Hintergrund

Das Jüngste Quoten-Gericht: Mogelpackung Veränderung?

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Montags blickt Quotenmeter auf aktuelle Quoten-Highlights und Marktanteil-Flops und ordnet diese ein. Diesmal: Tragen die Veränderungen bei «Die Bachelors» und «GNTM» Quoten-Früchte?

Veränderung im Erfolg ist der wohl schwierigste Schritt, den man gehen kann. Gerade im Fernsehen ist der Grad der Veränderung meist ein schmaler. Das Publikum sieht gern Bekanntes, Eingespieltes, gleichzeitig droht bei eingeschliffenen Pfaden auch Monotonie und Langeweile. Das deutsche Fernsehen ist alt. Und damit ist nicht nur das Publikum auf dem heimischen Sofa gemeint, sondern vor allem die Formate, die es zu sehen gibt. Am heutigen Abend feiert Sat.1 die Rückkehr des täglichen Reality-Formats «Big Brother», das seinen Ursprung zur Jahrtausendwende hat. Nicht viel Jünger sind die RTL-Formate «Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!» oder «Deutschland sucht den Superstar». Fans, die die Anfänge dieser Formate in der Blüte ihres Lebens erlebt haben, gehören inzwischen zum oberen Rand der werberelevanten Zielgruppe – wenn denn überhaupt noch. Das Privatfernsehen feiert dieser Tage seinen 40. Geburtstag, zahlreiche Formate darin sind inzwischen halb so alt oder feiern runde Jubiläen.

Von der ProSieben-Sendung «Germany’s Next Topmodel» läuft aktuell die 19. Staffel im TV, die Kandidatinnen und neuerdings auch Kandidaten sprechen in schöner Regelmäßigkeit von einem langehegten Kindheitstraum, wenn sie auf dem Laufsteg vortanzen. Um weiter Innovation auszustrahlen, obwohl das Format in vielen Ländern bereits auf dem Fernsehfriedhof gelandet ist, hat Redseven Entertainment in diesem Jahr männliche Models zur Castingshow zugelassen. Dies sorgte vor allem zum Staffelauftakt für ein hohes Zuschauerinteresse. Es schalteten 2,04 Millionen Zuschauer ein, der Plan ging voll auf. Die Zwei-Millionen-Marke fiel im vergangenen Jahr nach außerordentlich lauter Kritik an Heidi Klum und ihrer Sendung kein einziges Mal. Aus Quotensicht lief es ebenfalls rund, denn ProSieben erzielte 23,3 Prozent in der Zielgruppe und sprach danach vom erfolgreichsten Staffelstart seit 15 Jahren. Letztmalig so hoch fiel die Quote im März 2022 aus, damals handelte es sich aber um die Umstyling-Folge.

Der gute Einstieg half in den vergangenen beiden Episoden aber nicht, das Niveau fiel rapide ab. In Woche zwei schauten nur noch 1,67 Millionen Menschen zu, vergangenen Donnerstag wurden 1,62 Millionen und damit 420.000 Zuschauer weniger als zum Auftakt. In der Zielgruppe kamen in den vergangenen beiden Woche 350.000 14- bis 49-Jährige abhanden. Der Marktanteil sank entsprechend auf 18,4 und 17,5 Prozent. Die inhaltliche Anpassung sorgte für einen anfänglichen Neugier-Effekt, der aber extrem schnell verpuffte, da die ersten drei Wochen inhaltlich kaum Varianz boten. Das offene Casting in Berlin wurde auf fünf Stunden ausgewalzt, an deren Ende ein höchst unbefriedigender Cliffhänger eingebaut wurde. In der dritten Show wurde am selbigen Setting weiter ausgesiebt, garniert wurden die Laufsteg-Szenen mit Einspielern, die ausschnittsweise in den ersten beiden Episoden bereits zu sehen waren. Vom versprochenen Konzeptwandel, bei dem Männer auf Frauen treffen, war bis dato wenig bis nichts zu spüren. Dass sich dies spätestens mit der Reise und dem Umzug in die Villa in Los Angeles noch ändern dürfte, ist abzusehen, aber auf dem Weg dahin hat ProSieben schon jetzt einige Zuschauer verloren. Es dürfte also schwierig werden wie 2022 im Schnitt mehr als zwei Millionen Zuschauer pro Woche einzufahren, denn die vergangenen Jahre haben gezeigt: Ein Reichweiten-Schwund ist im Lauf der Staffel normal, aber er kommt meist erst nach der Umstyling-Folge, die dieses Jahr in Woche sechs läuft.

Tatsächlich noch älter als die ProSieben-Modelshow ist die RTL-Datingsendung «Der Bachelor», von der bereits 2003 die erste Staffel produziert wurde. Nach knapp einem Jahrzehnt Pause läuft aktuell die 14. Ausgabe, in der es erstmals zu einer Besonderheit kam. Statt eines Junggesellen dürfen gleich zwei Single-Männer Rosen an die möglichen Partnerinnen verteilen. RTL verpasste aber die Gelegenheit «Die Bachelors» konträr zueinander zu casten. Klar, der eine kommt aus Hamburg, der andere aus dem südlichsten Bayern, doch beide sind groß gewachsene Sportlertypen, die sich mit ihren braunen Haaren und charmantem Lächeln durchaus ähnlich sehen. Charakterlich weißen Dennis Gries und Sebastian Klaus sehr wohl Unterschiede auf, die aber erst nach und nach zum Vorschein kommen.

Dramaturgisch hat sich in der Staffel wenig geändert. Die angeworbenen Damen vollführen kaum Wechselspiele zwischen den Männern, Liebesdreiecke sind nicht existent, auch vom angepriesenen Konkurrenzkampf zwischen den Bachelors fehlt jede Spur. Demenentsprechend sah auch die Quotenkurve in den vergangenen Wochen aus. Mit 1,60 Millionen Zuschauern und 12,5 Prozent Marktanteil startete man vielversprechend und auf dem Niveau des Vorjahres in die neue Runde, doch seit Woche fünf sind die Zielgruppen-Marktanteile im einstelligen Bereich angekommen. Zuletzt kam man auch der Millionen-Marke gefährlich nahe. Es schalteten am vergangenen Mittwoch nur noch 1,06 Millionen Zuschauer ein. Bis vor zwei Jahren waren solche Werte noch undenkbar. 2022 wurden im Schnitt 1,94 Millionen Zuschauer sowie ein Marktanteil von 14,3 Prozent in der Zielgruppe gemessen. Aktuell steht man zwar noch bei einem Staffelschnitt von 10,8 Prozent, doch die Tendenz ist so rapide fallend, dass die 9,9 Prozent aus dem Vorjahr in immer greifbarere Nähe rücken.

Wandel ist richtig und wichtig – sofern es sich um echten Wandel handelt. Bei «Die Bachelors» und «GNTM» darf man dies zuweilen monieren. Die Quoten sind keineswegs katastrophal, doch wirklich rosig sind sie eben auch nicht. Eine andere Marschrute, um Wandel herbeizuführen, ist aus den vergangenen Jahren ebenfalls bekannt: die berühmt berüchtigte Nostalgie-Welle. Mit dieser will Sat.1 respektive Joyn in der neuen «Big Brother»-Staffel überzeugen. Alte Show-Dinos wieder aufzuwärmen, war in den vergangenen Jahren meist ein Erfolgsrezept mit kurzer Halbwertszeit. Es bleibt abzuwarten, ob die „Mutter aller Realitys“ zu alter Form findet.

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