Der ARD-Kurzfilm «Eine halbe Stunde ist viel Zeit» nimmt sich mit 30 Minuten exakt so viel Raum (und Zeit), wie er braucht, um eine kleine, in sich geschlossene Welt zu entwerfen – und sie dann kontrolliert einstürzen zu lassen. Regie und Drehbuch setzen dabei weniger auf große Überraschungen als auf ein präzises Beobachten von Menschen, die an ihren eigenen Erwartungen scheitern. Das ist kein Film, der laut nach Aufmerksamkeit ruft, sondern einer, der sie sich durch Tempo, Schauspiel und ein erstaunlich stimmiges Zusammenspiel seiner Elemente verdient.Im Zentrum steht Mareike Berger, gespielt von Anke Engelke, die hier erneut beweist, wie souverän sie zwischen Komik und Ernst balancieren kann. Ihre Wedding Plannerin ist keine romantische Idealistin, sondern eine Frau, die Liebe längst als logistische Aufgabe begreift. Zeitpläne, Checklisten, professionelle Distanz – all das ist Mareikes Schutzschild. Gerade deshalb funktioniert die Figur so gut: Man glaubt ihr jede routinierte Handbewegung, jeden genervten Blick, aber auch die Müdigkeit, die sich hinter der Effizienz verbirgt. Engelke spielt das ohne große Gesten, oft mit minimalen Verschiebungen im Tonfall oder in der Körpersprache. Das passt zum Format und zum Thema wie die Marzipanfigur auf der Hochzeitstorte.
Der Film nutzt sein klares zeitliches Korsett – die halbe Stunde, die in der Hochzeitslocation verbleibt, – dabei geschickt als dramaturgischen Motor. Falsche Torte, zerstrittenes Brautpaar, fehlende Fotografin: Das alles ließe sich leicht zur reinen Farce aufblasen. «Eine halbe Stunde ist viel Zeit» entscheidet sich jedoch für einen anderen Weg. Die Eskalationen sind zwar zahlreich, aber nie selbstzweckhaft. Sie verdichten sich zu einem Bild davon, wie brüchig die Vorstellung vom „perfekten Tag“ eigentlich ist.
Besonders interessant wird der Film in dem Moment, in dem Mareike gezwungen ist, ihren Ex-Freund und Fotografen Miller (Michael Ostrowski) zu kontaktieren. Ostrowski bringt genau die richtige Portion Chaos und Unberechenbarkeit mit, ohne zur Karikatur zu werden. Zwischen den beiden Figuren entsteht eine Spannung, die weniger aus offenem Konflikt als aus unausgesprochenen Verletzungen gespeist wird. Der Film nimmt sich Zeit, diese Dynamik nicht auszuerzählen, sondern anzudeuten – eine Qualität, die man im Kurzfilmformat nicht immer findet.
Thematisch kreist der Film um Kontrolle und deren Illusion. Mareikes Mantra klingt zunächst wie Zweckoptimismus, entwickelt aber schnell eine zweite Ebene. Die Hochzeitswelt, die hier zerfällt, macht Platz für etwas Ungeplantes, vielleicht sogar Ehrlicheres. Formal bleibt der Film dabei unaufdringlich. Das Tempo ist hoch, aber nicht hektisch, und man spürt durchwegs, dass hier ein öffentlich-rechtlicher Kurzfilm nicht auf Nummer sicher, sondern auf Genauigkeit setzt. Am Ende steht ein Film, der seine Geschichte nicht nur mit großer Klarheit, sondern auch mit Humor und einem feinen Gespür für menschliche Schwächen erzählt. Genau darin liegt seine Stärke: in der Einsicht, dass Perfektion überschätzt wird – und dass manchmal schon 30 Minuten reichen, um das Wesentliche sichtbar zu machen.Der Film «Eine halbe Stunde ist viel Zeit» wird am Dienstag, den 30. Dezember um 23.25 Uhr im Ersten ausgestrahlt.







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