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Was funktioniert wirklich? Drei Jahre ARD-Dokumontag im Quotengericht

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Die ARD setzt montags um 20.15 Uhr seit Jahren auf Dokumentationen – doch nicht jedes Thema findet sein Publikum. Wir haben drei Jahre Programmdaten ausgewertet und zeigen, welche Dokus Quoten bringen, welche nur den Auftrag erfüllen und warum Tiere fast immer gewinnen.

Über Jahre hinweg hat Das Erste am Montagabend um 20.15 Uhr eine Dokuschiene etabliert, die inhaltlich breit aufgestellt und programmatisch äußerst unruhig ist. Tiere und Natur, Prominente, royale Biografien, Kriegsanalysen, Verbraucherthemen – das Spektrum ist groß, die Resonanz höchst unterschiedlich. Eine langfristige Auswertung zeigt jedoch deutliche Muster: Manche Genres liefern zuverlässig starke Quoten, ganz gleich, welche Konkurrenz antritt. Andere Themen erfüllen zwar den öffentlich-rechtlichen Auftrag, aber nicht die Erwartungen eines großen Publikums. Und drittens gibt es eine Kategorie, die in ihrer Durchschlagskraft häufig unterschätzt wird: prominente Dokumentationen, die – anders als zunächst gedacht – zu den absoluten Reichweitenhits des ARD-Montags gehören.

Zunächst fällt auf: Der Montag um 20.15 Uhr ist strukturell kein einfacher Platz. Das Erste tritt hier gegen fiktionale Premieren, Reality-Shows und sportnahe Reportagen der privaten Konkurrenz an. Gleichzeitig gibt es im eigenen Haus keinen eindeutig besetzten Montag: Der Dienstag gehört seit Jahrzehnten den politischen Magazinen, der Mittwoch den Verbrauchersendungen und der Donnerstag abwechselnd Doku-Filmen und Fiktion. Der Montag dagegen war lange der „freie“ Abend – und wirkt heute wie ein Experimentierfeld. Genau das macht den Blick in die Zahlen so wertvoll: Sie zeigen nicht nur, was funktioniert, sondern auch, was das Publikum Montag für Montag tatsächlich erwartet.

Ein altbekannter Befund bestätigt sich erneut: Natur- und Tierdokumentationen bleiben die verlässlichsten Hits. Das Erstaunliche daran ist nicht, dass sie gut funktionieren, sondern wie konsistent sie es tun. Bereits 2022 überzeugte «Wildes Deutschland – Die Schwäbische Alb» mit 2,94 Millionen Zuschauern und einem Marktanteil von 11,9 Prozent – ein herausragender Wert für den Montag. Im selben Jahr erreichte «Naturwunder Gemüsegarten» 2,76 Millionen Zuschauer. «Wilde Alpen» erzielte 2,83 Millionen, «Unsere Meere – Frühling» lag mit 2,6 Millionen ebenfalls deutlich über dem Durchschnitt. Diese Produktionen, oft aus internationalen Koproduktionen oder aus hochwertigen rbb/NDR/WDR-Reihen stammend, sind beinahe Einschaltgaranten. Sie wirken wie ein Ruhepol: visuell stark, verständlich, familienkompatibel.

Doch nun kommt die Überraschung: Im direkten Vergleich werden Naturdokus im ARD-Montag nicht von Verbraucherformaten übertroffen – sondern von prominenten Dokumentationen. Promi-Dokus sind, anders als anfangs vielleicht formuliert, kein zweischneidiges Schwert, sondern zählen zu den erfolgreichsten Formaten überhaupt. Mehr noch: Sie bilden zusammen mit Tierdokus die Spitze der Montagsquote. Zu den stärksten Beispielen gehört die ganze Reihe mit Eckart von Hirschhausen. Die Doku «Hirschhausen und Long Covid» erreichte 2,83 Millionen Zuschauer, «Hirschhausen – Was von Corona übrig bleibt» kam gar auf 2,91 Millionen, «Hirschhausen und ADHS» erzielte erneut 2,87 Millionen, und selbst Spezialfolgen wie «Hirschhausen und die Macht des Alkohols» stiegen mit 2,78 Millionen in den Abend ein. Das entspricht Marktanteilen zwischen 10 und 14 Prozent, also zum Teil weit über dem Das Erste-Schnitt.

Auch andere prominente Persönlichkeiten setzen montags Rekorde: «Beckenbauer», die große Zweiteiler-Biografie, erzielte 3,23 Millionen Zuschauer – die mit Abstand stärkste Dokumentation der gesamten Montagsstrecke im Analysezeitraum. Die royale Doku «Charles – Schicksalsjahre eines Königs» erreichte 2,71 Millionen, «Kennedy – Schicksalsjahre eines Präsidenten» kam auf 2,6 Millionen, und sogar «Juan Carlos» lag mit 2,53 Millionen noch im oberen Feld. Felix Neureuther wiederum zieht ein sportnahes Publikum – «Skifahren trotz Klimawandel?» brachte 2,44 Millionen, «Spiel mit den Alpen» 2,51 Millionen, «Alpentourismus in Gefahr» rund 2,46 Millionen.

Die Daten der drei Jahre zeigen: Promi- und Top-Biografie-Dokus zählen zu den stärksten Dokumentationen überhaupt, teilweise stärker als Naturfilme. Die Annahme, Promi-Dokus seien nur bei Hirschhausen effektiv, widerlegen die Zahlen eindrucksvoll. Der Grund ist simpel: Prominenz sorgt für klare Markenbildung, Wiedererkennbarkeit und Neugier, ohne den Informationswert zu verdrängen.

Auch der dritte starke Block kommen stabil daher: die Verbraucher- und Service-Dokumentationen. Gerade in Zeiten steigender Kosten und großer wirtschaftlicher Unsicherheiten reagieren Zuschauer besonders deutlich auf Themen, die im eigenen Alltag relevant sind. Formate wie «Der große Energiekosten-Check» mit 2,51 Millionen Zuschauern, «Abzocke im Netz» mit 2,38 Millionen, oder «Lebensmitteltricks – Was wir wirklich essen» mit 2,44 Millionen erreichen solide bis sehr gute Werte. Diese Dokumentationen gehören nicht zur absoluten Spitze, aber sie bilden ein robustes, verlässliches Mittelfeld, das heller leuchtet als politische oder geschichtliche Schwergewichtsthemen.

In eine andere Kategorie fallen die zahlreichen Kriegs-, Krisen- und Politikdokus, die Das Erste montags ebenfalls programmiert – und die redaktionell wichtig, aber quotenseitig deutlich schwächer sind. «Putins Krieg – Putins Welt» erreichte 2,03 Millionen Zuschauer, «Deutschland aus dem All – Ukraine» rund 1,94 Millionen. «München ’72 – Tod und Spiele» lag bei 1,96 Millionen. Dokus über Rechtsextremismus, Islamismus oder geopolitische Konflikte pendeln meist zwischen 1,7 und 2,1 Millionen Zuschauern – solide, aber weit entfernt von jenen Reichweiten, die der Montag erreichen könnte. Das liegt nicht daran, dass das Publikum des Ersten sich für Politik nicht interessiert, sondern eher daran, dass schwere Themen am Anfang der Woche anstrengender wirken. Solche Dokus erfüllen vor allem den gesellschaftlichen Auftrag, nicht die Quotenziele.

So ergibt sich ein erstaunlich klares Bild: Das Erste könnte den Montagabend viel stärker profilieren, denn die erfolgreichsten Themen stehen eindeutig fest. Prominente, Biografien und inspirierende Lebenswege liefern herausragende Ergebnisse. Natur und Tiere sorgen regelmäßig für die zweitbesten Quoten. Verbraucherformate bilden einen starken Mittelbau. Politik- und Kriegsdokus sind für die Marke notwendig, aber nicht für die Reichweite.

Es bleibt ein strukturelles Problem: Der Montag hat kein festes Profil. Während der Zuschauer am Mittwoch genau weiß, dass Service-Magazine laufen, und am Dienstag politische Magazine erwartet, bleibt der Montag eine Wundertüte: mal Hirschhausen, mal Putin, mal Bären, mal Beckenbauer, mal Energiepreise, mal Charles III. – und manchmal bleibt unklar, weshalb gerade dieser Film an diesem Abend läuft. Diese Unberechenbarkeit macht es schwer, eine treue Montagsdoku-Gemeinschaft aufzubauen. Das Erste hat an diesem Abend ein Schaufenster, aber sie zeigt jede Woche etwas anderes darin aus.

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