
RTL/ntv betont, Themen aus dem Globalen Süden sehr ernst zu nehmen. Auch wenn sie sich im Alltag schwer durchsetzen lassen, greife man sie regelmäßig in den Nachrichten auf, wenn Chancen, Risiken oder Entwicklungen sichtbar würden, die auch für die deutsche Gesellschaft relevant seien. Eigene Reihen oder feste Sendungen gebe es jedoch nicht. Der Schwerpunkt liege auf verständlicher Einordnung und unmittelbarem Bezug zur Lebensrealität des Publikums. Das ist ein ehrlicher Ansatz: RTL/ntv beansprucht nicht, ein Doku- oder Reportagemotor für den Globalen Süden zu sein, sondern arbeitet stark eventgetrieben und innerhalb eines Relevanzkorridors. Journalistisch sind diese Themen nicht marginal, aber sie bleiben formatökonomisch nachrangig. Tagesnachrichten sind kurz, konkurrieren hart um Sendezeit und verschwinden schnell im News-Strom. Ohne wiedererkennbare Label-Flächen fehlt ein Auffindbarkeitsanker in Mediathek oder Streaming-Angeboten. Die Inhalte sind zwar da, sie bleiben aber flüchtig.

Neben solchen Hochflächen verweist die ARD auf eine Vielzahl von Online-Beiträgen, von Meldungen über Diphtherie in Somalia bis zu Hintergrundstücken über den Austritt von Mali, Burkina Faso und Niger aus der ECOWAS. Auch im Kongo, im Sudan oder in der Elfenbeinküste entstanden Reportagen, die Themen jenseits akuter Kriegsereignisse aufgreifen, etwa über Goldminenarbeit oder Klimafolgen für Kakaoplantagen. Hinzu kommen gesellschaftliche Hoffnungsgeschichten wie Biodiversitätsprojekte in Kenia oder innovative Landwirtschaft in Somalia. Diese Vielfalt ist bemerkenswert, sie bleibt jedoch fragmentiert. Die Stoffe verteilen sich über «Tagesschau», «Tagesthemen», «Weltspiegel», Landesrundfunkanstalten, Mediathek und Social-Media-Kanäle. Das erschwert Auffindbarkeit und Wiedererkennbarkeit. Zwar sind die inhaltlichen Zugänge breit und reichen bis hin zu fiktionalen Projekten wie dem Film «Verschollen» mit begleitender Dokumentation, aber es fehlt die dauerhaft gebrandete Klammer, die dem Publikum signalisiert: Hier geht es kontinuierlich um den Globalen Süden.

Flankiert wird diese Reihe durch das «auslandsjournal» am Mittwochabend und digitale Formate wie «Global PolitiX». Zusammengenommen ergibt das eine Angebotsfamilie, die wiederkehrend sichtbar ist, sowohl im linearen Programm als auch on-demand. Die Stärke des ZDF liegt in dieser Markenbildung. Wer den Globale-Süden-Schwerpunkt sucht, findet ihn leichter, weil es wiederkehrende Reihen gibt, die sich über Jahre hinweg einprägen.
Vergleicht man die drei Häuser, zeigen sich klare Unterschiede. RTL/ntv liefert tagesaktuelle Beiträge, setzt aber keine Schubfläche für Nachhaltigkeit. Die ARD verfügt über starke Leitflächen wie «Tagesthemen» und «Weltspiegel» und über eine breite Ausspielung auf digitalen Kanälen, bleibt aber zersplittert und damit in der Wahrnehmung weniger gebündelt. Das ZDF hat mit «Megacitys» eine prägende Marke etabliert, die sichtbar, anschlussfähig und international relevant ist.
Wer behauptet, der Globale Süden fände gar nicht statt, greift also zu kurz. Er findet statt – die entscheidende Frage ist jedoch, wo und wie. Reihen und Leitflächen prägen Erinnerung und Haltung weit stärker als verstreute Einzeltakes. Genau dort, in der formatierten Kontinuität, entscheidet sich, ob Afrika, Lateinamerika oder Südasien im deutschen Fernsehen eine dauerhafte Präsenz entwickeln oder weiterhin nur episodisch auftauchen.
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