Serientäter

«Replacing Chef Chico»: Fast die Finger verbrannt!

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In der romantischen Liebesserie, die in einem Restaurant spielt, kommt es teilweise zu guten Szenen. Teilweise gibt es aber grobe Fehler beim Skript.

Philippinische Fernsehen hat zahlreiche Originals, die aber selten den Weg nach Westeuropa schaffen. Das Land mit seinen 100 Millionen Menschen empfängt die zahlreichen Sender nicht nur über das Fernsehen, sondern auch via Smartphone. Jede Fernsehstation hat Apps, damit man auf den hunderten von kleinen Inseln auch noch das Programm empfangen kann. Nun aber hat sich Netflix an einer Serie versucht, die eine romantische Geschichte in der Küche aufzeigen soll.

Für philippinische Verhältnisse fällt «Replacing Chef Chico» sehr kurz aus. Bei erfolgreichen Formaten lässt das philippinische Fernsehen gut und gerne 85 bis 125 Episoden herstellen. Die Drama-Serie hat mit ihren acht Folgen nur etwas mehr als vier Stunden Laufzeit – und das merkt man der Serie deutlich an. Man müsste sich fragen, mit welchem Stoff die Philippinen das weltweite Netflix-Publikum überzeugen könnte? Ein politischer Machtkampf zwischen der Elite? Präsident Bongbong Marcos von der PFP wäre nicht begeistert. Ein «House of Cards» in Manila klingt spannend, würde aber nur die philippinisch-amerikanischen Beziehungen schwer belasten. Ein Drama auf einem der vielen Inseln? Wäre vermutlich für Netflix zu teuer.

Project 8 Projects und Cornerstone Studios haben ein recht preiswertes Set hergestellt. «Replacing Chef Chico» besteht aus der Wohnung von Ella, dem Restaurant, der Küche, dem Eingang des Restaurants, der Speisekammer und der Raucher-Ecke im Außenbereich. Die Serie eröffnet mit dem Schnippeln verschiedener Gemüsesorten, man erkennt sofort die begeisterte Souschefin Ella, die ein Stück Fleisch brät. Das ist eines dieser Knackpunkte dieser Serie: Mit «Replacing Chef Chico» sollte Netflix eigentlich das Tor in die philippinische Speisenwelt öffnen, aber Autor Antoinette Jadaone kann in seinem Skript fast überhaupt nichts von den Speisen des Landes erzählen. Das wäre ungefähr so, als würde Francis Underwood aus «House of Cards» nicht erklären, welche Ziele er hat und wie er zum US-Präsidenten aufsteigen möchte. Es ist wirklich schade, dass man diesen potenziellen Pluspunkt dermaßen liegenlässt. Es zeigt aber auch einmal mehr, dass die ausländischen Netflix Büros so autark arbeiten können, dass überhaupt solche Fehler entstehen können. Eigentlich müsste bei der Kontrolle des Skripts eines ranghöheren Experten auffallen, dass in der Serie zu viele Nebensächlichkeiten Raum bekommen.

Wenigstens ist die erste Folge klar strukturiert: Ella (Alessandra De Rossi) steht allein in der Küche und testet neue Speisen aus. Was sie da aber genau zaubert, das erkennen wohl nur Experten des asiatischen Raumes und nicht die westeuropäischen Zuschauer, die vorwiegend mit anderen Zutaten kochen. Es kommt Ditas (Angie Castrence) herein, lobt sie freundlich und teilt ihr mit, dass sie ja in Manila doch auch ein eigenes Restaurant eröffnen könnte. Denn: Küchenchef Chico (Sam Milby) ist zum Teil ein arroganter Koch, der seine Mitmenschen drangsaliert. Wie der Zuschauer in späteren Episoden erfährt, läuft sein Restaurant nicht unbedingt so gut, dass er sich so benehmen könne.

Und wie man gegen Ende der ersten Folge herausfindet, läuft da etwas zwischen Ella und Chico, doch die Köchin ist abweisend. Schließlich ist der Küchenchef nicht der, für den er sich ausgibt. Schließlich gibt es zwischen den beiden wohl eine Vorgeschichte und die deutet darauf hin, dass der Koch im Restaurant Hain wohl mehrere Gespielinnen hat. Er hat die Beziehung zu seiner Freundin immer noch nicht beendet. Ganz im Gegenteil: In einer späteren Folge erfährt das Publikum, dass sich Chico mit seiner Freundin sogar verlobt hat.

Als symphytischer Gegenpart dient Raymond (Piolo Pascual), der vom Management des Restaurants eingesetzt wurde. Zunächst heißt es, dass er den Laden am Laufen lassen soll. Dann kommt aber heraus, dass er das Restaurant auch deutlich umbauen soll. Denn: Das Hain befragt bei der Reservierung seine Gäste, was sie essen möchten und bereitet daraufhin ein spezielles Menü vor. Schade ist, dass man überhaupt nicht weiß, worin es sich im Detail handelt und was so etwas in einem solchen Restaurant kosten könnte.

Teilweise wird den Gästen, die das Restaurant besuchen, zu viel Screentime eingeräumt. Da kann es schon mal vorkommen, dass eine krebskranke Frau ihre Kinder vor den Kopf stößt, eine homosexuelle Hochzeit im Restaurant durchgeführt wird oder ein an Alzheimer erkrankter Mann die Gastgeberin anraunzt. Drei dieser Gastgeschichten sind wirklich ergreifend, doch zeitweise werden auch Klischees aufgegriffen. Immer wieder schafft es «Replacing Chef Chico» die Zuschauer zu begeistern, dann folgen zahlreiche Leerstellen oder Soap-ähnliche Momente. Gerade die Beziehung zwischen Ella und Raymond wirkt doch teilweise zu zusammengestaucht, dass man sich fragt, ob die beiden nach einem Kuss schon zusammen sind.



In der ersten Folge verunglückt Chico bei einem Autounfall, am Ende der fünften Folge stürmt er schon wieder in sein Restaurant – nur um herumzuschreien und allen mitzuteilen, dass sie doch nicht würdig sind, dieses Restaurant zu führen. Das ist eine der schlampigen Storylines, eine andere ist der Wechsel zwischen Küche und Restaurant. Manchmal steht Ella dann allein in der leeren Küche, obwohl die Gäste noch anwesend sind. Kurze Zeit später sind auch andere Köche wieder anwesend? Gibt es auf den Philippinen keine Leute, die sich um die richtigen Abläufe kümmern? Ebenso auffällig ist, dass die Raucher-Ecke von allen stetig benutzt wird. In «Replacing Chef Chico» dient die Zigarette – wie früher in Deutschland – zum Mittel des Austausches. Jeder Charakter fängt das Rauchen an, wenn er mit Ella hinter dem Restaurant reden möchte.

«Replacing Chef Chico» ist eine Serie mit sehr viel Potenzial, bei der allerdings unfassbar viel nicht genutzt wurde. Es gibt keine wirklichen Außenaufnahmen von Manila, die gesamte Serie spielt in überschaubaren Sets, von den zahlreichen Storylines funktionieren nur die Hälfte richtig gut, die Liebesgeschichte am Ende ist überzogen und vom philippinischen Essen muss man auch gar nicht erst anfangen. Warum sich der Autor nicht mit einem Koch hingesetzt hat, um die Speisen zu erklären und der Serie die entsprechende Würze zu verleihen, ist doch sehr erstaunlich. Da solche Rohrkrepierer immer wieder bei Netflix entstehen, wundert es doch, dass man dafür keine Maßnahmen hat, um die Skripts von anderen Autoren redigieren zu lassen.

«Replacing Chef Chico» ist seit November bei Netflix abrufbar.

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