Interview

„Wir sind stolz auf unsere Vielstimmigkeit“ – 60 Jahre POLYPHON

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Zum 60-jährigen Bestehen von POLYPHON blicken Beatrice Kramm und Christoph Bicker auf eine bewegte Firmengeschichte, zeitlose Klassiker und mutige Neuanfänge – und verraten, woran sie gerade arbeiten.

Frau Kramm, Herr Bicker, 60 Jahre Polyphon – wenn Sie auf die bewegte Geschichte des Unternehmens blicken: Worauf sind Sie persönlich am meisten stolz?
Beatrice Kramm: Ich bin vor fast 30 Jahren in das damals noch recht patriarchalisch geprägte quasi Familienunternehmen eingestiegen. Heute sind wir ein ganz anderes Unternehmen, wir arbeiten anders und gehen anders miteinander um, sowohl intern als auch im Verhältnis zu unseren Kunden. Was gleich geblieben ist, ist unsere Leidenschaft für unsere Projekte, mit denen wir ein großes Publikum erreichen und begeistern wollen.

Christoph Bicker: Wir haben für das Jubiläum all unsere Produktion der 60 Jahr zusammengetragen, das ist schon ein unglaublicher Output an ganz unterschiedlichen Programmen. POLYPHON wird trägt ja die Vielstimmigkeit im Namen, das trifft es eigentlich sehr gut.

Mit Formaten wie «Die Schwarzwaldklinik» oder «Das Traumschiff» hat Polyphon Fernsehgeschichte geschrieben. Was war aus heutiger Sicht das Geheimnis ihres Erfolgs?
Christoph Bicker: Fairerweise muss man zuerst sagen, dass beide Formate vom genialen Wolfgang Rademann erschaffen worden sind. Wir gucken also vom heutigen Standpunkt zurück.
«Die Schwarzwaldklinik», ist ein Produkt ihrer Zeit und hat einen unglaublichen Hype ausgelöst. Das Klinikgebäude gab es als Bausatz für die Modelleisenbahn, das Glottertal wurde zwei Jahrzehnte von Touristen überschwemmt. «Die Schwarzwaldklinik» ist jüngst erst bei ZDFneo sehr erfolgreich wiederholt worden und mit über 80 Territorien immer noch eines der am besten weltweiten verkauften deutschen Formate.

Beatrice Kramm: «Das Traumschiff» wird im November 45 Jahre alt. Das Format hat über die Jahrzehnte immer wieder viele Veränderungen erfahren. Es wurde und wird kontinuierlich modernisiert: wechselnde Schiffe, die Besetzung der Crew und natürlich erzählen wir heute auch andere Geschichten. Schon Wolfgang Rademann entwickelte das Format über 35 Jahre immer weiter, ich habe diese Entwicklung fortgesetzt und die Modernisierung vielleicht etwas noch konsequenter betrieben. Nur deswegen hat das Format heute noch Bestand und liegt übrigens grade bei den jüngeren Zuschauern, linear und non linear weit über dem ZDF-Schnitt. «Traumschiff» ist kein Fernsehen für alte Menschen, auch wenn sich dieses Gerücht hartnäckig hält.

Sie haben sich als Firma immer wieder neu erfunden – zuletzt mit ernsteren Formaten wie «Die Toten von Marnow». Wie wichtig ist Wandel für Polyphon?
Beatrice Kramm: Man sagt, dass einzig beständige ist der Wandel. Und so ist es dann auch. Aber ich würde nicht sagen, die POLYPHON hat sich neu erfunden – im Gegenteil. Wir sind kontinuierlich unseren Weg weiter gegangen und haben unser Portfolio immer wieder ergänzt.

Welches Projekt aus sechs Jahrzehnten ist für Sie persönlich das emotionalste – und warum?
Beatrice Kramm: Das kann ich nicht sagen. Vielleicht war es meine erste Serie «Helicops-Einsatz über Berlin» (1996). Aber in Wirklichkeit liebe ich alle meine Projekte gleich. Es ist wie bei den eigenen Kindern – wer will da schon priorisieren?

Christoph Bicker: Für mich persönlich sind es in „meinen 28 Jahren” POLYPHON Jahren die «Stubbe»-Reihe gewesen, und die Zusammenarbeit mit Wolfgang Stumph, das ist natürlich eine sehr persönliche Sicht.

«Doctor’s Diary», «Fritzie», «Pfarrer Braun» – Ihre Serien hatten immer auch gesellschaftliche Themen. Wie stark beeinflusst das Zeitgeschehen Ihre Stoffwahl?
Beatrice Kramm: Bei dieser Aufzählung würde mir noch «Magda macht das schon» und «Familie Braun» einfallen. Inhaltlich werden alle lang laufenden Projekte vom Zeitgeist und Zeitgeschehen beeinflusst – die Veränderung der Gesellschaft führt zur Veränderung bei den Drehbüchern, bei der Gestaltung, beim Kostüm - ohne die Veränderung würden Projekte sehr schnell “alt” wirken

Wie hat sich die Zusammenarbeit mit den Sendern über die Jahrzehnte verändert – Stichwort Streaming, Mediatheken, neue Plattformen?
Christoph Bicker: Alles geht schneller und dabei gleichzeitig langsamer, natürlich arbeiten wir heute schneller und direkter, das erleichtert den Austausch ungemein. Parallel dazu sind die Entscheidungsfindungen mitunter aber viel langsamer, der schnelle Handschlag ist ausgestorben.

Zu Streaming und Plattformen: Klar ist, dass unsere Zuschauer schon seit Jahren alle Programme linear und non-linear sehen können, und klar ist auch dass die Definition von Erfolg komplexer geworden ist, es ist eben nicht mehr ausschließlich die Quote des Abends zuvor.

Was macht für Sie eine „typische“ Polyphon-Produktion aus – gibt es überhaupt so etwas?
Beatrice Kramm: Es gibt keine keine typischen POLYPHON-Produktion. Wir machen alles von Premium-Serie bis Kinderserie, von Krimi bis Liebesfilm. Wir sind stolz auf unsere Vielfallt. Unsere international am höchsten ausgezeichnete Produktion «Familie Braun» ist vielleicht das beste Beispiel für die Vielstimmigkeit, Polyphonie.

Bei so viel Tradition: Wie schaffen Sie es, auch neue, jüngere Talente vor und hinter der Kamera zu fördern?
Christoph Bicker: Die Tradition ist keine Bürde, interessanterweise kommen im Moment viele junge Talente zu uns, die mit unseren Formaten aufgewachsen sind, für die Tradition und Zukunft kein Widerspruch ist.

Was können wir von Polyphon in den kommenden Jahren erwarten – gibt es neue Projekte, auf die Sie besonders gespannt sind?
Beatrice Kramm: Wir starten in diesem Herbst eine neue Reihe für das ZDF in Österreich, drehen seit langem mal wieder in Griechenland und ich sitze mit Kollegen und dem NDR an der 3. Staffel der «Toten von Marnow», langweilig wird uns nicht.

Zum Schluss ganz persönlich: Wenn Sie sich ein Projekt frei wünschen dürften – ganz ohne Kompromisse – welches Thema würden Sie gern angehen?
Beatrice Kramm: Ich liebe es, zu lachen. Daher denke ich gerade wieder intensiv über das Thema Comedy nach. Das Thema suche ich noch.

Christoph Bicker: Es gibt immer noch Teile unserer deutschen Geschichte, die nicht adäquat erzählt sind; der Reiz liegt darin, Vergangenes zu erzählen und trotzdem heutig zu sein, an so einem Thema sitzen wir grade.

Haben Sie sich geärgert, dass Sie bestimmte Stoffe nie umsetzen konnten?
Beatrice Kramm: Jedes Projekt wird mit Herzblut und Enthusiasmus entwickelt. Daher geht jede Absage aufs Gemüt und manchmal ärgert man sich, weil man sich unverstanden fühlt. Mit der Perspektive “Zukunft” ist ein Stoff bzw. ein Thema allerdings nie ganz erledigt. Manchmal nur aufgeschoben, manchmal wichtig als Inspiration für ein neues Projekt.

Vielen Dank für Ihre Zeit!

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