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Die Gesichter von «Markus Lanz»: Wer die Quote trägt

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Durch die Corona-Pandemie erreichte die Talkshow von Markus Lanz hohe Reichweiten. Wer ist neben Karl Lauterbach der beliebteste Gast der Sendung?

Zwischen 2020 und 2025 hat «Markus Lanz» im ZDF seine Rolle als politisches Spätformat deutlich geschärft. Die Quotenverläufe dieser Jahre sind keine gleichmäßige Linie, sondern eine Abfolge markanter Ausschläge: in den Pandemiemonaten 2020/21, an den Tagen des russischen Überfalls auf die Ukraine 2022, in den Energie- und Inflationsjahren 2023/24 sowie in den Wochen der US-Wahlen und im Umfeld großer Sportereignisse. Auffällig ist, dass sich in all diesen Phasen bestimmte Gesichter wiederholen. Stammgäste prägen den Diskurs – und mit ihnen lassen sich auch die Reichweiten besser verstehen.

«Markus Lanz» ist im Kern ein Erklärformat. Die starke Quote entsteht, wenn die gesellschaftliche Nachfrage nach Orientierung hoch ist – und wenn die Redaktion die richtigen Stimmen zusammenführt. Dann tragen Stammgäste das Konzept nicht als „Zugpferde“, sondern als verlässliche Rollen: Gesundheit, Außen- und Sicherheitspolitik, Wirtschafts- und Haushaltsfragen, Migration und innere Sicherheit, flankiert von Hauptstadtreportern und Korrespondentinnen. In Ihrer Quotenreihe ist dieses Muster zwischen 2020 und 2025 wieder und wieder sichtbar: pandemische Frühphasen, der Kriegsbeginn und seine energie- und sicherheitspolitischen Folgen, die ökonomischen Zumutungen der Jahre 2023/24/25, US-Wahlzyklen und sportliche Sondereffekte. Je größer die Komplexität – desto höher das Publikum. Und je klarer die Erklärrollen – desto verlässlicher die Reichweite.

Pandemie: Lauterbach als Fixpunkt


Als im März 2020 das öffentliche Leben heruntergefahren wurde, stiegen die Zuschauerzahlen von «Lanz» auf Rekordwerte. Mehr als 2,8 Millionen Menschen sahen zu, wie Experten und Politiker die neue Lage erklärten. Karl Lauterbach war in dieser Zeit einer der am häufigsten eingeladenen Gäste. Seine Mischung aus medizinischem Fachwissen und politischer Einbindung machte ihn zum Gesicht der Pandemie-Erklärung. Durchschnittlich bewegten sich die Sendungen mit starker Gesundheitsfokussierung zwischen 1,8 und 2,4 Millionen Zuschauern – Spitzenwerte für die späte ZDF-Sendezeit.

Transatlantische Nächte: Theveßen erklärt Amerika
Wann immer US-Wahlen oder Entscheidungen in Washington die Schlagzeilen bestimmten, war Elmar Theveßen gesetzt. Der ZDF-USA-Korrespondent erklärte Hintergründe, Kandidaten und internationale Folgen. Die Sendungen im November 2020, als Donald Trump und Joe Biden um die Präsidentschaft rangen, erreichten 2,4 bis 2,7 Millionen Zuschauer. Auch 2024 zeigte sich derselbe Effekt. Theveßen gehört talkshow-weit zu den häufigsten Gästen der vergangenen Dekade und steht bei Lanz für verlässlich hohe Reichweiten in transatlantischen Phasen.

Sicherheit und Strategie: Masala und Kiesewetter


Ab Februar 2022 veränderte der russische Angriff auf die Ukraine die thematische Agenda. Nun standen Militärexperten, Sicherheitspolitiker und Reporter im Vordergrund. Carlo Masala von der Universität der Bundeswehr und CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter wurden zu festen Größen. Ihre Analysen zu Frontverläufen, Waffenlieferungen und NATO-Strategien zogen in den Monaten nach Kriegsbeginn regelmäßig 1,7 bis 2,1 Millionen Zuschauer an – deutlich über dem Durchschnitt der Vorjahre.

Politikjournalismus im Dauerabo: Robin Alexander und Melanie Amann


Neben Fachleuten aus Medizin und Sicherheit gehörten Politikjournalisten zur Stammbesetzung. Robin Alexander („Welt“) und Melanie Amann („Der Spiegel“) sind Beispiele für Stimmen, die Entwicklungen in Berlin pointiert einordnen. Sie begleiteten Koalitionsverhandlungen, Kanzlerkandidaturen und interne Krisen. Episoden mit solchen Journalisten lagen meist im Bereich von 1,5 bis 1,9 Millionen Zuschauer – solide Werte, die zeigen, dass Analyse auch ohne akute Krise Reichweite sichern kann.

Ökonomie in der Krise: Fratzscher und Grimm


Mit der Energiekrise und den steigenden Preisen ab 2022 kamen Ökonomen wie DIW-Präsident Marcel Fratzscher oder die Wirtschaftsweise Veronika Grimm häufiger ins Studio. Ihre Einordnungen zu Inflation, Rezession und Schuldenbremse fielen in Episoden, die durchschnittlich 1,3 bis 1,6 Millionen Zuschauer erreichten. In Phasen akuter Unsicherheit, etwa bei Haushaltsstopps oder Gaspreisdebatten, lagen die Werte auch höher.

Kontroverse Stimmen: Jan Fleischhauer und Wolfram Weimer


Zu den wiederkehrenden Gästen gehören auch Publizisten wie Jan Fleischhauer oder Wolfram Weimer. Sie sind weniger für Faktenaufbereitung zuständig, sondern bringen kontroverse Positionen in die Runde. Solche Abende erzielten meist zwischen 1,4 und 1,7 Millionen Zuschauer. Damit lagen sie über dem Alltagsniveau, aber unter den Krisensendungen mit maximaler Nachrichtenlast.

Die Top-10 der „Lanz“-Stammgäste (2020–2025, nach Reichweitenfenstern)


1. Karl Lauterbach – Pandemieerklärer, Ø 1,8–2,4 Mio.
2. Elmar Theveßen – USA-Analyst, Ø 1,9–2,5 Mio.
3. Carlo Masala – Sicherheitspolitik, Ø 1,7–2,1 Mio.
4. Roderich Kiesewetter – Außenpolitik, Ø 1,6–2,0 Mio.
5. Robin Alexander – Bundespolitik, Ø 1,5–1,9 Mio.
6. Norbert Röttgen – Außenpolitik, Ø 1,5–1,9 Mio.
7. Paul Ronzheimer – Kriegsreporter, Ø 1,5–1,9 Mio.
8. Melanie Amann – Innenpolitik, Ø 1,4–1,8 Mio.
9. Jan Fleischhauer – Kontroverse, Ø 1,4–1,7 Mio.
10. Marcel Fratzscher / Veronika Grimm – Ökonomie, Ø 1,3–1,6 Mio.

Die editoriale Pointe


Es ist leicht, an der Oberfläche zu bleiben: „Hohe Quote, weil Corona.“ „Hohe Quote, weil Krieg.“ „Hohe Quote, weil EM.“ Die Daten zeigen, wie ein Spät-Talk in einer Ära der Dauerkrisen zum Ort geworden ist, an dem sich die Republik auf neue Maßstäbe einigt. Das erklärt, warum die Sendung in Ausschlagswochen Primetime-Werte holt. Es erklärt, warum Stammgäste, die in klassischen Formaten nie zu Stars geworden wären, plötzlich „Stimmen“ sind, deren Tonfall die Lage verändert. Und es erklärt, warum amtliche Ergebnisse sich im Rückblick so schlüssig anfühlen: Nicht, weil Fernsehleute Wahlen „machen“ – sondern weil sie die Denkrahmen derer sortieren, die wählen.

Dass die Forschung dieses Bild stützt, hilft euch in der Vermittlung: Agenda-Setting und Priming sind nicht mediale Mythen, sondern robuste Effekte. Talkshows sind darin – anders, als ihr Ruf manchmal vermuten lässt – keine Hysterisierer, sondern häufig Rationalisierer: Sie sammeln, konzentrieren, rechnen vor, korrigieren, widersprechen. Und genau das wollen Menschen in anstrengenden Jahren: Nicht Bestätigung, sondern das Gefühl, einen Kompass in der Hand zu haben. Wer in diesen Nächten den Kompass erklärt, zahlt auf das Konto ein, das in Wahlkabinen „Vertrauen“ heißt.

Man kann über gute Talkshows und schlechte Talkshows streiten. Man kann den Ton von «Lanz» mögen oder nicht. Man kann einzelne Gäste als Dauerpräsenz kritisieren und sich eine breitere Gesellschaft wünschen. Aber wer behauptet, die Sendung spiele politisch keine Rolle, verkennt die Realität eines Medienjahres, in dem die wichtigsten Prüfmaßstäbe für Politik nachts geordnet werden. Das sieht man an den Peaks, an den wiederkehrenden Gesichtern, an den Nächten mit Sport-Turbo oder US-Wahlmagnet – und man sieht es in den amtlichen Ergebnissen, die die Wellen rückwirkend plausibel machen. Wer «Lanz» so liest, wird die Sendung weder überschätzen noch kleinreden. Er wird sie einsetzen, wofür sie in den letzten Jahren am wertvollsten war: als akustisches Seismogramm der Republik.

Die Daten erzählen fünf Jahre in vier Wellen – Vertrauen (Corona), Sicherheit/Energie (Krieg), Ordnung/Wirtschaft/Migration (Zumutungen), Amerika (Fixstern).Talk wirkt, aber indirekt; er erzeugt keine Mehrheiten, er liefert die Maßstäbe, an denen Mehrheiten entstehen. Das ist kein kleiner Befund – das ist die Geschichte eines Spät-Talks, der in Krisenjahren das Nachtparlament der Republik geworden ist.

Die Reichweitenentwicklung von «Markus Lanz» zeigt, wie stark die Quote von Nachrichtenlagen abhängt. Pandemie, Krieg, Energiekrise und US-Wahlen haben das Format zeitweise in die Dimensionen einer Primetime-Sendung gehoben. Dabei sind Stammgäste weniger Stars als vielmehr „Themenanker“. Wer für ein bestimmtes Feld steht – ob Gesundheit, Sicherheit, Wirtschaft oder Politik – prägt die Sendung in den Momenten, in denen dieses Feld die Agenda bestimmt.

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