Debatte

Nicht nachmachen: «Nicht nachmachen!»

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Eine modifizierte Variante ohne Hoëcker und Boning? - Ein Experiment, das man lieber lassen sollte. Glaubt zumindest Mario Thunert.

Heute hat das ZDF die Rückkehr eines Kult-Formats verkündet: Im Sauerland finden derzeit die Dreharbeiten zur dritten Staffel des Unterhaltungs-Factuals «Nicht nachmachen!» statt. Nach 13 Jahren lässt das ZDF für ZDFneo vier neue Folgen des beliebten Formates produzieren. Ein wirklicher Grund zur Freude ist dieser Umstand für Fans dennoch nicht. Denn es gibt einen Haken an der Sache: Das alles findet ohne die zwei elementarsten Teile statt - Wigald Boning und Bernhard Hoëcker. In dieser Weise droht das Revival im Gegenteil eher zum Ärgernis zu werden, kommentiert Mario Thunert.

Warum? - Nicht weil der neue Cast bestehend aus dem Trio Mai Thi Nguyen-Kim, Lutz van der Horst und Fabian Köster sich aus drei Unsympathen zusammensetzen würde, nein. Vielmehr weil die Ursprungsbesetzung eben mehr war als eine Besetzung - sie war das Format. Sie war und ist dessen Identität per se. Man kann sogar soweit gehen, dass dies eine Identität ist, die man nicht verlagern oder neu vergeben kann und sollte.

In diesem Sinne ist der Name, das Label «Nicht nachmachen!» 'bloß' eine Art Chiffre für das, was sich dahinter verbirgt: Die Kombination Hoëcker und Boning. Für viele wurde diese Kult-Marke erst nachträglich zu dem, was dann ihr Feeling prägte. Nämlich das, was Boning und Hoëcker zusammen in ihrer jeweils speziellen Veranlagung und Art hervorgebracht, oder eben niedergebrannt haben. Genauer gesagt waren es zwei Junggebliebene mit Neugier, Wissensdrang aber auch Zerstörungsfreude, die in ihrer Kindheit tragischer Weise nie aufeinandertrafen, diese längst überfällige Verabredung zum Spielen aber nun doch endlich nachholen konnten - unter Beobachtung der Zuschauenden.

Was als Charakter der beiden von 2012-2013 ausgestrahlten Staffeln folglich zu erkennen war, war etwas, das in ihrem Verlauf, ja in ihrem Prozess erst zustande kam. Es war das experimentelle Entdecken einer verspielten Jugendkameradschaft, einer Art Bromance im Erwachsenenalter (ob nun medial inszeniert oder nicht - der Effekt zählt). Damit bediente die Kombination dieses Duos etwas, das Vielen in Zeiten des rationalen Bildungssystems und industriellen Kapitalismus verwehrt scheint: Die Auslebung von Kindlichkeit, von Herumlungerei und Streunertum in Verbindung mit affektiv lustgetriebener Destruktivität im morbiden Zwielicht der von Bäumen getarnten Ruine.

Ein wesentlicher, gar unabdingbar essentieller Triebkern skizzierter regressiver Freundschaftsmechanismen ist aber eben ihre genuine und individuelle Besonderheit, deren (vermeintliche) Einzigartigkeit als Bindemittel gerade zwischen diesen beiden Personen liegt, und NUR zwischen genau diesen beiden liegen kann. In exakt diese Bubble tauchten die Zuschauenden in der Sendung als Beobachtende ein, was dann emotional zu der phonetischen Verbalisierung "Nicht nachmachen!" gerierte.

Der Aufbau der Experimente, die Strukturen und Mechanismen von Wirkweisen, sowie die letztliche Konsequenz ihrer Durchführung haben sicher das Grundinteresse an dem Format verstärkt, letztlich waren sie aber nur der Rahmen in dem vor allem eines raumgriff: Kindergeburtstag. Auch wenn Mai Thi Nguyen-Kim sicher eine frische Art und vor allem hohe fachliche Expertise mitbringt, darf bezweifelt werden, dass ihre zuweilen dann doch kühlige Intellektualisierung dem infantilen Spieltrieb der Vorgänger-Runden entspricht. Ähnliches gilt für Lutz van der Horst und Fabian Köster, die zwar schon eher einen Schalk im Nacken mitbringen, der bisher aber eher mit politischer Bissigkeit und satirischer Pointiertheit in Verbindung stand. Das Wesen von «Nicht nachmachen!» war und ist jedoch, dass zwei verpeilte (intelligente) Typen von Grund auf Quatschmacher sind und ob eines glücklichen Zufalls auch noch einen ausgeprägten Wissensdurst mitbringen. Diesen Charakter können dementsprechend auch nur Boning und Hoëcker im Zusammenspiel so bedienen.

Wie fällt nun die Aussicht auf die Fortsetzung dieses Unterfangens aus, das sich vornimmt «Nicht nachmachen!» nachzumachen? Nun, die Vergangenheit hält massig Beispiele parat, die ein Scheitern von Marken markieren, die von ihren prägenden Köpfen entkoppelt wurden: «Die 100.000 Mark Show» mit Franklin oder Bause statt Kock am Brink hat nicht funktioniert. «Der Preis ist heiß» mit Geissen statt Wijnvoord ebenso nicht. «Das Familienduell» mit Hartwich statt Schulze-Erdel hielt nur kurz durch. «Der Lehrer» ohne Hendrik Duryn? - nach einer Staffel eingestellt. «Der Restauranttester» ohne Rach? - hat gleich zwei Fehlversuche auf dem Buckel. «Comedystreet» mit Sprünken und Gianni? - hört man nichts mehr von. Auch beim ZDF selbst kann man ein Lied davon singen, wie alles den Bach runter ging, als man stark mit Personen verwachsene Marken mit neuen Namen weiterführte - «Wetten, dass..?» mit Markus Lanz, aber auch «Dalli, Dalli» mit Andreas Türck sind krachend abgesoffen.

Sicherlich gibt es mit «TV Total» und Sebastian Pufpaff ein erfolgreiches Gegen-Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit, das man als Konterargument anführen könnte. Allerdings nimmt dies insofern eine Sonderstellung ein, als das Stefan Raab sich im Verlauf der Jahrzehnte selbst von seiner Erfindung entwöhnte und offenkundige Amtsmüdigkeit zur Schau trug. Hier war es also ein schleichender beobachtbarer Scheidungsprozess, der die frühere Symbiose auch für die Fans verblassen ließ. Mit Bezug zu «Nicht nachmachen!» ist es aber eher umgekehrt so, dass das Duo Hoëcker/Boning seinen absoluten Crush erst nach der Einstellung auf YouTube und mit Wiederholungen auf Neo erreichte. Damit handelt es sich folglich um eine intakte gefeierte Verbindung, deren Stilllegung Bedauern auslöst. Im Gegenzug kann ein Entreißen ihres Babys nur Bad Feelings auslösen.

«Nicht nachmachen!» ohne Wigald Boning und Bernhard Hoëcker sollte man nicht nachmachen.

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