
Im laufenden Fernsehjahr steigerte sich Das Erste auf 12,8 Prozent Marktanteil beim Gesamtpublikum – ein Plus von 0,7 Prozentpunkten. Selbst bei den 14- bis 49-Jährigen ist mit 8,3 Prozent ein leichter Aufwärtstrend zu erkennen; im Vorjahr lag der Wert bei 7,6 Prozent. Das Erste bleibt ein vielfältiges Konstrukt aus den neun Landesrundfunkanstalten, deren Beiträge nicht immer vollständig aufeinander abgestimmt sind.
Eine der größten Baustellen bleibt der Nachmittag mit den Telenovelas «Rote Rosen» und «Sturm der Liebe», die in Lüneburg beziehungsweise im Münchner Umland spielen. Beide Serien haben mehr als 4.000 Episoden erreicht und wirken mittlerweile wie ein Schatten ihrer selbst. Beim jungen Publikum erzielen weder diese Formate noch Wiederholungen von «Dahoam is Dahoam» akzeptable Zuschauerzahlen. Ein besonders unrühmliches Beispiel: Im vergangenen September lief «Amado, Belli, Biedermann» fast gänzlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Das Format wurde bereits einen Monat vor der Ausstrahlung aufgezeichnet – die Hoffnung auf Zuschauerbindung war von vornherein illusorisch.

Die Anzahl der Miniserien wurde zuletzt reduziert. Noch vor wenigen Jahren wurden zahlreiche Formate nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit versendet. Zwar erhielten Projekte wie die zweite Staffel von «Testo» gute Kritiken, blieben aber im linearen Fernsehen quotenschwach. Kurios: Manche Serien für die Mediathek schadeten durch ihre schlechte lineare Performance sogar der Gesamtbilanz des Senders. Häufig laufen diese Produktionen nach 22.45 Uhr – teils bis in die Nacht hinein. Strobl sollte ein klares Konzept entwickeln, wie sich Sechsteiler oder Achtteiler sinnvoller integrieren lassen. Weiterhin verlässlich sind hingegen die Regionalkrimis am Donnerstag, die mitunter auch samstags zum Einsatz kommen.
Der Sonntag im Ersten ist ab 17.00 Uhr klar strukturiert: Auf Magazine folgen wie gewohnt Krimis – allen voran der «Tatort», der weiterhin hohe Reichweiten erzielt. Auch Caren Miosga macht mit ihrer neuen Talkshow eine gute Figur: Das reduzierte Konzept mit wenigen Gesprächspartnern kommt beim Publikum an. Trotz vieler klar geregelter Sendeplätze bleiben jedoch etliche Flächen unterentwickelt. Abseits großer Sportevents wie Olympia, Tour de France oder Fußball ist das Wochenendprogramm schwach besetzt.
Oft wird den Privatsendern vorgeworfen, kaum in neue Inhalte zu investieren – doch auch Das Erste hat samstags vor 18.00 Uhr nur wenig zu bieten. Nach dem «Europamagazin» am Sonntag ist praktisch Sendeschluss: Wiederholungen von Programmklassikern bestimmen den Rest des Abends. Obwohl Das Erste über ein riesiges Archiv verfügt, dienen meist nur eigenproduzierte 90-Minüter als Lückenfüller – die jedoch selten überzeugende Quoten liefern.
Ein weiteres Problem ist die zunehmende Zurückhaltung in politisch relevanten Zeiten. Bereits im vergangenen Sommer mussten Politmagazine wie «Panorama» zurückstehen, wenn beispielsweise Sportübertragungen Vorrang hatten. Mittlerweile fallen auch Serien, Dokus oder Reportagen aus, sobald das ZDF ein Fußballspiel zeigt – ein fragwürdiger Rückzug aus dem publizistischen Wettbewerb.
Trotz dieser Schwächen ist Das Erste auch im kommenden Herbst nicht gefährdet. Die bisherige Bilanz von Programmchefin Christine Strobl fällt klar positiv aus – und es ist durchaus denkbar, dass sich die Quoten auch in der kommenden TV-Saison weiter verbessern.
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