
Rückblickend war der Sonntag um 13.15 Uhr einer jener unscheinbaren, aber stabilen Programmpunkte im Ersten. Nach dem «Presseclub» liefen seit Jahren Dokumentationen über Tiere und Natur, meist aus dem reichen Fundus der Landesrundfunkanstalten. Ob «Die fünf Geparde», «Norwegen – Meine wilde Heimat» oder «Wildes Deutschland» – das Prinzip war einfach, die Zuschauerzahlen solide. Zwischen Oktober 2024 und Anfang Juli 2025 schalteten im Schnitt rund 0,63 Millionen Menschen ein, die Marktanteile lagen bei etwa 6,3 Prozent. In Spitzen, wie bei «Löwen gegen Krokodile» im November oder «Wildes Deutschland – Unbekannte Tiefen» im Mai, erreichte die Reihe bis zu 0,80 Millionen Zuschauer und knapp acht Prozent Marktanteil. Auch die Werte bei den 14- bis 49-Jährigen konnten sich für einen Sendeplatz am frühen Sonntagnachmittag sehen lassen – in der Spitze knapp sechs Prozent Marktanteil. Das war keine Glanzleistung, aber eine verlässliche Bank.

Rechnet man die Wochen nach der Umstellung zusammen, ergibt sich ein ernüchterndes Bild: Im Durchschnitt verfolgten nur noch rund 0,51 Millionen Menschen die neuen Wiederholungsdokus, der Marktanteil fiel auf 5,3 Prozent. Damit liegt das Erste rund ein Fünftel unter den Werten, die die Tierfilme im gleichen Slot erreicht hatten. In der jungen Zielgruppe blieb die Entwicklung ebenfalls rückläufig: Während Formate wie «Wilde Nächte – wenn die Tiere erwachen» im Frühjahr noch bis zu 5,5 Prozent Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen schafften, pendelten die neuen Dokumentationen zwischen mageren 1,7 und 3,4 Prozent.
Das zeigt, dass die Zielgruppe des Sonntagmittags nicht einfach ein anderes Programm will, sondern ein bestimmtes Gefühl. Die Tierfilme boten genau das: Entspannung, Ruhe, schöne Bilder, eine gewisse Zeitlosigkeit. Sie funktionierten als sanfter Ausklang des Vormittags, als Übergang in den Sonntag. Wer nach dem «Presseclub» den Fernseher nicht ausschaltete, blieb einfach dran – und das funktionierte. Mit der neuen Struktur hat Das Erste diesen Automatismus gebrochen. Gesellschafts- und Wissenschaftsdokus, die komplexe Themen aufgreifen, sind am Sonntagmittag schlicht zu fordernd. Sie verlangen Aufmerksamkeit, wo bisher Entspannung herrschte.

Interessant ist auch, dass Das Erste die Umstellung mitten im Sommer vollzogen hat – eine Zeit, in der die Einschaltquoten ohnehin niedriger sind. Das erschwert zwar die Vergleichbarkeit, ändert aber nichts an der Tendenz: Die Tierfilme waren verlässlicher. Selbst im Juni und Juli, wenn viele Menschen im Freien sind, hielten sie ihr Niveau. Das neue Konzept dagegen startete schwach und konnte sich auch im Spätsommer nicht erholen.
Inhaltlich lässt sich die Entscheidung der Programmplaner nachvollziehen: Man will das eigene Archiv effizienter nutzen, den aufwendig produzierten Dokus eine zweite Auswertungschance geben. Doch der Sendeplatz ist falsch gewählt. Wer am Sonntagmittag einschaltet, sucht keine investigative Aufklärung, sondern leichte Kost. Das Publikum ist älter, der Alltag ruhiger, das Bedürfnis nach Informationen gering. Während Formate wie «Der große Weinskandal» am Montagabend durchaus auf Interesse stoßen, wirken sie zwischen «Presseclub» und «Tagesschau» für den Konsumenten fehl am Platz.
So steht Das Erste nun vor einem altbekannten Dilemma: Inhaltlich will man anspruchsvoller werden, doch das Publikum dankt es nicht. Der Versuch, den Sonntagmittag aufzuwerten, hat das Gegenteil bewirkt – man hat das Ritual gestört, ohne einen Mehrwert zu schaffen. Vielleicht sollte Programmchefin Christine Strobl also wieder auf das setzen, was dort jahrelang zuverlässig funktionierte: Tiere, Landschaften, und eine halbe Stunde Ruhe. Manchmal ist es gar nicht schlecht, wenn das Programm nicht aufregender ist als der Sonntag selbst.
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