Zuallererst Dankbarkeit. Ich durfte diesen Film mit fantastischen Menschen vor und hinter der Kamera realisieren, und das - auch wegen der fehlenden Förderung - vor allem mit viel Herzblut und einem großen Vertrauensvorschuss. Dass ein Team so an einem Strang zieht, weil es an ein Projekt glaubt, ist natürlich auch ein riesiges Kompliment für meine Arbeit. Und dass das Ergebnis dann auch noch beim Publikum gut ankommt, ist das Sahnehäubchen. Druck fürs nächste Projekt sehe ich weniger.
Natürlich möchte man es beim zweiten Mal nicht schlechter machen, aber ich sehe auch in «Exit Berlin» großes Potenzial und freue mich, daran arbeiten zu dürfen.
Ihr neues Projekt trägt den Titel «Exit Berlin». Worum geht es inhaltlich - und was macht diesen Thriller für Sie persönlich besonders?
In dem Film geht es um Lea, eine junge Frau, die es geschafft hat, sich aus einer missbräuchlichen Beziehung zu befreien und bei ihrer Flucht im Taxi von Uwe landet, der sie von Berlin nach Hamburg fahren soll. Während der Fahrt lernen die zwei sich - zuerst widerwillig - kennen und wir erfahren viel über die Vergangenheit der beiden und wie diese Flucht vielleicht für jeden einen Neuanfang darstellen kann.
Meine Idee beim Schreiben des Drehbuchs war eine Geschichte mit Tiefe, mit teilweise philosophischen Ansätzen zu erzählen, die dem Zuschauer die Zeit gibt, ihre Figuren kennenzulernen - aber ohne dabei die essenziellen Elemente eines Thrillers wie Action, Geschwindigkeit und Spannung zu verlieren.
Mit Pia Trümper haben Sie die Hauptrolle besetzt - bekannt aus «Berlin - Tag & Nacht». Wie kam es zur Zusammenarbeit, und wie erleben > Sie sie in ihrer ersten Kino-Hauptrolle?
Tatsächlich war Pia sozusagen der Ursprung von «Exit Berlin». Ich bin auf Instagram auf sie gestoßen, zu diesem Zeitpunkt wusste ich zwar, dass sie Schauspielerin ist, aber nicht, dass sie bei «Berlin - Tag & Nacht» ist. Ich habe sie gesehen und hatte sofort ein Bild im Kopf, wie sie nachts in Berlin, nass vom Regen und hektisch in ein Taxi springt und ganz schnell irgendwo hin muss. Daraus entwickelte sich schließlich die ganze Idee. Das - wenn man so möchte - Schicksalhafte an der ganzen Zusammenarbeit ist aber, dass ich Pia zunächst nicht erreichen konnte, weder direkt noch über ihre damalige Agentur. Irgendwann habe ich mit Torsten Gränzer, der für mich ebenfalls sehr schnell als perfekte Besetzung für den Taxifahrer feststand, über die Idee und auch über Pia gesprochen. Dabei stellte sich dann heraus, dass Pias Vater einer von Torstens besten Freunden ist. Zehn Minuten später hatte ich Pia am Telefon und eine halbe Stunde später war sie mit an Bord.
Als ich sie schließlich beim Dreh des "Look & Feel" Teasers zum ersten Mal vor der Kamera und in der Rolle von Lea erlebt habe, war ich mehr als überzeugt von meinem Bauchgefühl. Pia ist unglaublich talentiert, authentisch und - was mir schon immer am Wichtigsten war - ehrlich in ihrem Spiel. Die Chemie zwischen ihr und Torsten ist genau das, wovon "Exit Berlin" lebt.
Gemeinsam mit dem Musiker Torsten Gränzer realisieren Sie das > Projekt. Welche kreative Rolle spielt er, und wie ergänzen sich Ihre > beiden Perspektiven im Entstehungsprozess?
Ich habe Torsten, der neben der Musik auch Schauspieler ist, beim Dreh von «Hundswut» kennengelernt, wo er als Statist dabei war. Wir mochten uns auf Anhieb und haben etwas später einen Kurzfilm namens «Senbazuru» realisiert, dessen Grundidee von Torsten stammte. Bei dieser Zusammenarbeit haben wir gemerkt, dass wir eine sehr ähnliche Art zu erzählen haben und auf sehr ähnliche Dinge Wert legen. So kam die Idee auch bei "Exit Berlin" schon in diesem frühen Stadium zusammenarbeiten.
Letztendlich hat es sich, auch zusammen mit Pia, zu einer Art "Jamsession" entwickelt. Die beiden haben sich viel mit ihren Figuren beschäftigt und ich habe einige ihrer Ideen in das Drehbuch einfließen lassen.
Auch bei «Exit Berlin» wollen Sie auf Filmförderung verzichten. Warum halten Sie konsequent an diesem Weg fest - trotz aller Hürden?
Je mehr ich im Filmbereich unterwegs bin, desto mehr stelle ich fest, dass die beiden Begriffe "Kunst" und "Unterhaltung" extrem gegensätzlich verwendet werden. Ich aber denke, dass man auch Filme machen kann, die ein breites Publikum erreichen und kommerziell erfolgreich sind, ohne den künstlerischen Anspruch zu verlieren. «Hundswut» ist ein historischer Film, der düster und brutal ist, in bayerischem Dialekt gedreht und weder einen großen Verleih, noch massives Marketing hatte. Trotzdem haben wir es geschafft, vom Bodensee bis Berlin damit ein großes Publikum zu erreichen. Leider funktionieren die meisten Filmförderungen aber nicht so. Wenn man an keiner Filmhochschule war oder nicht schon lange vor Drehstart einen Verleih, eine Senderbeteiligung und im Idealfall einen Weltvertrieb vorweisen kann, fällt man schnell durchs Raster.
Sie haben einmal gesagt, dass Förderungen oft auf Nummer sicher gehen. Wo sehen Sie die größten kreativen Einschränkungen im > klassischen Fördersystem?
Förderungen sind ja in der Regel eigentlich Darlehen, die man ab einem gewissen Einspielergebnis zurückzahlen muss. Daher sind die Förderanstalten natürlich daran interessiert, solche Filme zu fördern, bei denen das wahrscheinlicher ist. Und dann landet das Geld eben bei der vierten Fortsetzung, der nächsten Komödie mit vertrauter Besetzung oder bei einer Multimillionen Hollywood-Produktion. Originelle Stoffe, Filme, die sich etwas trauen, die nicht auf maximalen Profit und die breitestmögliche Zielgruppe gepolt sind, gehen dann leer aus. Wirtschaftlich ist das absolut nachvollziehbar, künstlerisch ist es aber eine Katastrophe. Denn genau dadurch festigt sich der seit Jahrzehnten vorherrschende Gedanke, deutsche Filme wären einerseits minderwertig und andererseits immer wieder dasselbe, noch weiter. Ich glaube, man darf dem Publikum durchaus mehr zutrauen, als es aktuell der Fall ist. Aber natürlich können sich die Menschen nur das anschauen, was ihnen auch gezeigt wird.
Wie gelingt es Ihnen trotzdem, Schauspielgrößen, Produktionspartner und Publikum für Ihre Projekte zu begeistern - trotz geringem Budget?
Bei den Schauspielenden, wenn ich den Rückmeldungen glauben darf: Ein gutes Drehbuch. Gerade bei «Hundswut» durfte ich ja teilweise mit Menschen arbeiten, die seit Jahrzehnten vor der Kamera stehen und sich ihre Projekte danach aussuchen können, ob sie sie begeistern und der Stoff für sie eine Herausforderung darstellt. Wenn sie dann so eine Rolle angeboten bekommen, mit der sie vielleicht sogar eine "Schublade", in der sie vermeintlich stecken, wieder verlassen dürfen, sind sie mit Herzblut dabei.
Was das Publikum betrifft, da gehe ich beim Schreiben immer von mir selbst aus. Ich versuche, einen Film zu drehen, den ich selbst gerne sehen würde, der im Idealfall anders ist als das, was es schon gibt. Das ist immer ein Risiko, ich wage zu behaupten, es hat noch nie jemand absichtlich einen schlechten Film gemacht. Offenbar gibt es genügend Menschen im Kino, die meine Vorliebe teilen und denen meine Geschichten gefallen. Das gibt mir natürlich den Mut, damit weiterzumachen.
Der Look-&-Feel-Trailer ist bereits produziert. Wie wichtig ist dieses Instrument für Independent-Filme in der Finanzierungs- und Produktionsphase?
So etwas ist extrem wichtig. Wenn man sich innerhalb der Branche bewegt, können die meisten mit einem Exposé, einer ersten Drehbuchfassung oder einer kleinen Visualisierung viel anfangen. Gerade wenn man aber, wie ich, versucht, Investoren von außerhalb zu begeistern, möchte man natürlich möglichst genau zeigen können, was man vor hat. Und gerade wenn man eben nicht versucht, einen Film zu machen, der "so wie ein schon existierender“ ist, hilft so ein Trailer sehr. Man hat die Möglichkeit, nicht nur Pia und Torsten in ihren Rollen zu sehen, sondern bekommt auch eine Vorstellung von der Inszenierung, der Lichtgestaltung und dem Look. So fällt es leichter herauszufinden, ob es ein Projekt ist, in dem man sich sieht und das man unterstützen möchte.
In Ihren Arbeiten geht es oft um gesellschaftliche Themen - bei «Exit Berlin» etwa um Gewalt, Flucht und Identitätsfindung. Was reizt Sie daran, solche komplexen Themen filmisch zu erzählen?
Ich mag es - auch als Zuschauer - wenn man den Kinosaal verlässt und etwas hängen bleibt. Wenn man danach darüber nachdenkt, sich mit seinen Freunden darüber unterhält, dann hat das für mich einen größeren Wert als zwei Stunden Berieselung, die man sofort wieder vergisst. Ich bin niemand, der mit dem Anspruch an eine Idee geht, dem Publikum eine Lektion zu erteilen. Ich erzähle Geschichten, und natürlich beinhalten diese Geschichten bestimmte moralische, gesellschaftliche und auch politische Standpunkte, einfach weil das Themen sind, die mich persönlich beschäftigen. Aber ich möchte nicht mit erhobenem Zeigefinger erzählen. Wenn jemand aus meinen Filmen etwas mitnimmt, dann freut mich das. Wenn er aber einfach einen guten Film gesehen hat, ist das nicht schlechter.
Wo möchten Sie mit «Exit Berlin» hin - künstlerisch, thematisch, aber auch ganz konkret? Kino, Festivals, Streaming? Und was wünschen Sie sich von Publikum und Branche?
Für mich ist die Königsdisziplin immer noch das Kino, und wird es auch für immer bleiben. Es gibt kein schöneres Gefühl, als eine Idee, die man hatte und die dann mit der Hilfe von vielen tollen Menschen umgesetzt wurde, auf der großen Leinwand zu sehen. Und ich würde mir von der Branche wünschen, dass sie wieder ein bisschen mutiger wird, und auch "kleinen" Produktionen eine Plattform bietet. Gleichzeitig weiß ich aber, dass die Gesellschaft und damit auch das Publikum sich verändert.
Ich persönlich bin zwar der Meinung, dass es Filme gibt, die im Kino besser funktionieren als auf dem Fernseher, aber gleichzeitig sollte ein guter Film auch auf dem Handydisplay ein guter Film sein. Und da schließt sich wieder der Kreis von Kunst und Unterhaltung, denn ich mache Filme, um ein Publikum zu erreichen, und wenn ich es - zusätzlich oder ausschließlich - per Streaming erreiche, ist das auch absolut in Ordnung.
Vielen Dank für das Gespräch!
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