Interview

Hannes Jaenicke: ‚Der Oktopus steht für alles, was beim Meeresschutz schiefgeht‘

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In seiner neuen ZDF-Doku «Im Einsatz für den Oktopus» widmet sich Hannes Jaenicke einem der faszinierendsten, aber auch am wenigsten geschützten Meeresbewohner. Im Gespräch mit Quotenmeter erklärt der Schauspieler und Umweltaktivist, warum Oktopusse massiv befischt werden, welche politischen Versäumnisse ihn frustrieren, wie er trotz düsterer Befunde motiviert bleibt – und welche Tiere er in Zukunft gern ins Zentrum einer weiteren Doku stellen würde.

Herr Jaenicke, mit Ihrer neuen Doku richten Sie den Blick auf den Oktopus – warum genau dieses Tier? Was hat Sie besonders fasziniert?
Der Oktopus gehört zu den am wenigsten erforschten, intelligentesten und faszinierendsten Tieren die es gibt. Und er steht für alles, was beim Thema Meeresschutz schiefgeht: Überfischung, Vermüllung, Erwärmung der Meere.

In Ihrer Sendung zeigen Sie, dass Oktopusse massiv befischt werden, obwohl sie offiziell nicht als bedroht gelten. Was läuft hier Ihrer Meinung nach falsch in der Bewertung und Regulierung?
Alles. Schonfristen werden nicht eingehalten, es wird mit illegalen Fangmethoden gefischt, es werden weitaus mehr Tiere entnommen als nachhaltig ist, und es gibt keine Möglichkeiten, die Überfischung zu stoppen, weil unsere Meere quasi ein rechtsfreier, nicht kontrollierbarer Raum sind.

Wie kann man eigentlich Gastronomen klar machen, dass diese Tiere nicht verspeist werden sollten?
Man könnte ihnen unseren Film zeigen. Oder die Oscar-prämierte Doku «My Octopus Teacher».

Wie aufwendig und schwierig war die weltweite Recherche diesmal? Gab es besondere Herausforderungen beim Dreh unter Wasser oder in den Fanggebieten?
Wir wollten gemeinsam mit zwei der weltweit führenden Oktopus-Forschern Oktopusse auf Krk in Kroatien drehen, und haben in vier Tagen nur einen einzigen gesehen. Ihm fehlte ein Arm und er hat seine Höhle nie verlassen. Größeren, aber traurigen Erfolg hatten wir beim Dreh auf der ‚Sea Eagle’ mit Sea Shepherd in Griechenland, bei dem wir in zwei Tagen über 2.000 illegale Fallen an Bord gezogen und zerstört haben, und dabei zirka 50 Oktopusse befreien und ins Meer zurückgeben konnten. Da die KI- und Robotik-Forschung Millionen Dollar in die Erforschung dieser Tiere investiert war die Recherche in diesem Fall relativ einfach, vor allem weil zwei der Forschungszentren in Wien und in Graz stationiert sind.

Viele Ihrer bisherigen Einsätze – etwa für Haie, Bären oder Orang-Utans – haben Aufmerksamkeit erzeugt. Haben sich aus Ihrer Sicht daraus konkret Verbesserungen ergeben?
Das ist schwer zu beantworten. Ich denke, dass es mittlerweile eine sehr aktive Hai-Lobby gibt, die das millionenfache Abschlachten dieser Tiere bekämpft. Auch unser Film über Lachse hat große Wellen geschlagen, Aquafarming wird mittlerweile sehr viel kritischer betrachtet als noch vor wenigen Jahren. Und die Tatsache, dass gewisse Lobby-Verbände versucht haben, nach unseren Filmen über Schweine und Böden juristisch gegen mich vorzugehen beweist, dass unsere Dokus einen Nerv treffen.

Was frustriert Sie mehr: Die schleppenden politischen Reaktionen oder die Gleichgültigkeit vieler Verbraucherinnen und Verbraucher?
Gleichermaßen beides. Wir hoffen, der Untätigkeit der Politik und der Gleichgültigkeit und Ignoranz vieler Verbraucher*innen mit unseren Filmen etwas entgegensetzen zu können.

Was müsste auf EU- oder internationaler Ebene passieren, um Tiere wie den Oktopus wirksam zu schützen – bevor sie wirklich bedroht sind?
Strengere Fangquoten und deren konsequente Überwachung; mehr und größere Schutzgebiete; Fang- Moratorien für viele Meerestiere und längere Schonzeiten; Verbot von Grundschleppnetz-, Stellnetz- und Langleinen-Fischerei.

Sie selbst leben seit vielen Jahren vegetarisch. Wie bewerten Sie den Trend, dass jetzt auch Discounter wie Lidl oder Fast-Food-Ketten wie Burger King verstärkt vegane oder vegetarische Produkte anbieten?
Das ist eine überaus positive Entwicklung mit viel Luft nach oben.

Viele dieser Ketten bieten die pflanzlichen Alternativen inzwischen sogar günstiger an als Fleisch – ist das aus Ihrer Sicht ein echter Paradigmenwechsel oder eher Marketing?
Beides. Immer mehr Menschen reduzieren ihren Fleisch- und Fisch-Konsum. Wenn sie dabei auch noch ihren Geldbeutel schonen können - umso besser!

Glauben Sie, dass durch solche Angebote langfristig eine breite Ernährungswende entstehen kann – oder braucht es deutlichere politische Maßnahmen?
Es braucht definitiv deutlichere Maßnahmen. Beispiel Besteuerung: Warum wird Fleisch durch eine reduzierte Mehrwertsteuer subventioniert, und Obst und Gemüse nicht? Das ist eine direkte Subventionierung und Befeuerung der Klimakrise, weil Fleisch-Produktion weitaus klimaschädlicher ist als der Anbau von gesundem Essen wie Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten und Getreide.

Da haben Sie Recht! Wenn Sie auf Ihre bisherigen Einsätze zurückblicken: Welche Doku hat bei Ihnen persönlich den größten Eindruck hinterlassen?
Da ich immer ziemlich ignorant in die Vorbereitung der Filme gehe und durch die Recherchen und Dreharbeiten unendlich viel lerne, ist es jeweils das aktuelle Thema was mich fasziniert. Im Moment finde ich also den Oktopus das spannendste Tier der Welt.

Wie schaffen Sie es, trotz der oft düsteren Befunde nicht zu resignieren und weiterhin mit so viel Energie zu arbeiten?
Wir erleben gerade das größte Artenstreben der Erdgeschichte, und die Klimakrise verschärft sich von Jahr zu Jahr. Trotzdem tun Politik, Industrie und leider auch viele Konsumenten so, als seien das nebensächliche Luxus-Probleme. Insofern glaube ich, dass es sich lohnt zu kämpfen und dagegen anzudrehen.

Und zuletzt: Wird es eine weitere Folge von «Im Einsatz für …» geben – und wenn ja, haben Sie schon ein Tier oder Thema im Blick?
Das würde ich mir wünschen, aber diese Frage kann nur der Sender beantworten. Bisher waren das ZDF und unsere Redaktion großartige Partner. Themen gäbe es genug: Niemand hat auf dem Schirm, dass Esel aussterben. Pinguine wären hervorragende Protagonisten für Polkappenschmelze, CO2-Ausstoß und steigende Meeresspiegel. Bonobos, Primaten mit einem faszinierenden Sozialleben, sind akut vom Aussterben bedroht. Es gäbe also genug Stoff für eine Endlos-Serie....

Vielen Dank für Ihre Zeit!

«Hannes Jaenicke: Im Einsatz für den Oktopus» ist am Dienstag, den 16. September, um 22.15 Uhr im ZDF zu sehen. Seit 10. September kann die Dokumentation gestreamt werden.

Kurz-URL: qmde.de/164502
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