Hintergrund

Streaming-Zuschauer wollen sparen – Werbetoleranz steigt

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Aus einer neuen Streaming-Studie geht hervor, dass die deutschen Streaming-Kunden weniger Geld für ihre Abos ausgeben wollen und dafür auch Werbung bei ihren Diensten in Kauf nehmen. Die aktuelle Entwicklung liegt somit voll im Trend.

Disney-CEO Bob Iger ließ sich Mitte Juli in einem Interview mit CNBC ein wenig in die Karten schauen, verriet aber nicht allzu viel Konkretes. Das lineare Fernsehen könnte nicht zum Kerngeschäft seines Milliarden-Unternehmens gehören. Lineares Fernsehen als Verbreitungsmodell sei „definitiv kaputt“. Gleichzeitig ging er auch auf das Streaminggeschäft ein, das Disney mit Disney+ profitabel machen will und dafür auch ein werbefinanziertes Angebot zu einem günstigeren Preis eingeführt hat. Angesichts Igers erster Aussage, liegt die Annahme nahe, dass sich auch Werbekunden in den USA auf das Streaming fokussieren. Auch Amazons Zahlen zum werbefinanzierten Dienst Freevee lassen diesen Schluss zu.

Das Problem: Das Wachstum des Streamingmarktes ist nicht unendlich, wie Netflix im vergangenen Jahr leidvoll erfahren musste, als man erstmals Kunden verlor, woraufhin man rasend schnell ebenfalls ein Abo mit Werbung auf den Markt brachte sowie vehement gegen das Account-Sharing vorging. Einer neuen Studie der weltweit agierenden Unternehmensberatung Simon-Kucher zufolge liegt derzeit aber noch ein weiteres Problem vor, das vor allem den deutschen Markt betrifft. Laut der „Simon-Kucher Streaming Study“ wollen die Menschen in Deutschland in Zeiten der Rezession auch bei ihren Streaming-Abos sparen, weshalb der Anteil „preissensitiver Streamer“ derzeit steigt.

30 Prozent der in 1.000 befragten deutschen Streaming-Nutzer – insgesamt wurden knapp 12.000 Menschen aus zwölf Ländern befragt – gaben im Mai 2023 an, dass sie im kommenden Jahr ein Abo kündigen wollen. Man wolle sparen, zu hohe Abopreise vermeiden oder sich von zu vielen bestehenden Abos trennen, so die Hauptgründe. „Der Trend ist klar: Streaming-User in Deutschland setzen den Rotstift an“, so Lisa Jäger, Partnerin und Global Head of Technology, Media & Telco bei Simon-Kucher. Im internationalen Vergleich sein in Deutschland einer der höchsten Anstiege an geplanten Kündigungen zu verzeichnen. Das hängt vor allem mit der Zahlungsbereitschaft der Nutzer zusammen, die um ein Drittel eingebrochen ist. Statt 15 Euro will der durchschnittliche Verbraucher nur noch maximal zehn Euro für ein Einzelabo berappen. Im Fall von Netflix wäre damit nur noch die Buchung von Netflix Standard mit Werbung für rund fünf Euro pro Monat oder das „Netflix-Basis“-Abo für knapp acht Euro möglich. Von HD-Qualität kann man sich damit verabschieden.

Das Gesamtbudget für Streaming-Abos sinkt ebenfalls – auf 25 Euro. Das macht den Markt umso umkämpfter. Das Angebot endet bekanntlich nicht nach Netflix, Disney+ und Prime Video. Auch deutsche Angebot wie WOW von Sky Deutschland oder RTL+ von RTL Deutschland wollen immer mehr Kunden ansprechen. Wer offen für neue Angebote ist, zieht laut der Simon-Kucher Streaming-Studie allerdings entsprechende Konsequenzen. Im Schnitt haben Streamer in Deutschland 2,1 Abos. Aber 41 Prozent der Befragten gaben an, zu Gunsten eines neuen Abos zunächst ein bestehendes Abo zu kündigen. Die Hürde, neue Streaming-Kunden zu gewinnen, werde laut Jäger höher.

Der Studie zufolge achten 84 Prozent der Verbraucher zunächst auf den Preis und erst dann auf die angebotenen Inhalte (81 Prozent). Auf Platz drei der Kaufkriterien für ein Streaming-Abo folgt Flexibilität bei der Kündigung (65 Prozent). Ein Paradies für die werbefinanzierten Abos, die es in der Regel zu einem günstigeren Preis gibt. Keine Werbeinhalte spielen nicht einmal für die Hälfte der Nutzer eine Rolle (47 Prozent). „Sowohl Kündigungsflexibilität als auch Werbefreiheit verlieren im Vergleich zum Vorjahr aber an Bedeutung", erklärt Lisa Jäger. „Ein Zeichen dafür, dass Kunden ihre präferierten Anbieter gefunden haben und die Toleranz für werbefinanzierte Pakete steigt.“

Trotz der sinkenden Zahlungsbereitschaft macht vor allem die Tatsache Hoffnung, dass Kunden insgesamt mehr streamen, so Jäger. 26 Prozent der Verbraucher gaben an, dass sich ihr Streaming-Konsum in Vergleich zum Vorjahr gesteigert hat. Das Nutzersegment verschiebe sich in Richtung preisorientierter Nutzer. „Die Streaming-Branche steckt nicht in der Krise aber in einer Metamorphose“, fasst Jäger zusammen. Dies gilt nicht nur für den Streamingmarkt, sondern auch für das lineare Fernsehen, das angesichts des steigenden werbefinanzierten Streamingkonsums mehr denn je antiquiert wirkt. Bleibt nur die Frage, ob Bob Iger das Publikum bei Laune halten kann, wenn er ebenfalls ankündigt, in Zukunft weniger Serien an den Start zu bringen und Titel aus dem Marvel- oder Star-Wars-Universum zu reduzieren. Die angespannte wirtschaftliche Großwetterlage macht den Balanceakt zwischen Fernsehen, Streaming und Kino zur Turnerei im Spagat für Bob Iger in den kommenden Jahren.

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