«Nonkonform» – ein Filmtitel, so glatt wie die Glatze von Kuhlbrodt. Und ebenso trügerisch. Denn Nonkonformität wird hier nicht zum modischen Label aufgeblasen. Sie wird gelebt, und zwar konsequent. Arne Körners Dokumentarfilm – oder nennen wir es lieber: filmisches Zwiegespräch mit einem Zeitphänomen – lässt sich Zeit. Und Raum. Und Erinnerungen. Und dann wieder Stille. Es ist diese Stille, in der Kuhlbrodt plötzlich zur Figur wird, zur Karikatur vielleicht, zur Chimäre ganz sicher.
Was macht man mit so einem Leben? Fünf Leben in einem. Staatsanwalt, Schauspieler, Punk, Vater, Poet. Man versucht, es zu erzählen – und scheitert dabei glorios. Weil es zu groß ist für ein bloßes Biopic. Körner scheitert auf die beste Weise: indem er sich traut, nicht alles zu erklären. Nicht alles einzuordnen. Sondern laufen zu lassen – wie Helge Schneiders Soundtrack, der irgendwo zwischen schräg, charmant und Charlie-Parker-beim-Kaffeeklatsch oszilliert.
Natürlich gibt es Archivmaterial. Natürlich gibt es Wegbegleiter, eine Kameraarbeit, die das Gesicht des Alters ausleuchtet, bis es zu sprechen beginnt. Aber «Nonkonform» interessiert sich nicht für Chronologie. Der Film denkt nicht in Kapiteln, sondern in Echos. Der kleine Dietrich wird nicht logisch zum großen Kuhlbrodt. Er ist einfach. Und man muss ihn aushalten. Oder lieben. Oder beides.
Ja, es gibt Längen. Manchmal verliert sich der Film in seinem eigenen Faszinosum. Dann möchte man ihn schütteln, rufen: "Komm zur Sache!" Aber dann kommt plötzlich ein Satz von Kuhlbrodt – halbironisch, halbverrückt, ganz klug –, und man ist wieder ganz da. Hängt an seinen Lippen. Und denkt: Was für ein Wahnsinn, dass es solche Leute wirklich gibt.
Das Faszinierende: Kuhlbrodt wird nie zur Legende hochstilisiert. Keine Heldenverehrung, kein biedermännisches "Was für ein Leben!" Stattdessen: ein feines, fast zärtliches Staunen. Und da ist der Film am stärksten. Es ist ein Dokumentarfilm, ja. Aber irgendwie auch ein deutscher Fiebertraum. Eine Zeitreise, wie sie nur einer wie Körner drehen kann – mit viel Mut zur Lücke, zum Bruch, zum Lächeln, das zwischen Weinen und Wahnsinn pendelt.
«Nonkonform» ist keine leichte Kost – aber ein leichtes Spiel. Ein Film wie ein Jazzstück, bei dem man nicht alle Töne versteht, aber alle spürt. Er erzählt nichts zu Ende, will gar nichts abschließen. Er öffnet Fenster in Biografien, die mehr Fragen als Antworten geben. Und genau darin liegt seine Stärke. Also ja: Insgesamt positiv. Aber ohne Euphorie. Denn der Film will gar nicht gefallen. Er will bleiben. Und das tut er.
Der Film «Nonkonform» wird am Montag, den 5. Mai um 23.55 Uhr im ZDF ausgestrahlt.
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