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Das Jüngste Quoten-Gericht: «Anne Will» nicht mehr

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Montags blickt Quotenmeter auf aktuelle Quoten-Highlights und Marktanteil-Flops und ordnet diese ein. Heute mit der Frage: Was bleibt nach «Anne Will»?

In über 550 Sendungen prägte Anne Will 16 Jahre lang den politischen Diskurs in Deutschland. Am Sonntagabend nahm sie ihren Hut und moderierte die nach ihr benannte Talkshow zum letzten Mal. „Anne Will hat mit ihrer Sendung viele Jahre lang maßgeblich zur politischen Meinungsbildung in Deutschland beigetragen. Woche für Woche haben ihre Diskussionen mit hochkarätigen Gesprächsgästen aus Politik, Wirtschaft und Kultur der deutschen Öffentlichkeit Informationen und Meinungen aus erster Hand geliefert. So konnten sich die Zuschauerinnen und Zuschauer immer ein eigenes Urteil über die gesellschaftlich relevanten Debatten bilden“, erklärte jüngst NDR-Intendant Joachim Knuth zum Abschied von «Anne Will».

Dies gelang mal mehr und mal weniger erfolgreich, wie der Negativpreis „Goldene Kartoffel“ im Jahr 2019 bewies. Der bundesweite Zusammenschluss Medienschaffender mit und ohne Migrationshintergrund, Neue deutsche Medienmacher*innen, verlieh in jenem Jahr den öffentlich-rechtlichen Talkshows «Hart aber fair», «Maischberger», «maybrit illner» und eben «Anne Will» diese „Auszeichnung“, weil ihre „reißerisch, klischeehafte und diskriminierende“ Berichterstattung ein „verzerrtes Bild vom Zusammenleben im Einwanderungsland Deutschland entwerfen und Probleme überzeichnen“ würde.

Ab dem kommenden Jahr tritt Caren Miosga in Wills Fußstapfen – und so viel steht fest: Die ehemalige «Tagesthemen»-Moderatorin hat große Schuhe zu füllen. «Anne Will» ist die reichweitenstärkste Talkshow des Landes. Allein in diesem Jahr folgten der Talkshow durchschnittlich 2,95 Millionen Zuschauer, was einem Marktanteil von 13,3 Prozent entspracht. Die Abschiedssendung kam sogar auf 3,35 Millionen Zuseher und 14,4 Prozent. Auch beim jüngeren Publikum im Alter zwischen 14 und 49 Jahren lief es ansprechend, denn der Marktanteil lag in den 30 ausgestrahlten Sendungen bei 8,2 Prozent – ein für Das Erste überdurchschnittlicher Wert.

Zur Wahrheit gehört aber eben auch, dass «Anne Will» einen äußerst attraktiven Sendeplatz hat. Sie geht in der Regel nach dem «Tatort» auf Sendung, der bislang im Schnitt 8,32 Millionen Zuschauer mit seinen Erstausstrahlungen vor dem Bildschirm fesselte. Aus dem Publikum stammten 1,54 Millionen aus der klassischen Zielgruppe, was die Leistung von «Anne Will» durchaus schmälert. Sie behielt im Schnitt nämlich nur 0,42 Millionen im direkten Anschluss. Am gestrigen Sonntag wurden 0,37 Millionen gezählt. Auch der Marktanteil lag mit 6,3 Prozent klar unter dem Jahresschnitt von 8,2 Prozent. Damit ging sie zumindest mit dem Kölner Krimi im Gleichschritt, der ebenfalls mit 19,6 Prozent rund drei Prozentpunkte unter dem gewohnten Wert (22,5%) lag.

Ob die guten Leistungen nun ausschließlich an «Anne Will» lagen, lässt sich nur schwierig beurteilen. Während Wills Sommerpause sorgten die Krimi-Wiederholungen von «Mario Wern, Kripo Gotland» und «Mord auf Shetland» für ähnliche Werte wie «Anne Will» im Juni und Juli als ebenfalls Wiederholungen des «Tatorts» und «Polizeiruf 110» das Vorprogramm bildeten. Nach 16 Jahren auf Sendung kommt man an einer gewissen Routine des Publikums eben nicht herum. Diese Gewohnheit der Zuschauer wird ab dem kommenden Jahr nun gebrochen. Caren Miosga wird sich in die prominente Talker-Riege am Sonntagabend einreihen, wobei ihr Premieren-Termin noch nicht feststeht. Unklar ist ohnehin, wie es mit den Talkshows der blauen Eins im kommenden Jahr konkret weitergehen wird. «Hart aber fair» soll bekanntlich „ins Digitale weiterentwickelt“ werden. Was das konkret bedeutet, darüber hält sich die ARD einen Monat vor dem Jahreswechsel bedeckt. «Maischberger» wird sich breiter aufstellen und kein reiner Polit-Talk mehr werden, was er derzeit ohnehin schon nicht mehr ist. Es bleibt spannend, wie sich der ARD-Talk im neuen Jahr entwickelt. Das Erste hätte nach dem Ende der Ära «Anne Will» aber wohl keinen besseren Zeitpunkt finden können, um auf ganzer Linie neue Impulse zu setzen.

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