Stab
Darsteller: Corinna Harfouch, Mark Waschke, Annett Sawallisch, Henry Morales, Hannes Wegener, Alberto WolfMusik: Warner Poland und Wolfgang Glum
Kamera: Julia Daschner
Drehbuch: Dagmar Gabler
Regie: Torsten C. Fischer
Schon der Einstieg lässt aufhorchen: Ein junger Fahrradkurier wird in einer unscheinbaren Seitenstraße von einem Auto erfasst – ein Unfall, der keiner ist. Die Ermittler Susanne Bonard (Corinna Harfouch) und Robert Karow (Mark Waschke) stehen zunächst vor einem Rätsel. Doch je tiefer sie in das Leben des Opfers, des venezolanischen Migranten Tomás Rey, eintauchen, desto deutlicher zeichnet sich ein vielschichtiges Bild von Menschen, die im Schatten unserer Gesellschaft leben. Fischer und Gabler verweben daraus kein moralisierendes Sozialdrama, sondern ein präzise gebautes, unaufgeregtes Puzzlespiel, das sich mit jedem neuen Hinweis dichter schließt.
Corinna Harfouch ist in dieser Episode einmal mehr ein Ereignis. Ihre Bonard ist keine Frau großer Gesten, sondern eine, die genau hinschaut, zuhört und beobachtet. Harfouch füllt die Figur mit einer faszinierenden Mischung aus Empathie und analytischer Distanz. Sie trägt den Film mit jener stoischen Ruhe, die in jedem Moment spürbar macht, dass Bonard nicht nur Fälle löst, sondern auch Menschen verstehen will. Mark Waschke ergänzt sie als Karow gewohnt souverän – leicht zynisch, manchmal fordernd, aber stets loyal. Zwischen den beiden hat sich mittlerweile ein unaufdringliches Vertrauensverhältnis entwickelt, das diesem Berliner «Tatort» seine unverwechselbare Dynamik verleiht.
Das Drehbuch von Dagmar Gabler zeigt indes ein feines Gespür für Zwischentöne. Die Geschichte um gefälschte Identitäten und die moralischen Grauzonen zwischen Tätern, Opfern und Mitläufern ist kein reines Krimirätsel. Vielmehr geht es um die Frage, wer im digitalen Zeitalter überhaupt noch weiß, wer er ist – und wer er sein darf. Die Figur der Annika Haupt (intensiv gespielt von Annett Sawallisch) bringt diese Thematik auf den Punkt: eine Frau, die in ein Netz aus Lügen und Sehnsucht gerät. Ihr Verhältnis zum getöteten Tomás ist mehr als ein klassisches Liebesgeheimnis – es ist der emotionale Kern einer Geschichte, die von Schuld, Nähe und der Suche nach Bedeutung erzählt.
Formal überzeugt «Erika Mustermann» mit einer bemerkenswert klaren Bildsprache. Kamerafrau Julia Daschner fängt Berlin nicht als pulsierende Metropole ein, sondern als graue, stille Stadt der Zwischenräume: Orte, an denen Menschen verschwinden können. Ihre Bilder sind kühl, präzise, nie reißerisch – und gerade deshalb so eindringlich. Dass der Film trotz seiner Schwere nie ins Melodramatische kippt, liegt derweil an Fischers sicherer Regie. Er lässt seine Figuren atmen, gibt Dialogen Raum und der Stille Bedeutung. Manchmal reicht ein Blick von Harfouch oder ein kaum hörbares Atemholen, um mehr über den Zustand der Welt zu sagen als ein langer Monolog es könnte.
Am Ende bleibt ein Krimi, der sein Publikum ernst nimmt – inhaltlich wie emotional. «Tatort – Erika Mustermann» ist kein Thriller, der auf Effekte zielt, sondern ein Film, der nachhallt, weil er Fragen stellt, ohne einfache Antworten zu liefern. Er zeigt, wie eng Schicksale miteinander verwoben sind – und wie dünn die Grenze ist zwischen Sichtbarkeit und Verschwinden. Ein leiser, kluger, formbewusster «Tatort», der beweist, dass Qualität und Spannung sich nicht ausschließen – und einer, der Corinna Harfouch einmal mehr als große Charakterdarstellerin bestätigt.Der Film «Tatort – Erika Mustermann» wird am Sonntag, den 2. November um 20.15 Uhr im Ersten ausgestrahlt.







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