Die Kritiker

«Ein ganz großes Ding»

von

«Stromberg»-Schöpfer Ralf Husmann will mit seinem neuen ZDF-Film Provinzpolitikern den Spiegel vorhalten. Aber ein ganz großes Ding entsteht dabei nun wirklich nicht.

Stab

Darsteller: Silke Bodenbender, Christian Erdmann, Hanna Plaß, Inga Dietrich, Alexander Hörbe, Nico Holonics
Schnitt: Martin Wolf
Musik: Patrick Reisinger, Francesco Wilking
Kamera: Moritz Schultheiß
Drehbuch: Ralf Husmann
Regie: Francis Meletzky
Manchmal genügt schon der Titel, um den Zuschauer auf das vorzubereiten, was ihn erwartet. «Ein ganz großes Ding» will eine Satire über politische Ambitionen, kulturelle Begegnungen und persönliche Lebenslügen in einer deutschen Kleinstadt sein. Was das ZDF hier aber als Fernsehfilmkomödie unter der Regie von Francis Meletzky präsentiert, ist leider weder bissig noch komisch, sondern ein weiterer Beleg dafür, wie deutsches Fernsehen an seiner eigenen Harmlosigkeit scheitert.

Dabei beginnt alles mit einem durchaus zeitgemäßen und interessanten Ansatz: Die frischgewählte Bürgermeisterin Kristina Lurz – gespielt von einer Silke Bodenbender, die hier nicht so recht weiß, was sie mit sich anfangen soll, – will den beschaulichen Ort Waldsee auf die große Bühne heben. Bundestag, vielleicht gar Weltpolitik als Chance für ihre Zukunft. Ihr Mann Lennart hingegen, der von Christian Erdmann mit einer fast ungesunden Mischung aus Wehleidigkeit und Passivität gegeben wird, möchte lediglich beruflich nicht abgehängt werden. Ein Pilotprojekt zur Anwerbung indischer IT-Fachkräfte soll beiden helfen. So weit, so klischeebeladen.

Was folgt, ist eine Aneinanderreihung schablonenhafter Figuren und handwerklich bieder inszenierter Szenen, die allesamt suggerieren, hier werde mit leichter Ironie ein Stück bundesdeutscher Gegenwart verhandelt. Doch weder das Drehbuch von Ralf Husmann, das sich selbstgefällig durch sein eigenes Konstrukt windet, noch die Regie entwickeln je einen echten satirischen Biss. Stattdessen verliert sich der Film in gefälligem Lokalkolorit, wo Reibung entstehen sollte. Der Konflikt um die "Fremden" wird lediglich angedeutet, nie durchdacht, geschweige denn ernsthaft ausgespielt.

Besonders ärgerlich ist dabei die fast demonstrative Mutlosigkeit in der Darstellung der Gegensätze: Die skeptische Assistentin Mechthild Börne (Inga Dietrich) bleibt eine Randfigur, die im entscheidenden Moment schwankt. Der Kneipenbesitzer Harry Peukert, der wohl als Sprachrohr der "besorgten Bürger" fungieren soll, verkommt zur Karikatur ohne innere Logik. Sogar die eingewobenen familiären Konflikte wirken wie müde Pflichtübungen eines Plots, dem von Anfang an das Herzstück fehlt: eine klare Haltung

Auch die filmischen Mittel tragen wenig dazu bei, diesen Eindruck zu mildern. Moritz Schultheiß’ Kameraarbeit bleibt konventionell bis belanglos, oft so statisch wie die Dialoge selbst. Schnitt und Musik bemühen sich um Leichtigkeit, doch wo nichts leicht ist, hilft auch kein beschwingter Akkord. Alles wirkt, als wolle man vermeiden, irgendwen zu irritieren – und das in einem Film, der doch von Veränderung, Aufbruch und Reibung handeln will.

«Ein ganz großes Ding» ist letztlich ein Paradebeispiel für die Misere öffentlich-rechtlicher Komödienproduktionen: ambitionierte Themen, die auf das Niveau verstaubter Schmunzelware heruntergekocht werden. Man möchte fast Mitleid empfinden mit Darshankumar Gondaliya, der als IT-Fachkraft Paswan zum blassen Sympathieträger degradiert wird – ein Exot ohne Kontur, der sich artig durch die deutsche Provinz bewegt, aber nie als Mensch greifbar wird.

Was bleibt, ist ein Film, der so sehr auf Nummer sicher geht, dass er jeden möglichen Erkenntnisgewinn oder auch nur ein echtes Lachen scheut. In einer Zeit, in der Migration, Digitalisierung und Politikverdrossenheit dringend mutige Erzählweisen bräuchten, bietet «Ein ganz großes Ding» nur ein ganz kleines Fernsehabend-Abziehbild – gefällig, gefahrlos, und leider völlig überflüssig.

Der Film «Ein ganz großes Ding» wird am Donnerstag, den 31. Juli, um 20.15 Uhr im ZDF ausgestrahlt.

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