Ich finde den Blick hinter die Fassade von Familien extrem reizvoll. Sie ist immer wieder durchzogen von Leid und Liebe auf eine Weise, die es nur dort – oder eben in Wahlfamilien – gibt. Eine Gruppe wird mehr oder weniger freiwillig zusammengewürfelt und schon ist Potential für Freude und Zunder. Die meisten Verbrechen geschehen ja im Familienverbund.
«In Wahrheit» beginnt mit einem vermeintlich klaren Raubüberfall. Wie verändert sich für Ihre Figur die Perspektive, als private Verwicklungen ans Licht kommen?
Das Besondere ist, dass es immer wieder auf den Blick hinter die augenscheinliche Realität ankommt. Eine private Verwicklung liegt meist gar nicht so fern. Der böse Unbekannte ist eher selten, und so ist die Frage des „Warum“ immer wieder auf’s Neue spannend. Auch für Judith Mohn. Die Realität, die die Augen sieht, muss immer wieder auf ihre Wahrheit überprüft werden. Was steckt wirklich dahinter – das ist spannend!
Judith Mohn und Freddy Breyer sind inzwischen ein eingespieltes Team. Was macht diese Ermittler- Dynamik für Sie aus?
Mit Robin Sondermann zusammen in die Rollen der Judith Mohn und des Freddy Breyer einzusteigen ist nach nunmehr zehn Jahren eine reife und eine spannende Dynamik! Wir können uns als Mohn und Breyer voll aufeinander verlassen. Manchmal frotzeln wir uns wie in einer guten Ehe – wir freuen uns übereinander und miteinander, sind in unsere Aufgabe reingewachsen und haben aber auch durch immer wieder wechselnde Regie, Drehbuchautoren und Fälle unsere Aufgabe, das gemeinsam zu lösen. Und das ist eine vertrauensvolle, lebendige und immer spannende Reise.
In „Für immer dein“ geht es auch um Themen wie familiäre Spannungen und unerwartete Geheimnisse. Wie bereiten Sie sich emotional auf solche komplexen Fälle vor?
Das Leben ist der beste Lehrer. Unser Miteinander ist seit je gespickt von Taten gegeneinander – ob Missbrauch, Totschlag, Manipulation, gegenseitige Beschuldigungen bis hin zu Mord und Vergewaltigung. Wir haben das Böse zwischen uns normal werden lassen. Das Böse ist immer wieder erschreckend, aber auf den Schreck kann man sich gar nicht vorbereiten. Man kann nur lernen, beobachtend damit umzugehen und bei sich zu bleiben. Egal wie brutal die Realität sein mag.
Die Beziehung zwischen Moritz Brück und seinem Vater spielt eine wichtige Rolle. Wie spiegeln solche familiären Konflikte auch gesellschaftliche Themen wider?
Wie eben schon erwähnt ist alles zwischen Liebe und Hass nicht „neu“. Wir Menschen müssen lernen, wie das geht – das Miteinander. Und so ist der Konflikt zwischen dem Sohn, der nach der Anerkennung des Vaters strebt, und dem Vater, der ewig unzufrieden ist mit den Leistungen des Sohnes so alt wie die antiken Tragödien. Unsere Gesellschaft bildet sich doch aus Vätern und Söhnen, Müttern und Töchtern. Aus diesem Kreislauf kommen wir nicht raus. Und so ist auch diese Geschichte im Kleinen ein Abbild des Ganzen.
Es gibt eine sehr dramatische Szene mit einer knapp verhinderten Gasexplosion. Wie haben Sie diese Momente am Set erlebt?
Diesen Moment werde ich nicht vergessen (lacht), und das nicht nur weil die Spannung in der Luft hochexplosiv war und damit auch meine Spielspannung auf Maximum, sondern auch weil ich beim Drehen im vollen Lauf auf der Benzinlache ausgerutscht und vor laufender Kamera zu Boden gekracht bin. Ich habe sofort weiter gemacht, was zu tun war. Das war für alle – inklusive mir – so spannend, dass es gar nicht als Ausrutscher wahrgenommen wurde. Im Leben ist das ja auch so: wenn man in eine extreme Situation kommt, handelt man schmerzfrei und zielorientiert. Voller Fokus auf das, was es gerade zu tun, zu retten, zu beheben gilt.
Was unterscheidet «In Wahrheit» für Sie von anderen Krimiformaten, in denen Sie gespielt haben?
Die Frage ist gemein, da sie mich drängt, in den Vergleich mit anderen Formaten zu gehen. Aus meiner Sicht hat jeder Krimi seine ganz eigene Qualität. Und es ist auch immer was anderes, ob man ein Format führt oder eine Episodenrolle übernimmt. Es sind die Aufgaben, die das Format spannend machen.
Die Reihe wird sowohl im ZDF als auch auf arte gezeigt. Spüren Sie, dass sie dadurch ein breiteres, vielleicht auch unterschiedliches Publikum anspricht?
Ja, das ist tatsächlich so. Wir haben auch immer wieder eine große Zuschauerschaft in Frankreich. «En Verité» auf Französisch synchronisiert, wird auch dort ausgesprochen begeistert angenommen – und so ist es auch bei den deutschen arte-Zuschauern. Wir werden als Geschichtenerzähler wahrgenommen und gar nicht mal nur als Krimiformat. Das entnehme ich jedenfalls den Briefen und Mails, die mich erreichen und auch die Zuschauerzahlen sprechen für sich. Das meine ich, wenn ich sage man kann keine Krimis miteinander vergleichen. Es ist eine Qualität, die man mag oder nicht mag.
Sie arbeiten in diesem Fall unter der Regie von Kirsten Laser. Wie würden Sie ihren Stil und ihre Handschrift beschreiben?
Kirsten ist eine ausgesprochen filmisch denkende und fühlende Erzählerin. Ihr feines Gespür für die Geschichten der Charaktere lassen sie zusammen mit ihrem Kameramann Rodja Kükenthal immer den richtigen Blickwinkel finden, Distanz und Nähe ausloten und auch Zeit nehmen, Dinge mal stehen zu lassen. Sie ist selbst berührbar und das macht ihre Führung aus. Als vormals langjährige Regieassistentin ist sie auch mit allen Belangen der Teammitglieder vertraut und ist so nicht abseits auf dem Regiestuhl, sondern mittendrin. Sie will erlebbar machen und nicht nur drauf schauen. Das passt zu «In Wahrheit».
Ihre Figur wirkt oft sehr fokussiert und kontrolliert. Gibt es im Drehalltag auch Momente, in denen Sie Judith Mohn bewusst „brechen“ lassen?
Ich bin mir nicht sicher, ob ich ihre Frage richtig verstehe, denn Judith ist eine beobachtende Ermittlerin. Sie muss fokussiert sein, um sich nicht von der augenscheinlichen Realität ablenken zu lassen. Ihren Sinnen zu vertrauen, ist elementar. Aber auch die können getäuscht werden, und dann gibt ’s auch mal eine irrationale Reaktion, ein lautes Wort oder ein Handeln über die erlaubten Wege hinaus.
Was war für Sie persönlich die größte Herausforderung bei den Dreharbeiten zu diesem Fall?
Ich würde eher von Erkenntnissen sprechen als von Herausforderungen – denn das bleibt nach dem Dreh. Es ist immer wieder interessant zu sehen, wie dicht Familien-/ Liebesgeschichten und Straftaten zusammenstehen. Die „heilige Kuh“ unseres Miteinanders deckt so viel Unheil, wo doch so viel Schönes geschehen kann. Das ist in FÜR IMMER DEIN auf jeden Fall eine Tragweite, die mich berührt hat.
Wenn Sie auf die gesamte «In Wahrheit»-Reihe zurückblicken: Welche Entwicklung hat Judith Mohn in Ihren Augen durchgemacht – und was nehmen Sie selbst aus dieser Rolle mit?
Judith ist reifer geworden, und damit auch gefestigter in ihren Beobachtungen. Der väterliche Mentor Markus Zerner, gespielt von Rudolf Kowalski, war immer ein Hafen, der ihr letztlich den Rücken gestärkt hat, auch ohne Deckung ihren Weg zu gehen. Dazu gehört auch das Verhältnis zu ihrer Mutter (Steffi Kühnert), in dem sie sich mehr und mehr öffnet. Judith hat gelernt zu dem „Warum“ der Täter und ihrer Taten wie den Geschädigten mehr Abstand zu nehmen, aber gleichwohl nah an den Fällen zu bleiben. Das nehme ich auch mit: immer präsent mit den Menschen zu sein, aber mich nicht zu verwickeln in das, was sie umtreibt.
Vielen Dank für Ihre Zeit!
«In Wahrheit» mit der Folge „Für immer dein“ ist am Samstag, den 6. September 2025, um 20.15 Uhr im ZDF zu sehen. Die Produktion ist bereits in der ZDFmediathek abrufbar.
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