Debatte

ProSieben und das ewige Daytime-Dilemma

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Anfang der 2000er war das Powerhaus aus Unterföhring bestens aufgestellt. Doch nach diversen Versuchen und dem Sitcom-Erfolg ruht man sich aus.

Schon seit Jahren haben die amerikanischen Studios keine guten Sitcoms mehr veröffentlicht. «How I Met Your Father» lebt von den zahlreichen Gastauftritten der ursprünglichen Serie, Formate wie «The Connors» und «The Wonder Years» sind einfach nicht lustig. Selbst Comedy-Mastermind Chuck Lorre hat mit «B Positive» und «United State of Al» zwei Rohrkrepierer geboren, dabei war der Unternehmer mit «Roseanne», «Cybill», «Dharma & Greg», «Two and a half Men» und «The Big Bang Theory» sehr lange dick im Geschäft. Auch andere Serien wie «Mike & Molly», «Mom» und «Young Sheldon» gingen auf sein Konto.

Obwohl die große Sitcom-Welle schon lange vorbei ist, hält ProSieben eisern daran fest. Das führt aber zu wirklich enttäuschenden Reichweiten im Daytime-Programm: Nur etwa 150.000 Menschen schalteten von Montag bis Freitag von früh bis 17.00 Uhr ein. Die Sitcoms, die der Sender seit Jahren stetig wiederholt, können auf den vielen Streamingdienst ebenso angeschaut werden. Man kann sagen: ProSieben ist zwischen im Tagesprogramm eine Abspielstation von alter Ware.

ProSieben möchte weder eine neue Programmfarbe vor «taff» testen, wie es mit den zahlreichen jungendaffinen Dramen möglich ist. Beispielsweise könnte man auch drei Slots mit Formaten wie «Chuck», «Shameless» und «Hart of Dixie» belegen. Das «Vampire Diaries»-Franchise könnte dort genauso eine Heimat finden wie das «Arrow»-Universum. Mit dem Beginn des Boulevardmagazins steigen schließlich die Reichweiten an, demzufolge muss das ewige «Big Bang Theory»-Wiederholungen enden.

Chef des Senders, Daniel Rosemann, möchte den Fernsehsender weiterhin als junges Medium positionieren. Da ist es auch nicht unbedingt klug, die gesamte VOX-Strategie zu kopieren und eine Doku über Hochzeitskleider, ein Bewertungsformat über Kindererziehung oder eine Vorabendkochshow zu Hause zu starten. Dieses Genre bespielen die Kölner schon sehr originell. Auch wenn nach dem Ende von «4 Hochzeiten und eine Traumreise» ein reines Hochzeitsformat fehlt, sollte man nicht auf die Idee kommen, dies zu starten. VOX hat im Juli ProSieben überholt, die Lösung sind allerdings nicht auf Kölner Themen zu setzen.

Positiv zu bewerten ist auch die wöchentliche Einstellung von «red.», denn schließlich war das Format nie ein wirklicher Volltreffer. Ob im Anschluss von «The Masked Singer» und «Germanys Next Topmodel» der rote Stern auf Sendung geht, oder einfach eine Aftershow-Party, ist dem Zuschauer tatsächlich egal. Das Aftershow-«red!» hat inhaltlich nichts mit den normalen Ausgaben gemeinsam. Somit muss man festhalten, dass man in Unterföhring an den Kosten sparen möchte. Man kann also nicht darauf bauen, dass man ein ähnliches Magazin am Samstagvorabend startet. Warum man bis heute nur Reruns am Samstagvorabend laufen lässt, ist ebenso ein Rätsel.

Anfang des Jahrtausends hat es wunderbar funktioniert, dass man die Highlights von Talkshows zusammen packt und daraus eben «talk talk talk» machte. Eine Reality-Show-Version dieser Vorabendsendung ist nicht möglich? Das würde dem Sender vielleicht einmal wieder zu mehr Profil verhelfen und die Samstagabendshows noch ein wenig Schwung geben.

Prinzipiell muss ProSieben wieder mehr verschiedenes Programm produzieren – und schließlich das auch bewerben. Es fehlen Comedy-Formate, die man früher mit dem Sender verband. Man hat damals zahlreiche Formate ausprobiert. Neben Erkan & Stefan hatten auch Elton und Oliver Pocher Formate, die um 23.15 Uhr ausgestrahlt wurden. Eine Art «Quatsch Comedy Club» mit zahlreichen Komikern zu produzieren, sollte auch nicht besonders teuer sein. Wenn um 23.00 Uhr die Menschen schon nicht einschalten, dann eben am Wochenende-Vorabend. Sat.1 fährt ja mit «Bitte melde dich!» immer noch zweieinhalb Millionen Zuschauer ein.

Bei den Gesamtzuschauern verliert die rote Sieben weiterhin an Zustimmung und landet immer näher in den Regionen von Minisendern wie RTLup oder ZDFneo. Bei den Werberelevanten geht es seit Jahren leicht bergab. Heute sind schon Sendungen erfolgreich, die eine Acht vor dem Komma stehen haben. ProSieben muss endlich seinen Unique-Selling-Point neu erfinden, denn die unzähligen Sitcoms vor 17 Uhr werden den Sender noch in die Bedeutungslosigkeit stürzen. Das Erste hat Telenovelas, das ZDF einen bunten Mix aus Kochen, Verkaufen und Krimi, RTL hat die Gerichtsshows für sein Publikum entdeckt, VOX sendet «Shopping Queen» und Co. und Kabel Eins beansprucht US-Krimis für sich. Vielleicht sollten die zahlreichen Fernsehmacher aus Unterföhring ins Ausland schauen und dort für sich Sendungen entdecken, die dort beim Publikum ankommen. In Spanien läuft beispielsweise am späten Abend die türkische Version von «The Good Doctor» recht erfolgreich.

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