
Am Freitag startete «Madea's Destination Wedding» bei Netflix. Perry steht wie kein zweiter für eine Fließbandproduktion von Serien und Filmen, die regelmäßig aus Kritikersicht durchfallen. Ob «The Oval», «Sistas» oder «A Fall from Grace» – seine Werke sind geprägt von vorhersehbaren Plots, absurden Twists, billigem Look und einem inszenatorischen Schlendrian, der mittlerweile sein Markenzeichen zu sein scheint. Dass Perry fast immer allein schreibt und Regie führt, ist nicht Ausdruck kreativer Stärke, sondern ein Zeichen mangelnder redaktioneller Kontrolle. In Hollywood würde man sagen: „No notes taken“ – und genau das ist das Problem.

Noch eklatanter zeigt sich das Problem bei BET+, Perrys faktischer Spielwiese. Der Streamingdienst ist inhaltlich zur Ein-Mann-Veranstaltung verkommen. Andere Stimmen? Kaum vorhanden. Frische Perspektiven? Fehlanzeige. Was einst als Plattform für afroamerikanisches Storytelling angekündigt wurde, verkommt zunehmend zur Endlosschleife aus klischierten Familienintrigen und schreienden Pastorengattinnen. Perrys Handschrift ist überall – und sie ist leider selten inspirierend.
Doch das Problem ist größer als Perry. Auch OWN (Oprah Winfreys Sender, inzwischen unter dem Dach von Warner Bros. Discovery) oder Disneys Onyx Collective stoßen sich an einem strukturellen Missverständnis: Repräsentation alleine reicht nicht. Nur weil ein Projekt von Schwarzen für Schwarze gemacht ist, heißt das nicht, dass es automatisch gut ist. Qualität braucht Vielfalt, Redaktion, Kritik – und den Mut, mehr zuzulassen als das immer gleiche moralische Erbauungsdrama.
Gerade Onyx Collective, das sich als progressives Kreativ-Label positioniert, schwankt zwischen künstlerischem Anspruch und austauschbarer Streamingkost. Produktionen wie «Reasonable Doubt» oder «Unprisoned» wollen edgy sein, wirken aber oft formelhaft und glattgebügelt. Der Wunsch nach Repräsentation wird hier zur Formel, nicht zur kreativen Freiheit. Warum aber bekommt Perry immer wieder neue Verträge? Warum geben ihm Netflix, Paramount und Co. so viel Raum, obwohl die Kritiken verheerend sind? Die Antwort ist simpel: Es funktioniert. Perrys Inhalte erreichen ihr Zielpublikum, generieren hohe Nutzungszahlen und bedienen ein Segment, das in der Branche lange unterversorgt war. Doch die Industrie droht, genau dieses Publikum zu unterschätzen – indem man ihm keine Auswahl lässt.
Dabei gäbe es Alternativen: Jordan Peele, Barry Jenkins, Michaela Coel, Boots Riley – sie alle zeigen, dass schwarze Geschichten nicht eindimensional, nicht klamaukhaft und nicht zwangsläufig moralinsauer sein müssen. Aber sie bekommen nicht annähernd die industrielle Durchschlagskraft, die Perry besitzt. Die Folge: eine mediale Schieflage, die kulturelle Vielfalt predigt, aber kreative Einfalt produziert.
Tyler Perry ist ein Phänomen – aber kein künstlerisches. Er steht sinnbildlich für ein System, das kommerziellen Erfolg über kreative Tiefe stellt. Wer nur auf die Zahlen schaut, wird in ihm den Vorzeigeproduzenten sehen. Wer auf die Inhalte schaut, erkennt eine kreative Sackgasse. Und wer afroamerikanisches Storytelling wirklich fördern will, sollte damit anfangen, auch bei BET, OWN und Onyx endlich wieder Qualität zu verlangen – nicht nur Quote.
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