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‚Hyperpolik‘

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Der im Jahr 1994 geborene Historiker befasst sich mit dem ökonomischen Denken.

Den Begriff ‚Hyperpolitik‘ hat maßgeblich der belgische Historiker und Autor Anton Jäger geprägt. Er beschreibt damit die zunehmende und extreme Politisierung von verschiedenen Bevölkerungsschichten, die politisch jedoch folgenlos bleibt und sich in Bekenntnissen, die jedoch nur kurzfristig geäußert werden, ausdrückt. Sein gleichnamiges Buch beschäftigt sich genau mit dieser Thematik. In dem Essay geht es gar nicht unbedingt um Politiker, sondern vielmehr um das politische Engagement der Bevölkerung beziehungsweise der Bürger. Es bringt die Gegenwart mit ihren regelmäßigen Shitstorms, ihren Regenbogen- und Wokeness-Diskussionen, ihren offenen Briefen und ihrem Greenwashing quasi auf den Punkt und erfasst sie sehr präzise. Seiner Meinung nach stehen wir vor einem ständigen Zittern und Beben, denn die Ära der Postpolitik, als die Menschen ihre Meinung zur technokratischen Verwaltung höchstens von der heimischen Couch aus äußerten, sei vorbei. Zu einem kollektiven Handeln würden die Aufregungswellen jedoch nur sehr selten führen. Dass die Politisierung keine wirklichen Folgen hat, ist laut Anton Jäger die Folge einer Situation, die geprägt sei von digitaler Einsamkeit. Die Menschen sind am politischen Prozess nicht mehr im Rahmen von Massen-Organisationen beteiligt.

Zwar will jeder politisch sein, doch der Aktionismus verpufft. Jäger erklärt, warum das so ist. Er fordert uns quasi dazu auf, sich dem Phänomen mit voller Ernsthaftigkeit zu widmen, und führt uns gleichzeitig so leicht verständlich durch das Thema, dass Leser sofort wissen: An der Diagnose des Autors könnte durchaus etwas dran sein. Insofern ist das Essay aber auch in gewisser Weise schmerzvoll, denn Jäger analysiert das Thema haarscharf und fast schon schonungslos. Die verschiedenen Kapitel tragen Namen wie "Ein Grinsen ohne Katze", "Das antipolitische Jahrzehnt" und "Archimedische Orte".

Garniert werden sie immer wieder mit passenden Zitaten bekannter Persönlichkeiten wie zum Beispiel Michel Houellebecq, Guy Debord und Annie Ernaux. Interessantes Detail am Rande: Die Entstehungsgeschichte des Buches basiert unter anderem auf verschiedenen Aufsätzen in Zeitschriften, die zuvor bereits veröffentlicht wurden. Einer davon war im Januar 2022 in der englischen "Tribune" erschienen und trug den Namen "How the World went from Post-Politics to Hyper-Politics".

Anton Jäger wurde 1994 geboren und befasst sich als Historiker vornehmlich mit dem ökonomischen Denken beziehungsweise dessen Geschichte. Er schreibt für verschiedene Magazine und promovierte 2020 in Cambridge. Momentan ist er an der Katholieke Universiteit Leuven in der Position des Postdoctoral Research Fellow tätig.

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