Interview

Claudia Garde: ‚Gutgemachte Justiz-Dramen sind immer spannend‘

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Die Autorin hat eine neue Justiz-Drama-Reihe entwickelt, die am Samstag Premiere feiert.

Hallo Frau Garde. Sie haben bei dem «Conti»-Piloten «Meine zwei Gesichter» Regie geführt. Worauf können wir uns freuen?
Auf spannende, emotional aufgeladene Unterhaltung und sehr starke Figuren. Conti ist sehr „characterdriven“. Die Menschen der Geschichte stehen im Mittelpunkt, weniger als ein Plot. Das zeichnet ja auch üblicherweise ein Gerichtsdrama aus.

Die neue Justizkrimi-Reihe handelt von zwei Frauen, die auf unterschiedlichen Seiten für Recht und Gerechtigkeit stehen. Fehlt es in Deutschland an Justiz-Dramen?
Grundsätzlich glaube ich, dass man sich nicht auf Genres festlegen sollte. Gutgemachte Justiz-Dramen sind immer spannend, weil sie sehr dicht an den Personen bleiben und viele Facetten der Charaktere preisgeben. Sie sind oft Einstieg in die verborgenen Winkel und Abgründe der Seelen der Menschen und somit haben sie ein extremes Erzählpotential. Angefangenen bei den «12 Geschworenen», «Wer die Nachtigall stört», «Erin Brockowich» über «Sant Omer» etc. - Filme, die alle aus anderen Ländern kommen - kann man konstatieren, dass es das Justizdrama in Deutschland eigentlich nicht wirklich gibt. Trotzdem ist es eine sehr spannende Erzählform. Wenn eine Genrebezeichnung also notwendig ist, würde ich also mit „ja, es fehlt an Justizdramen“ antworten.

Schauen Sie selbst Formate wie «The Good Fight» oder «The Practice»?
Ich habe keine der beiden Serien geschaut, aber andere Anwaltsserien und Filme - deutsche wie auch internationale.

Die Kollegen in Mainz haben «Conti» explizit als Pilotfilm angekündigt. Wovon hängt eine Verlängerung ab? Beim ZDF laufen doch Krimis fast immer erfolgreich…
Eine zweite Folge ist schon in Vorbereitung. Ich denke mal, dass weitere Folgen von der Quote und den Rezensionen abhängen. Die üblichen Kriterien.

Die Hauptrollen übernehmen Désirée Nosbusch und Malaya Stern – waren Sie am Castingprozess beteiligt?
Désirée war schon vor mir auf dem Projekt. Malaya haben wir aus vielen Mitbewerberinnen gecastet. Ich bin sehr glücklich über das Team dieser beiden besonderen Frauen und Schauspielerinnen.

Sie haben auch für Das Erste die Miniserie «Bonn – Alte Freunde, neue Feinde» umgesetzt. Waren Sie mit den Einschaltquoten zufrieden?
Ich persönlich finde Einschaltquoten bei Formatfernsehen wichtig, denn bestimmte Programme werden für eine bestimmte Klientel gestaltet. Dazu gehören diverse Reihen, die eine treue Zuschauerschaft haben. Ansonsten finde ich das Ausmaß, in dem Quoten über den Erfolg eines Filmes oder die Weiterführung einer Serie entscheiden unverhältnismäßig und häufig nicht dem Auftrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens entsprechend. Es gibt Themen, an die müssen die Zuschauer:innen erst mal herangeführt werden, sie sind ihnen fremd und neu. Und das ist doch per se erst einmal eine Chance.

Wenn diese Inhalte auf den doch sehr rigiden Sendeplätzen laufen, die zum Beispiel so gut wie keine 45-minütigen Slots anbieten nach 20:15, und Serienfolgen nur im Doppelpack zeigen, unter der üblichen Quotenerwartung sind, so heißt das für mich nicht im Umkehrschluss, dass man auf eine Fortführung verzichten sollte. Oder im umgekehrten Fall, dass eine herausragende Quote immer eine Fortsetzung bedingt, obwohl inhaltlich noch gar kein Futter existiert. Bonn hatte im linearen Fernsehen auf dem dafür freigemachten Sendeplatz offenbar weniger Quote als man gehofft hatte. In den Mediatheken zeichnete sich aber ein ganz anderes Bild. Da waren wir laut DWDL im Januar, das erfolgreichste Format. Ich bin also zufrieden und glücklich über die große Resonanz, wünsche mir aber, dass bei der Auswertung der Quoten eine komplexere Herangehensweise stattfindet und nicht nur die Masse entscheidet.

Vor zwei Jahren haben Sie die Fußball-Miniserie «The Window» für das ZDF und Fuji Film übernommen. Warum lief das Projekt nicht in Deutschland?
Das ist eine sehr gute Frage, die ich Ihnen nicht beantworten kann. Ich war im Oktober auf einer Premiere zu «The Window» in London im Bafta Filmtheater und niemand der Anwesenden konnte erklären, warum die Serie hier noch nicht lief….

Sie sind auch als Dozentin tätig. Macht Ihnen die Arbeit mit jungen Menschen Spaß?
Ich habe nun schon länger nicht mehr unterrichtet, aus zeitlichen Gründen vornehmlich. Aber grundsätzlich liebe ich es mit jungen Menschen zu arbeiten. Auf der Uni oder in Schulen spielt das Thema Quote zum Beispiel nur eine sehr untergeordnete bis gar keine Rolle und so werden Ideen und Themen zu Tage gefördert, geschrieben und verfilmt, die Neuland sind und ganz andere Facetten der Filmerzählung aufzeigen, als das, was wir üblicherweise im Fernsehen und im Kino hierzulande zu sehen bekommen.

Wie wurden Sie durch die Stationen in London und Paris geprägt?
Sowohl die Engländer als auch die Franzosen haben einen ganz anderen Zugang zu Film als wir. Das mag damit zusammenhängen, dass wir hier nach dem 2. Weltkrieg in Westdeutschland alles Kritische in Film und Fernsehen ausgespart haben. In einer Gesellschaft der Beschuldigten und Schuldigen wollte man sich offenbar nicht kritisch mit sich selbst auseinandersetzen. So erlebte der Heimatfilm mit seinem dann doch wieder nationalistischem Unterton einen großen Boom, ebenso wie Fernsehshows. Dazu kamen kultige Krimiformate, Abenteuerfilme en masse und sehr selten Filme, die dann doch mal einen kritischen Anstrich hatten. Diese Filme gab es aber sehr wohl damals in England und in Frankreich. Die Franzosen haben speziell mit der Nouvelle Vague ihre Filmkultur einschlägig auch für die Zukunft geprägt. Ich bin in Paris fast täglich im Kino gewesen.

Es war bezahlbar und gehörte einfach zum gesellschaftlichen Austausch dazu. Ich würde sagen, während in Frankreich und England Film wirklich Teil der Kultur war und ist, gereicht er hier viel eher zur Unterhaltung, ist zu selten identitär, erzählt selten eindrücklich unsere gesellschaftlichen Bewegungen. Hier herrscht allseits die Angst, dass die Masse nicht anbeißt und so werden wir mit vermeintlich lustigen Beziehungs- und Erziehungskomödien ins Kino gelockt. Da ist das Fernsehen inzwischen schon breiter aufgestellt, spielt aber auch immer wieder dieselben Muster durch. Ich wünsche mir hier wie in Frankreich und in England ein bisschen mehr Mut sich komplexer aufzustellen und nicht in einem Film alle bedienen zu wollen, sondern mehr Filme zu machen, die sich voneinander absetzen. Da haben wir mit dem Fernsehen eine große Chance, die wir auch an den verschiedenen Sendeplätzen explizierter außerhalb des Krimigenres mal ausprobieren sollten. Die Flut an Kriminalität im Fernsehen entspricht in keiner Weise unserer Lebensrealität, prägt diese aber im Umkehrschluss. Wenn wir den Zuschauern immer nur das geben, was sie kennen, dann stagniert der Austausch zwischen Machern und Rezipienten. Die Erinnerung an meine Londoner- und Pariser Zeit ist immer noch nachhallend verbunden mit dem Gefühl, dass Film verzaubert, überrascht und aufrüttelt. Das wünsche ich mehr sehr für den deutschen Film.

Vielen Dank für Ihre Zeit!

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