Serientäter

«Bargain»: Ein sexueller Trip wird zum Desaster

von

No Hyung-soo stellt sich auf ein sexuelles Abenteuer mit einer Oberstufenschülerin ein. Die entpuppt sich aber als Organverkäuferin, die ihn ausweiden möchte. Ein Erdbeben rettet No Hyung-soo jedoch in dem Moment, in dem seine Organe versteigert worden sind.

Gargain

Südkorea 2022
Originaltitel:몸값
6 Episoden
Regie: Jeon Woo-sung
Drehbuch: Jeon Woo-sung, Choi Byung-yoon, Kwak Jae-min
Produzent: Kim Bo-ra
Musik: Lee Ji-soo
Kamera: Kim Yeong-ho, Yoo Young-gi
Schnitt: Kim Hye-jin, Han Mi-yeon
Besetzung: Jin Sun-kyu, Jeon Jong-seo, Chang Ryul, Park Hyoung-soo, Shin Jae-hwi, Jung Hoe-rin
«Bargain» ist ein in sechs Teile gegossener, televisionärer Irrsinn, der einmal mehr Südkoreas Ausnahmestellung im internationalen TV- und Filmgeschäft unterstreicht. Brutal, ätzend, komisch, krachend, irrwitzig, erzählt Regisseur Jeon Woo-sung den Überlebenskampf des No Hyung-soo, der sich, um zu überleben, nicht nur mit Park Joo-young verbünden muss, jener jungen Frau, die eigentlich seine Organe versteigert hat. Er braucht auch die Hilfe von Go Geuk-ryul, einem jungen Mann, der No Hyung-soo Nieren braucht, um diese seinem Vater transplantieren zu lassen, der ohne Transplantation sterben wird.

Aber alles der Reihe nach: No Hyung-soo reist in ein Motel in einer Provinzstadt, offenbar im Norden Südkoreas, um dort ein sexuelles Abenteuer mit einer Oberstufenschülerin zu erleben. Über das Internet haben sie sich kennengelernt und für den richtigen Preis ist die junge Frau, Park Joo-young, bereit, ihre Unschuld an den Mann aus der Stadt zu verkaufen. Während No Hyung-soo im Badezimmer steht, wird er jedoch von Fremden überwältigt, auf eine Bahre gefesselt und stante Pede findet er sich in einer Auktion wieder, in der er als Ware angeboten wird – oder besser gesagt, sind es seine Organe. Er ist ein Mann in den 30ern, gesund, außerdem hat er begehrte Blutgruppe, was seinen Preis nach oben schnellen lässt. In dem Moment, in dem die Auktion beendet ist, bebt allerdings die Erde. Das Motel, ein mehrstöckiges Gebäude unterhalb eines Bergkamms, gerät ins Schwanken und Teile des Gebäudes stürzen ein. Auch der Boden, auf dem No Hyung-soos Bahre steht, gibt nach und No Hyung-soo stürzt mehrere Stockwerke tief. Damit aber landet er nur auf einer neuen Ebene, auf der wieder um sein Leben kämpfen muss, denn im Keller, in dem er landet, arbeitet ein, vorsichtig ausgedrückt, derangiertes Brüderpaar, dessen Aufgabe darin besteht, die Organspender auszuweiden und die „Reste“ an Fische zu verfüttern, um die Spuren ihres Tuns zu beseitigen.

Irgendwie, anders kann man sein Glück kaum beschreiben, entkommt er den beiden Verrückten zwar, aber er steckt im Haus fest. Einem Haus, in dem immer noch die Organhändler ihr Unwesen treiben, beziehungsweise deren Kunden kein Interesse daran haben, dass ihr Tun offenbart wird. Er ist allerdings nicht der einzige, der aus dem Wahnsinn hinaus will. Auch Park Joo-young sieht ihre Chance gekommen, dem Wahnsinn zu entfliehen, denn offenbar hat sie nicht ganz freiwillig ihren Job als Auktionsleiterin ausgeübt. Allerdings kann man sich nie ganz sicher sein, ob sie die Wahrheit sagt, denn Park Joo-young ist eine begnadete Lügnerin. Im Gegensatz zu Go Geuk-ryul, der No Hyung-soos Nieren braucht, was er so offen auch sagt. Schließlich hat er für sie nicht nur bezahlt, sondern für einen Kredit seinerseits einen Teil seiner inneren Organe als Sicherheit für den Kredit „hinterlegt“.

Sechs Episoden umfasst die Serie, die bereits im Oktober 2022 in Südkorea ausgestrahlt worden ist, deren globalen Rechte sich allerdings Paramount+ gesichert hat. So läuft die Serie als ein Original. Paramount+ ist bei südkoreanischen Serien bislang eher mäßig aufgestellt, im Gegensatz zum Konkurrenten Netflix etwa, der nicht nur en masse südkoreanische Serien einkauft, sondern auch selbst als Produzent den Markt bedient. Zugegebenermaßen ist «Bargain» allerdings schon etwas speziell. Man muss auf die Art von Humor und überdrehter Action stehen, die die Serie in ihren sechs Episoden à 35 Min abliefert. Die vergleichsweise kurze Laufzeit der Einzelepisoden ist ein Tempotreiber, nie steht die Kamera auch nur im Ansatz still (Ausnahme: Der etwa fünfzehnminütige Prolog der ersten Episode, der die Hauptfiguren der Serie einführt). Den Höhepunkt dieses temporeichen Spiels stellt eine ebenfalls etwa 15 Minute dauernde Plansequenz während der vierten Episode dar. Eigentlich ist das, was geschieht, ein Bühnenspiel, bei dem mehrere Personen in einem Raum miteinander agieren: ein Großteil dieses Agierens besteht sogar nur aus Gesprächen. Die agile Kamera aber, die durch den Raum fährt und in diesem kleinen Raum teils 360-Grad-Rundfahrten vollführt, lässt das Bühnenspiel vergessen.

«Bargain» rockt. Allerdings ist die Serie nicht in Gänze gelungen. Während Park Joo-young als Figur fasziniert (ist sie einfach nur unfassbar skrupellos, ist sie tatsächlich selbst ein Opfer, ist sie vielleicht ein bisschen von beidem?), neigt No Hyung-soo zum Nerven. Zunächst einmal ist er, das ist kein Spoiler zu verraten, da das „Geheimnis“ sehr früh gelüftet wird, kein Pädophiler. No Hyung-soo ist Polizist, der undercover gegen einen Mädchenhändlerring ermittelt. Diese Ermittlungen haben ihn in das Motel geführt: dass die mafiöse Organisation aber, auf deren Spur er sich befindet, ganz nebenbei auch mit Organen handelt, diese Erkenntnis kommt dann aber auch für ihn überraschend. Dass ein Schatten auf No Hyung-soo fällt, da man nicht ganz sicher sein kann, dass er die Situation, allein mit Park Joo-young gewesen zu sein, nicht ausgenutzt hätte, ist eine Sache. No Hyung-soo wird jedoch auch als stets aufbrausender, dabei aber auch zur Hasenfüßigkeit neigender Charakter porträtiert, der mit der Situation auch deshalb überfordert ist, da seine Autorität als Polizist in dem Chaos nichts wert ist. Die Marke verleiht ihm Macht. Ohne Marke ist er nur ein Typ, der die meiste Zeit der Handlung nur mit einer Unterhose bekleidet durch die Szenerie läuft. Diese Art der überdrehten Darstellung einer Polizeifigur ist in südkoreanischen Filmen oft anzutreffen. Vor allem Polizisten eher mittlerer Dienstränge, mit ein bisschen Macht nach unten, aber großem Buckeln nach oben, werden gerne und oft als, Pardon, Beamtenärsche porträtiert. Die sympathischen Figuren sind in der Regel in dem Umfeld, in dem sie agieren, eher Außenseiter - oder sie durchleben einen reinigen Prozess. Im Fall von No Hyung-soo sieht es so aus, dass er eigentlich reinigende, zum Umdenken animierende Momente im Minutentakt erlebt, jedoch kommen diese bei ihm nicht an. So ist ausgerechnet die Hauptfigur der Serie ein Minuspunkt für das Gesamtbild. Das ist wirklich schade, denn der Rest von «Bargain» ist schlicht und ergreifend großartig. Es kracht, es knirscht, Gefahren werden überwunden – um schon im nächsten Moment von einer neuen Gefahrensituation überrollt zu werden. Ach ja, und dann ist da natürlich auch noch viel Geld im Spiel. Organhandel ist ein lohnendes Geschäft. Wo ist dieses Geld eigentlich abgeblieben? So ein Erdbeben verschiebt ja nicht nur ein paar Kontinentalplatten tektonisch, auch im Haus haben sich die Machtverhältnisse im Moment des Knalls verschoben, sprich: Das Geld doch in einer solchen Situation doch dem, der es findet, oder etwa nicht?



«Bargain» ist ein munteres Spiel der Gewalt, der Absurdität, der Spannung. Allerdings endet die Serie auch mit einem etwas überraschenden Cliffhanger, der eine zweite Staffel ankündigt, die in eine ganz andere Richtung gehen würde als die erste Staffel gegangen ist. Gehen würde? Ein Jahr, nachdem die Serie in Südkorea ihre Premiere erlebt hat, hat noch keine Vorproduktion zu einer neuen Staffel begonnen. Da die Schauspielerinnen und Schauspieler in solch einem Zeitraum in der Regel schon wieder neue Projekte am Start haben, sieht es also schon aus produktionstechnischen Gründen für eine zweite Staffel eher mau aus, unabhängig vom internationalen Erfolg oder Misserfolg dieser ersten Staffel. Allerdings beteuern die südkoreanischen Macher der Serie, sie würden derzeit eine zweite Staffel planen.

Der Cliffhanger ist übrigens eher ein Prolog und, das darf gespoilert werden, er wird nach dem Abspann der letzten Episode gezeigt. Also: Abspann durchlaufen lassen, bitte!

Die Miniserie «Bargain» ist bei Paramount+ verfügbar.

Mehr zum Thema... Bargain TV-Sender Netflix
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