Hingeschaut

Warum «Rent a Comedian» nicht funktioniert

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Die neue Brainpool-Produktion läuft im Anschluss an «TV total». Eigentlich müssten die Quoten perfekt sein.

Seit über drei Jahren hat ProSieben mit «TV total» eine erfolgreiche Show am Mittwoch. Zunächst versuchte die damalige Programmplanung im Anschluss an Sebastian Pufpaff noch das Journal «Zervakis & Opdenhövel. Live.» zu promoten, doch das Engagement ging – wie schon am Montagabend – gründlich schief. Während Linda Zervakis und Matthias Opdenhövel im Anschluss an „König Lustig“ mit ernsten Themen aufwarteten, sollte der «Rent a Pocher»-Nachfolger eigentlich mit guten Quoten punkten können.

Die erfahrenen Fernsehmacher Ralf Husmann und Jobst Benthues haben «Rent a Pocher» erfunden, das drei Jahre lang im Anschluss an «TV total» ausgestrahlt wurde. Oliver Pocher schlüpfte dabei in ihm fremde Tätigkeiten. Da Pocher selbst keine Ausbildung in diesen Bereichen hatte, wirkten die Einspieler lustig. Öde Tätigkeitsnachweise hat die Produktionsfirma Brainpool in mehreren Einspielern versendet. Am späten Donnerstagabend erreichte Oliver Pocher im Fernsehjahr 2004/2005 im Durchschnitt 0,93 Millionen Zuschauer – auf dem 23.15-Uhr-Sendeplatz. Bei den Umworbenen sicherte sich die vorletzte Staffel starke 13,5 Prozent. Die letzte Runde mit unglaublichen 28 Episoden schaffte es noch auf 11,1 Prozent.

Da muss man sich schon fragen, warum Brainpool vor 20 Jahren dauerhafte beliebte Shows abliefern konnte, und wieso das Nachfolgeprodukt so dermaßen unerfolgreich ist. Zwischen September 2005 und April 2006 wurden zahlreiche Einspielfilme gedreht, die im Durchschnitt 0,88 Millionen Menschen sahen. Es ist natürlich nicht von der Hand zu weisen, dass sich das Nutzungsverhalten zahlreicher Fernsehzuschauer aufgrund des Streamingmarktes verändert haben. Dennoch holt «TV total» anständige Reichweiten. Schon die Premiere von «Rent a Comedian» war mit 0,72 Millionen Zusehenden und 8,9 Prozent (im Anschluss an «TV total» mit 14,1 Prozent) dürftig. In den Folge-Wochen sanken die Reichweiten auf 0,57 und 0,47 Millionen, inzwischen muss man sich mit grauenvollen 4,9 Prozent zufriedengeben.

Dass «Rent a Comedian» nicht an Pochers Originalshow anknüpfen kann, ist nicht von der Hand zu weisen. Die Produktionsfirma hat allerdings das ursprüngliche Produkt völlig entkernt und ein liebloses zusammengeschnipseltes Produkt zurückgelassen. Früher konnten Privatpersonen oder Firmen den Comedian für Tätigkeiten kostenfrei anmieten. Da es meist Normalos waren, bekam diese beispielsweise einen Wellness-Urlaub spendiert, der zum Teil auch mit einem Kamerateam begleitet wurde. Die Neuinterpretation lässt all diese Elemente weg, stattdessen werden drei Prominente in ein Szenario gesteckt.

In der Eröffnungsfolge von «Rent a Comedian» ist unter anderem Oliver Pocher wieder mit von der Partie. Pocher bewies ein hohes Maß an Selbstironie, dass er in der Neuauflage wieder aktiv mitwirkt. Früher hatte ihm die Show – mitsamt Studio – auch einmal selbst gehört. So darf der Comedian in der Therme Erding als Bade- und Saunameister aushelfen. Die Angestellte des sehr oft im Fernsehen abgebildeten Spaßbades aus dem Münchener Speckgürtel bietet natürlich nichts Neues. Neben dem Tropical Island in Brandenburg gehört das Erlebnisbad zu den meistporträtierten Eventlocations in Deutschland. Der Komiker aus Köln darf Wassergymnastik machen, Rutschen säubern und am Ende auch noch in der Sauna aushelfen. Hintergrundinformationen sind bei der ProSieben-Show völlig Fehlanzeige, Pocher wird lediglich bei der „Arbeit“ mit halbwarmen Gags gezeigt.

Als weiteren Promi hat sich Brainpool Tahnee gesichert, die in einem Edeka aushelfen darf. Als ob die Einkaufswelt des größten Lebensmittelsupermarktes in Deutschland noch nicht portraitiert wurde. Tahnee darf beispielsweise hinter der Wursttheke arbeiten und Gags völlig an die Wand fahren lassen. So spricht sie beim Tulpen-Einsortieren oder an der Wursttheke holländisch, obwohl den ProSieben-Zuschauern der Antje-Gag wohl nicht mehr geläufig ist. Außerdem ist die Stand-up-Comedienne sehr unangenehm anzusehen, wie sie ihre belanglose Tätigkeit mit vulgären Witzen aufzulockern versucht. Der Witz haftet zwar nicht, dafür das unangenehme Gefühl. Luke Mockridge ist in «Rent a Comedian» ebenfalls zu sehen – und die Zuschauer dürfen sich unter anderem sehr lange mit dem früheren Sat.1-Star freuen, wie geruchsintensiv Exkremente von verschiedenen Tieren sein können. Da war die Joko-&-Klaas-Tier-Dokumentation für Joyn wesentlich informativer und lustiger.

Die Anreihung von drei Jobs in Deutschland zieht nicht. Die Comedians machen typische niederschwellige Gags, das Format ist langweilig und bietet sehr wenig Unterhaltung. Der Schnitt machte dem Format den Garaus, denn schließlich darf jede Maz nicht länger als gefühlt zwei Minuten dauern. «Rent a Comedian» wird in dieser Form zum Glück bald schon wieder verschwinden.

«Rent a Comedian» ist kommenden Mittwoch bei ProSieben zu sehen. Alle Folgen sind bei Joyn abrufbar.

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