Schwerpunkt

«TV total»: Hat Raab seinem Erben Pufpaff geschadet?

von

Seit Stefan Raab im September 2024 auf RTL+ sein Comeback feierte, haben die Quoten von «TV total» spürbar nachgelassen – doch ob der Altmeister tatsächlich die Zuschauer seines Nachfolgers Sebastian Pufpaff abgezogen hat, ist eine Frage mit mehreren Antworten.

Manchmal sind die Zusammenhänge im Fernsehen so naheliegend, dass man sie gar nicht glauben will. Im Herbst 2024, rund drei Jahre nach dem großen Comeback von «TV total» mit Sebastian Pufpaff, kehrte plötzlich der Mann zurück, dessen Name über dem Format bis heute schwebt: Stefan Raab. Nicht bei ProSieben, sondern auf RTL+. Ausgerechnet der Privatsender, den Raab in den Nullerjahren regelmäßig in seinen Einspielern verspottete, bot ihm die Bühne für ein neues Showprojekt. Und während RTL+ seine Marketingtrommel rührte, sackten die Quoten von «TV total» bei ProSieben merklich ab. Zufall? Oder doch ein Fall von hausgemachter Konkurrenz?

Laut Zahlen aus den Monaten vor und nach Raabs Rückkehr fiel die durchschnittliche Reichweite von «TV total» von 1,29 Millionen auf 1,03 Millionen Zuschauer – ein Minus von etwa 21 Prozent. Auch beim werberelevanten Publikum zeigte sich ein Rückgang: Der Marktanteil der 14- bis 49-Jährigen sank von 12,7 auf 11,5 Prozent. Das ist kein Absturz, aber ein spürbarer Dämpfer für eine Sendung, die lange als Garant für solide ProSieben-Quoten galt.

Auf den ersten Blick sieht es also so aus, als habe Raab seinem eigenen Nachfolger das Publikum abspenstig gemacht. Schließlich kehrte der legendäre Moderator nicht nur in die Schlagzeilen zurück, sondern in die Köpfe der Zuschauer: „Wenn der Meister wieder da ist – warum dann noch den Schüler sehen?“ könnte man denken. Die Medienberichte über Raabs RTL+-Comeback weckten nostalgische Erinnerungen an die 2000er, an legendäre «TV total»-Momente, an Wok-WM und «Bundesvision Song Contest». Für viele Fans war das ein Stich ins Herz – oder zumindest ein Klick auf eine andere Plattform.

Doch so einfach ist es nicht. Denn wer die Kurven der Einschaltquoten genauer betrachtet, erkennt: Der Abwärtstrend bei «TV total» setzte bereits vor Raabs Rückkehr ein. Die Show hatte seit 2023 leicht nachgelassen – nicht dramatisch, aber stetig. Der anfängliche Neuheitsbonus war verflogen, die Rubriken bekannt, das Konzept etabliert. Pufpaff brachte von Anfang an Witz und Haltung mit, doch die satirische Fallhöhe des Originals war schwer zu erreichen. Spätestens nach der 100. Ausgabe fehlte der Überraschungseffekt.

Zudem muss man den Zeitpunkt betrachten: Das Raab-Comeback startete zunächst exklusiv auf RTL+, also hinter einer Bezahlschranke. Wer dort einschaltet, ist kein typischer «TV total»-Zuschauer – sondern jemand, der bewusst nach Raab sucht. Erst Wochen später kam das Format ins lineare RTL-Programm. Die Überschneidung der Zielgruppen dürfte also gering sein. Dass Millionen «TV total»-Fans plötzlich das Abo wechselten, ist unwahrscheinlich.

Trotzdem bleibt der Verdacht: Raab zog Aufmerksamkeit ab, die ProSieben dringend gebraucht hätte. Nicht durch direkte Konkurrenz, sondern durch Symbolkraft. Er lenkte die mediale Wahrnehmung. Statt über Pufpaffs aktuelle Pointen zu schreiben, berichteten Portale, Magazine und Podcasts über „Raabs Rückkehr ins Showgeschäft“. ProSieben verlor für einige Wochen die Deutungshoheit über das eigene Erbe. Und in einer Zeit, in der Fernsehen immer stärker von Medienpräsenz und Social-Media-Dynamiken lebt, kann Aufmerksamkeit eben alles sein.

Interessant ist auch, wie «TV total» selbst auf diese Entwicklung reagierte – nämlich gar nicht. Weder ironische Spitzen gegen RTL+, noch Anspielungen auf den „Chef im Hintergrund“. Dabei wäre genau das klassischer Raab-Humor gewesen. Doch Pufpaff hielt Kurs: weniger Nostalgie, mehr Aktualität. In gewisser Weise ist das konsequent – aber vielleicht auch zu brav. Der Reiz des Originals lag immer darin, dass es auf alles reagierte, was in der Medienlandschaft passierte – besonders auf sich selbst.

So bleibt eine ambivalente Bilanz. Ja, die Zahlen gingen zurück. Und ja, es ist durchaus plausibel, dass Raabs neue Show zumindest indirekt dazu beitrug. Doch das allein erklärt den Rückgang nicht. Eher war das Raab-Comeback ein Katalysator: Es machte sichtbar, dass «TV total» zwar solide funktioniert, aber längst nicht mehr als popkulturelles Ereignis wahrgenommen wird. Raabs Schatten war nie ganz verschwunden – sein tatsächliches Auftreten ließ den Vergleich wieder frisch wirken.

Gleichzeitig muss man ProSieben zugutehalten, dass sich das Format stabiler hielt, als viele Kritiker erwartet hätten. Selbst nach Raabs Rückkehr blieb «TV total» über der Millionenmarke und im Senderdurchschnitt. Kein Grund zur Panik also. Die Marke trägt sich weiterhin, auch ohne ihren Erfinder. Dass sie nicht mehr auf dem Quoten-Niveau der Anfangszeit liegt, ist schlicht Teil des Fernsehwandels: Die Gesamtzuschauer schrumpfen, die Streaming-Nutzung steigt, und selbst große Entertainment-Marken müssen mit weniger Publikum leben. Außerdem haut ProSieben jährlich bis zu 40 neue Episoden heraus, das ist ein dickes Unterfangen.

Das Quotengericht kommt damit zu einem gemischten Urteil. Schuldig im symbolischen Sinne, freigesprochen im direkten. Stefan Raabs RTL+-Comeback hat die Quoten von «TV total» nicht ruiniert – aber es hat sie sicher auch nicht beflügelt. Es war ein mediales Echo, das zeigte, wie sehr die deutsche TV-Landschaft noch immer an ihrer eigenen Vergangenheit hängt.

Kurz-URL: qmde.de/165664
Finde ich...
super
schade
Teile ich auf...
Kontakt
vorheriger ArtikelRundschau: Ausgerechnet zwei Frauen enttäuschennächster ArtikelMTV beendet «Ridiculousness» nach 46 Staffeln
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel

Letzte Meldungen


Mehr aus diesem Ressort


Jobs » Vollzeit, Teilzeit, Praktika


Surftipp


Surftipps


Werbung