Debatte

Kultur fördern heißt auch senden!

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Während ARD und ZDF seit Jahrzehnten stolz darauf verweisen, die größten Förderer des deutschen Films zu sein, zeigt ein Blick ins Programm ein anderes Bild. Viele Kinoproduktionen, die mit Millionenbeträgen aus Beitragsgeldern realisiert werden, verschwinden später im Nachtprogramm. Ein Kommentar von Fabian Riedner.

Die öffentlich-rechtlichen Sender rühmen sich seit Jahrzehnten als wichtigste Stütze des deutschen Films. ARD und ZDF investieren jedes Jahr Millionenbeträge in Produktionen, ohne deren Unterstützung viele Werke niemals gedreht würden. Doch bei aller berechtigten Anerkennung für diese Rolle zeigt sich ein eklatantes Missverhältnis: Die Free-TV-Premieren dieser Filme landen regelmäßig tief in der Nacht – weit entfernt von der Sendezeit, in der man kulturell relevante Werke auch tatsächlich einem größeren Publikum präsentieren könnte. Für die Hauptsendezeit wird zusätzlich Material produziert, das dann für hohe Reichweiten sorgen soll.

Ein Blick ins Erste reicht, um das Problem klar zu erkennen. Am 7. Juli 2025 lief «When fucking Spring is in the Air» um 00:01 Uhr. Eingeschaltet haben gerade einmal 180.000 Menschen ab drei Jahren, was einem Marktanteil von 3,7 Prozent entsprach. In der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen waren es nur 40.000 Zuschauer, 3,3 Prozent Marktanteil. Ganz ähnlich verhielt es sich mit «Am Ende der Worte» (00:05 Uhr, 210.000 Zuschauer gesamt, 2,9 % bei den Jungen) oder «Niemand ist bei den Kälbern» (00:11 Uhr, 330.000 Zuschauer gesamt, 5,7 % bei den Jungen). Werke wie «Windstill» (23:42 Uhr), «Bulldog» (23:37 Uhr), «Trübe Wolken» (00:12 Uhr) oder «Dead Girls Dancing» (00:11 Uhr) wurden ebenso tief im Spätabend versendet – allesamt mit Reichweiten im Bereich von 250.000 bis 360.000 Zuschauern.

Diese Zahlen belegen eindrücklich: Wer seine Filme nach Mitternacht zeigt, entzieht ihnen jede Chance auf Sichtbarkeit. Denn während Krimireihen wie «Tatort», «Polizeiruf 110» oder die ARD-Donnerstagskrimis regelmäßig in der Primetime platziert werden und dort millionenschwere Marketingkampagnen erhalten, behandelt man Kinoproduktionen wie unliebsame Pflichtaufgaben. Der symbolische Wert des 20:15-Slots darf dabei nicht unterschätzt werden. Was dort läuft, ist automatisch Thema in Medien und Gesellschaft. Was aber erst um 0:10 Uhr beginnt, findet nur noch in Nischen statt. Seit mehreren Jahren sendet Das Erste im Sommer schon Kino-Produktionen, die mehr Mainstream abdecken und fährt damit tolle Werte ein.

Umso widersprüchlicher wirkt es, wenn gleichzeitig Kulturstaatsminister Wolfram Weimer jüngst eine Erhöhung der Filmförderung ins Spiel brachte. Noch mehr Geld, obwohl die bereits geförderten Filme in der Regel nicht einmal eine faire Chance im linearen Programm erhalten? Der Ruf nach höheren Budgets erweckt den Eindruck, dass Probleme einfach mit weiteren Millionen übergossen werden sollen – anstatt die vorhandenen Mittel effizienter und vor allem sichtbarer einzusetzen.

Es ist ja nicht so, dass ARD und ZDF generell zu wenig Geld hätten, um Inhalte groß zu präsentieren. Im Gegenteil: Für ihre Primetime investieren die Sender Jahr für Jahr weitere Millionen – in große Event-Krimis, Mehrteiler oder internationale Koproduktionen. Das bedeutet: Auf der einen Seite finanzieren die Anstalten Filme für die große Leinwand, die anschließend im Nachtprogramm versendet werden. Auf der anderen Seite geben sie noch einmal riesige Summen für 20:15-Uhr-Produktionen aus. Das Resultat ist eine Überproduktion, die sich in endlosen Krimireihen und einer fast unsichtbaren Kinokultur äußert.

Die Lösung läge eigentlich auf der Hand: Statt die Filmförderung weiter aufzublähen, sollte man die geförderten Produktionen selbstbewusst ins Zentrum rücken. Ein fester Sendeplatz für Kinopremieren zur besten Sendezeit – etwa einmal im Monat – wäre ein klares Signal. Selbst wenn die Quoten hinter den Krimi-Erfolgen zurückbleiben, würden die Filme endlich jene Aufmerksamkeit erhalten, die ihnen gebührt. Schließlich geht es bei öffentlich-rechtlichen Sendern nicht allein um Reichweiten, sondern um kulturelle Vielfalt und den Auftrag, die deutsche Filmkunst sichtbar zu machen.

Solange allerdings Werke wie «Dead Girls Dancing» oder «Trübe Wolken» erst nach Mitternacht laufen, bleibt die Kritik bestehen: ARD und ZDF fördern zwar Filme mit Millionenbeträgen, verstecken sie dann aber vor dem eigenen Publikum. Gleichzeitig wird weiter nach höheren Budgets gerufen. Damit läuft die Branche Gefahr, sich in immer mehr Inhalten zu ertränken – während die Sichtbarkeit der geförderten Filme gegen null geht. Das ist nicht nur ineffizient, sondern auch kulturpolitisch kurzsichtig.

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