Buchclub

‚Das kann mich hinter Gitter bringen – Briefe aus Istanbul‘

von

Ein mutiges Zeugnis von Bülent Mumay über Journalismus, Repression und den Alltag in der Türkei.

In einer Zeit, in der Pressefreiheit weltweit unter Druck steht, wird ein Buch wie „Das kann mich hinter Gitter bringen – Briefe aus Istanbul“ zur Pflichtlektüre für alle, die verstehen wollen, wie es sich anfühlt, als Journalist in einem autoritären Regime zu arbeiten. Der türkische Journalist Bülent Mumay hat über Jahre hinweg wöchentliche Kolumnen für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ verfasst – direkt aus Istanbul, unter oft gefährlichen Bedingungen. Seine besten Texte, seine schärfsten Analysen und eindringlichsten Beobachtungen hat er nun in diesem Band zusammengetragen – ein ebenso politisches wie persönliches Buch.

Die Beziehung zwischen Deutschland und der Türkei ist kompliziert – spätestens seit dem gescheiterten Putschversuch 2016 und dem anschließenden Umbau des türkischen Staates in Richtung Autoritarismus. Während Präsident Recep Tayyip Erdoğan die Demokratie zunehmend ausgehöhlt hat, kämpft eine kleine Zahl kritischer Journalisten im Land weiterhin darum, die Realität abzubilden. Einer der bekanntesten unter ihnen ist Bülent Mumay – ein Mann, der wegen seiner Arbeit bereits verhaftet wurde, dessen Pass konfisziert wurde, der aber nicht aufgehört hat zu schreiben.

Der Titel „Das kann mich hinter Gitter bringen“ ist dabei keine rhetorische Übertreibung, sondern bittere Realität. In einem der eindrücklichsten Abschnitte schildert Mumay, wie er eines Morgens von der Polizei aus dem Bett geholt wurde – nicht etwa wegen eines Verbrechens, sondern weil seine Texte der Regierung ein Dorn im Auge waren. Doch selbst diese Einschüchterung konnte ihn nicht zum Schweigen bringen. Wie er selbst schreibt: „Das hinderte mich aber nicht daran, Ihnen Briefe zu schreiben.“

Mumays Stil ist nüchtern, klar und unbestechlich. Seine wöchentlichen „Briefe aus Istanbul“ beleuchten das politische Tagesgeschehen, berichten aber auch über Alltag und Gesellschaft in einem Land im Ausnahmezustand. Dabei gelingt ihm ein bemerkenswerter Spagat: Er spricht gleichzeitig zu deutschen Leser, die Orientierung suchen, und zu einem autoritären System, das ihn zum Schweigen bringen will. Und doch bleibt er bei aller Schärfe sachlich – und dadurch umso glaubwürdiger.

Das Buch bietet nicht nur eine Chronologie politischer Ereignisse – vom Putschversuch über die Umbildung der Justiz bis hin zu willkürlichen Inhaftierungen von Oppositionellen –, sondern vermittelt auch das Lebensgefühl in einem Land, dessen demokratische Strukturen zunehmend erodieren. Mumay beschreibt, wie sich Angst in der Bevölkerung ausbreitet, wie Selbstzensur unter Journalisten zum Alltag wird, wie der öffentliche Raum immer weiter kontrolliert wird – und wie dennoch viele Menschen nicht aufgeben.

Ein großer Verdienst des Buchs ist seine Zugänglichkeit. Dank der gelungenen Übersetzung von Sabine Adatepe und der Auswahl pointierter Texte eignet sich „Das kann mich hinter Gitter bringen“ nicht nur für Politikinteressierte, sondern auch für Leser:innen, die sich bislang wenig mit der Türkei beschäftigt haben. Die Kolumnen sind klar strukturiert, in journalistischer Sprache geschrieben und durch das persönliche Erleben des Autors besonders eindrucksvoll.
Das Vorwort von F.A.Z.-Herausgeber Jürgen Kaube unterstreicht die Bedeutung von Mumays Stimme – nicht nur für den deutschen Journalismus, sondern für die Freiheit des Wortes überhaupt. In einer Welt, in der politische Einflussnahme auf Medien längst kein Randphänomen mehr ist, wird dieses Buch zu einem mahnenden Beispiel: Dafür, wie schnell Demokratie brüchig wird – und wie wichtig es ist, dass Menschen wie Bülent Mumay weiterhin berichten.

„Das kann mich hinter Gitter bringen“ ist ein aufrüttelndes, kluges und wichtiges Buch. Es zeigt, was mutiger Journalismus leisten kann – selbst unter widrigsten Bedingungen. Wer verstehen möchte, wie es um die Türkei heute steht und was unabhängige Berichterstattung in autoritären Systemen bedeutet, sollte dieses Buch lesen. Bülent Mumay liefert damit ein Zeitdokument, das weit über die Türkei hinaus Bedeutung hat.

Kurz-URL: qmde.de/162275
Finde ich...
super
schade
Teile ich auf...
Kontakt
vorheriger ArtikelPrimetime-Check: Montag, 7. Juli 2025 nächster Artikel«Warum kein Rauchverbot?» wird keinen Preis gewinnen
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel

Optionen

Drucken Merken Leserbrief



Heute für Sie im Dienst: Fabian Riedner Mario Thunert

E-Mail:

Quotenletter   Mo-Fr, 10 Uhr

Abendausgabe   Mo-Fr, 16 Uhr

Datenschutz-Info

Letzte Meldungen


Mehr aus diesem Ressort


Jobs » Vollzeit, Teilzeit, Praktika


Surftipp


Surftipps


Werbung