Serientäter

«Fallout»-Kritik: Grotesk, brutal, unterhaltsam

von

Mit einer Mischung aus «Westworld», «Mad Max» und «The Boys» will Amazon den nächsten globalen Hit landen.

Während Spieleverfilmung in den letzten Dekaden häufig ein Fall für die mentale Abfalltonne waren, haben jüngst Ausreißer wie «The Last of Us» bewiesen, dass einige Spiele, durchaus ansprechendes Quellmaterial für eine gelungene filmische Umsetzung bieten, insofern fähige Filmemacher dahinterstehen. Im Gegensatz zu «The Last of Us» waren die «Fallout»-Spiele allerdings nie für ihre herausragende Story bekannt, sondern standen für die Freiheit das verseuchte Ödland in seiner ganzen Groteske, Brutalität samt infantilem Humor zu erkunden. Statt nun großartig an der Storyschraube zu drehen und dem Zuschauer hochtrabende, geistig anregende Unterhaltung à la Westworld zu präsentieren, fokussiert sich Jonathan Nolan auf eben jenes Erlebnis, das auch Spielern zu Teil wurde, behält dabei allerdings zumindest den visuell-stilistischen Kern seiner vorherigen Serie «Westworld» bei.

Der Kniff, die Serie aus drei Perspektiven zu erzählen, sorgt für ein stetig hohes Erzähltempo, auch wenn das Interesse an der jeweiligen Geschichte der drei Protagonisten deutlich schwanken dürfte. Einerseits wird angelehnt an die Spiele eine junge Vault-Bewohnerin in den Mittelpunkt gestellt, die getreu der Spielevorlagen das Bunkertor öffnet und sich auf eine Reise durch das verseuchte Ödland begibt. Die Infantilität mit der Ella Purnell als Lucy MacLean ihre Figur verkörpert, erinnert dabei durchaus an die Hosts aus «Westworld», die ebenfalls wie Kinder in Erwachsenenkörpern erst einen Reifeprozess durchmachen müssen. Deutlich interessanter ist allerdings der von Walton Goggins verkörperte Ghul aka Cooper Howard, dessen Geschichte als einstiger Hollywoodschauspieler vor den Bombenanschlägen in Flashbacks erzählt wird und der als Ghul-Revolverheld nun sein Geld als Kopfgeldjäger verdient. Die Bösewicht-Rolle wirkt Goggins spätestens seit «Justified» wie auf den Leib geschneidert und auch hier reißt er den Unterhaltungswert der Serie in jeder seiner Szenen mit Leichtigkeit an sich. Der dritte im Bilde, Aaron Moten als Maximus, ein Knappe der Stählernen Bruderschaft, wirkt im Vergleich zu den beiden anderen Figuren hingegen völlig deplatziert, jede seiner Szenen erscheint geradezu anaorganisch in die Serie hineingezwungen, wodurch immer wieder größere erzählerische Schwankungen erzeugt werden.

Überbrückt werden die erzählerischen Defizite mit einer massiv überzogenen Brutalität, kindischem Humor, gepaart mit einer völligen Missachtung für das menschliche Leben, eine Kombination, die Fans von «The Boys» schon irgendwie bekannt vorkommen dürfte. Auch visuell schafft es Nolan nicht nur die Spielevorlage äußerst originalgetreu auf Film zu rekonstruieren, sondern abseits dessen eine überragend aussehende postapokalyptische Welt zu erschaffen, die in vielen Aspekten sehr handgemacht, auf praktische Effekte statt Greenscreen zurückgreifend, wirkt.

«Fallouts» größte Schwäche sind letztlich die abseits von Goggins Ghul recht schwachen zentralen Figuren. Das Worldbuilding, die Kameraarbeit und die insgesamt stilistisch äußerst originalgetreue Umsetzung der Spielevorlagen machen die Serie allerdings trotzdem zu einer der besseren Spieleverfilmungen der letzten Jahre. Spielefans und Freunde von Amazons anderer, von ihrer Brutalität und krudem Humor lebenden Serie «The Boys», dürften sich von «Fallout» bestens unterhalten fühlen.

«Fallout» ist seit dem 12. April 2024 bei «Amazon Prime Video» abrufbar.

Kurz-URL: qmde.de/150718
Finde ich...
super
schade
80 %
20 %
Teile ich auf...
Kontakt
vorheriger ArtikelHistory beschäftigt sich mit Disneynächster Artikel«D.Gray-man» geht weiter
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel

Optionen

Drucken Merken Leserbrief




E-Mail:

Quotenletter   Mo-Fr, 10 Uhr

Abendausgabe   Mo-Fr, 16 Uhr

Datenschutz-Info

Letzte Meldungen

Werbung

Mehr aus diesem Ressort


Jobs » Vollzeit, Teilzeit, Praktika


Surftipp


Surftipps


Werbung