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Ohne RTL-Konkurrenz: «Tagesthemen» bleiben stabil

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Kein messbarer Effekt nach dem Ende von «RTL Direkt», das ARD-Nachrichtenangebot am späten Abend gewinnt keine Zuschauer hinzu.

Mit dem Aus von «RTL Direkt» am 23. Juli 2025 hat der deutsche Nachrichtenmarkt am späten Abend eine sichtbare Lücke erhalten – zumindest theoretisch. Denn die Einstellung des RTL-Formats um 22.15 Uhr bedeutete das Ende eines direkten Wettbewerbers für die «Tagesthemen» im Ersten. Entsprechend groß war das Interesse, ob die ARD-Nachrichtensendung davon profitieren würde. Ein Blick auf die aktuellen AGF-Daten zeigt jedoch: Ein messbarer Zuschauerzuwachs blieb bislang aus.

Mit dem Ende von «RTL Direkt» zeigen die «Tagesthemen» an den klassischen Wochentagen von Montag bis Donnerstag ein weitgehend stabiles Bild ohne klaren Sogeffekt nach oben. Eine Auswertung der AGF-Zeitreihen von Sommer bis Herbst 2025 ergibt: Im Durchschnitt sank die Gesamtreichweite der Sendung leicht von rund 2,37 auf etwa 2,25 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer. Der Marktanteil beim Gesamtpublikum gab moderat von rund 13,3 auf 12,7 Prozent nach. In der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen präsentiert sich das Bild etwas differenzierter: Hier zeigt sich eine leichte Festigung, mit einem durchschnittlichen Marktanteil von knapp über zehn Prozent nach zuvor knapp unter zehn Prozent – bei in etwa konstanter Sehbeteiligung.

Diese Bewegungen sind zunächst vor allem im saisonalen Kontext zu sehen. Reichweitenverluste im Hochsommer sind im deutschen Fernsehen regelmäßig zu beobachten: Längere Tage, Ferienzeiten und insgesamt geringere Fernsehnutzung drücken das lineare Volumen, insbesondere im Spätabend. Vor diesem Hintergrund fällt der leichte Rückgang der «Tagesthemen» im Gesamtmarkt nicht aus dem Rahmen der üblichen Sommerdelle. Zugleich erklärt die Ferien- und Eventlage, warum vereinzelte Wochen deutlich aus dem Raster fallen. In der Schnittwoche um den 23. Juli sticht etwa ein Peak mit im Schnitt knapp 13,27 Millionen und gut 50,4 Prozent Marktanteil heraus – ein Sondereffekt durch das Frauen-Weltmeisterschaftsspiel Deutschland – Spanien, der unmittelbar danach in ein Normalniveau zwischen rund 1,8 und 2,4 Millionen übergeht.

Strukturell bedeutsamer als das Mittel ist die gestiegene Schwankungsbreite. Nach dem 23. Juli nehmen die Ausschläge nach oben und unten spürbar zu. Das korrespondiert mit der Programmrealität: Zwischen Montag und Donnerstag werden die «Tagesthemen» regelmäßig von Sportstrecken eingerahmt, die Startzeiten verschieben, Sendungen verkürzen und das Umfeld stark prägen. Kurze Ausgaben nach Live-Events oder späte Starts senken typischerweise die Reichweite; starke Lead-ins heben sie. Die Daten zeigen diese Zacken klar: Wochen mit DFB-Pokal- oder Fußballnähe liefern spürbare Spitzen, während reguläre Wochen auf ein stabiles, aber nicht überdurchschnittliches Niveau zurückfallen.

Der erwartete „Freiheitsgrad“-Effekt durch das Ende eines privaten Spätabend-Newsformats materialisiert sich damit nicht in einem linearen Zugewinn. Das hat weniger mit den «Tagesthemen» zu tun als mit der Marktlogik des Jahres 2025: Die unmittelbare Konkurrenz ist nicht primär die einzelne Nachrichtensendung, sondern der Gesamtsog des Abends – geprägt durch Sport, Unterhaltungsevents und parallele Second-Screen-Nutzung. Dass die 14- bis 49-Relation leicht anzieht, deutet zugleich darauf hin, dass das Format in einem fragmentierten Umfeld seine jüngere Zuschauerschaft nicht verliert – im Gegenteil: Einzelabende profitieren offenbar von sportaffinen Lead-ins und einer über den Tag verteilten Nachrichtenwahrnehmung, die abends in eine kurze lineare Dosis mündet.

Die ARD-Nachrichtensendung ist längst ein etabliertes Habitual-Format. Wer einschaltet, tut dies unabhängig davon, ob ein privates Konkurrenzprodukt am Markt ist. Das Publikum der «Tagesthemen» ist treu, altersmäßig gefestigt und folgt weniger der Programmkonkurrenz als der eigenen Medienroutine. Wer um 22.15 Uhr politische Hintergründe und Analysen sucht, greift eher zum Ersten als zu einer neuen Marke – und wer dieses Bedürfnis nicht hat, wird durch das Fehlen eines RTL-Pendants nicht plötzlich umschalten. Insofern war der Spielraum für spürbare Zuwächse ohnehin begrenzt.

Das Gesamtbild des Sommers 2025 zeigt zudem, dass sich viele Trends der letzten Jahre fortsetzen. Das lineare Fernsehen verliert im Spätabend weiter an Durchdringung, während sich die Nachrichtenrezeption zunehmend in On-Demand-Formate, Social-Media-Clips und Podcasts verlagert. Auch die ARD selbst treibt diese Entwicklung mit kurzen «Tagesthemen»-Auszügen in Mediathek, YouTube und sozialen Netzwerken aktiv voran – was zwar Reichweite sichert, aber das lineare Publikum nicht automatisch vergrößert. Die Hauptausgabe um 22.15 Uhr bleibt damit zwar ein Flaggschiff der Informationsstrecke, aber kein Treiber für neue lineare Zuschauerpotenziale.

Auffällig ist immerhin die Stabilität der Sendung in einem volatilen Umfeld. Die durchschnittlichen Marktanteile über 12 Prozent belegen, dass das Format seine Position im Spätabend-Markt auch ohne Konkurrenz von RTL behaupten kann. Das Publikum honoriert die Einordnungskompetenz, den klaren Ton und die journalistische Qualität – Werte, die für die «Tagesthemen» stehen und sich auch durch kurzfristige Marktveränderungen nicht aushebeln lassen. Gerade in Wochen mit größerem Informationsbedarf, etwa während internationaler Krisen oder innenpolitischer Ereignisse, kletterten die Quoten regelmäßig über den Schnitt.

Rein quantitativ lässt sich zusammenfassen: Zwischen Juni und November 2025 pendelten die Reichweiten der «Tagesthemen» (Mo–Do) im Bereich von 1,8 bis 2,5 Millionen Zuschauer, einzelne Sportnächte oder Sondersendungen lagen darüber. Im Vorjahresvergleich entspricht das einer leichten, aber unspektakulären Schwächung. Ein klarer Effekt durch das Ende von «RTL Direkt» ist nicht erkennbar. Das Format blieb vielmehr in seinen gewohnten Bandbreiten, was in der Logik eines fragmentierten Abendmarktes fast schon als Erfolg zu werten ist.

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