death by Lightning» ist kein Spektakel, sondern eine Meditation – über Macht, Überzeugung und den Preis des Idealismus. Eine Serie, die zeigt, dass Historienfernsehen auch heute noch das leisten kann, wofür das Kino einst erfunden wurde: Geschichte fühlbar zu machen.Die Serie «Death by Lightning» wird von Netflix ausgestrahlt.







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Supervisor Sound Technics (m/w/d)
Initiativbewerbungen (m/w/d)
Rechtsreferendariat im Bereich Wirtschaftsrecht mit Schwerpunkt Urheberrecht 




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