Interview

Jörg Lühdorff: ‚Man muss extrem kreativ mit dem Buch umgehen‘

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Am Montag strahlt das ZDF «Tod in Mombasa». Quotenmeter sprach mit Autor Lühdorff, der den Spielfilm aus mehreren Gründen auch noch selbst inszenzierte.

«Tod in Mombasa» klingt nach einem Kriminalfall im Ausland. Doch Sie haben keinen gewöhnlichen «Tatort» verfasst? Wovon handelt der Spielfilm?
Mich hatten die Afrikaromane von Lena Blaudez inspiriert, etwas über einen Fotoreporter in Afrika zu entwickeln. Anders als in der Vorlage, ging es mir aber von Anfang an darum eine spannende Geschichte um ein aktuelles Thema zu entwickeln, das eng verbunden ist mit Afrika.

Das Thema der Rohstoffgewinnung von Kobalt und den damit verbundenen Problemen für die Ursprungsländer hat sich mir dann schnell aufgedrängt. Die Perspektive des Kriegsfotografen bot dabei den idealen Blickwinkel auf die Geschichte. Er hat viel Elend in Afrika fotografiert und entdeckt nun einen Skandal, der ihm den Zusammenhang zwischen Kobaltabbau und dem Elend deutlich vor Augen führt.

Das hat am Ende viel auch mit uns in den reichen Industrienationen zu tun, weil wir auf diese Rohstoffe angewiesen sind. Damit hatten wir ein Thema, das uns aus dem alltäglichen Leben in Deutschland hinausführt und uns entsprechend auch aus dem Krimialltag der meisten Zuschauer. Entsprechend war es für mich bei der Entwicklung des Stoffs extrem spannend, mich auf eine, für mich, so fremde neue Welt einzulassen. So hat sich dann nach und nach die Geschichte entwickelt.

Warum haben Sie selbst Regie geführt?
Ich sehe mich als Regisseur, der sich häufig seine eigenen Stoffe schreibt. Von daher stellte sich bei diesem Projekt gar nicht die Frage, wer bei diesem Stoff die Regie führt. Es hat aber tatsächlich auch ganz praktische Vorteile gehabt, dass ich Regie und Drehbuch vereine.

Das Drehbuch war zu einem Zeitpunkt entwickelt worden, als der finanzielle Rahmen für den Film noch gar nicht klar war. Die Inflation machte sich gerade extrem bemerkbar. Dann noch Afrika als Location, fast 60 verschiedene Motive und viele Szenen, die den Rahmen für einen normalen Fernsehfilm sprengen würden, bedeuteten eigentlich das Ende des Projektes bevor es überhaupt begonnen hatte. Doch sowohl unserer Redakteur Matthias Pfeifer, als auch meine Produzenten Michael Souvignier, Till Derenbach, Katrin Kuhn und ich wollten den Film unbedingt machen.

Das war am Ende nur möglich, weil ich in der Personalunion von Autor und Regisseur mir viele Freiheiten nehmen konnte, den Stoff so anzupassen, dass er ohne inhaltliche Abstriche realisierbar wurde. Das erfordert eine extreme Flexibilität. Man kann zum Beispiel den Locationscouts oft keine zu engen Vorgaben machen, weil sonst entweder die Locations zu weit auseinander liegen oder die Motivmieten nicht bezahlbar sind. Also muss man extrem kreativ mit dem Buch umgehen. Das bedeutet, dass sich das Buch noch während der Vorbereitung des Drehs ständig verändert. Daher macht es dann fast nur noch Sinn, wenn Autor und Regisseur identisch sind.

Neben einem Wirtschaftskrimi um Kobalt spielt auch die Kritik an den Lebensverhältnissen im Kongo eine entsprechende Rolle. Wie haben Sie das im Film aufgegriffen?
Bei meiner Recherche zu dem Drehbuch von «Tod in Mombasa» musste ich mich in entsprechende Fachliteratur einlesen um zu verstehen, warum Länder wie der Kongo, die mit großen Naturschätzen gesegnet sind, über so großes Elend in der Bevölkerung verfügen.

Die wichtigsten Effekte wollte ich natürlich im Film darstellen. Die Ausbeutung der Minen, die kriegerische Auseinandersetzungen, Korruption und eben die schrecklichen Zustände, unter denen Arbeiter, oft auch Kinder, in den Minen arbeiten, und ihr Leben in einfachsten Hüttensiedlungen ohne Wasser und Strom.

Daher waren sowohl die Szenen in der Mine als auch das Hüttendorf, in dem einer der Minenarbeiter arbeitet, besonders wichtig. Diese Szenen konnten wir natürlich nicht original vor Ort drehen. Die Minen sind selbst für die Arbeiter oft sehr gefährlich und auch ein Dreh in so einer Hüttensiedlung ist mit einem 40-köpfigen Drehteam kaum möglich. Daher musste unser Szenebildner Pierre Pfund beide Locations komplett bauen. Die Hüttensiedlung ist zum Beispiel auf einem freien Feld in einem Industriegebiet entstanden. Das sprengt eigentlich den Rahmen eines normalen Fernsehfilms. Uns war es aber extrem wichtig diese Szenen so realistisch wie möglich im Film zu erzählen und ich bin wahnsinnig dankbar, dass das am Ende möglich war.

Scheitern wir Deutsche mit unseren erneuerbaren Energien, wenn wir Sie in anderen Regionen der Erde unter skrupellosen Machenschaften abbauen lassen?
Wir können uns sehr glücklich schätzen, dass wir in einem Land leben, das seine Verantwortung für die Bedingungen, unter denen wichtige Rohstoffe gewonnen werden, sehr ernst nimmt. Mit dem Lieferkettengesetz haben wir eigentlich den richtigen Hebel um zu vermeiden, dass die Menschen, die die Rohstoffe für uns fördern, ausgebeutet werden.

Dennoch haben die aktuellen Krisen gezeigt, dass Theorie und Praxis zwei sehr unterschiedliche Paar Schuhe sein können. Wenn unserer Industrie und damit auch der Wandel zu mehr erneuerbaren Energien nicht abgewürgt werden sollen, wird man schwerwiegende Entscheidungen treffen müssen.

Oft heißt das für die Entscheider, was ist das geringere Übel. Das sieht man auch an den aktuellen innerdeutschen Krisen. Es zerreißt die Politiker fast, wenn sie zwischen moralisch richtig und ökonomisch notwendig abwägen müssen.

Die Produktion wurde größtenteils in Griechenland abgedreht. Warum denn das?
Wer in Afrika einen Film spielen lassen will, wendet sich fast immer zunächst an erfahrene Filmländer wie Südafrika oder Marokko. Marokko passte nicht zu unserer Geschichte und Südafrika war plötzlich extrem teuer geworden. Der Kongo, in dem ein Teil des Filmes spielt, schied hingegen wegen seiner Sicherheitslage sofort aus. Kenia, in dem der andere Teil des Buchs beheimatet ist, hingegen hat keine so erfahrene Filmindustrie, die es einem ermöglicht, einen Film mit einem Fernsehbudget zu drehen.

Gemeinsam mit der Firma Zeitsprung habe ich mir Länder angesehen, in denen man für einen Film zumindest nicht mehr ausgibt als in Deutschland. Dabei stießen wir in Griechenland auf Felix Schneider, einen deutschen Serviceproduzenten, der uns sofort mit ersten Locationfotos überzeugt hat, dass wir Afrika in Griechenland erzählen können. Eine erste gemeinsame Locationstour mit meinem Kameramann Philipp Timme hat das dann bestätigt.

Unsere Aufgabe war es dann die Szenen so aufzulösen, dass sie mit den Bildern, die wir in Kenia drehen wollten, perfekt matchen. Das war eine extreme Herausforderung. Aber ich behaupte, dass uns das geglückt ist. Wir haben den Film Griechen und Afrikanern vorgeführt, die bei den Dreharbeiten nicht anwesend waren. Keiner hat glauben wollen, dass wir den Film zum Großteil in Griechenland gedreht haben.

Für die Dreharbeiten waren Sie zum Teil in Kenia. Welche Erfahrungen machten Sie?
Es war für mich faszinierend, dieses Land mit seinen gigantischen Gegensätzen kennenzulernen: die unglaublichen Landschaften in den Nationalparks mit seinen Tieren, die man sonst nur aus dem Zoo kennt, und dann eine Stadt wie Mombasa, die einem zunächst chaotisch, überfüllt und einfach nur heiß vorkommt. Es war unglaublich, Menschen zu beobachten, die aus dem Blickwinkel eines Europäers extrem arm sind und dennoch mit einer bewundernswerten Zielstrebigkeit ihr Leben verfolgen.

Wir hatten nur eine Woche um all die Aufnahmen zu drehen, die die Bilder aus Griechenland ergänzen sollten. Da unsere Protagonisten in dem Film ständig mit dem Auto unterwegs sind, war es natürlich eine tolle Möglichkeit die verschiedenen Seiten des Landes über die Autofahrten zu erzählen. Für diese Aufnahmen hatten wir neben meinem Kameramann und meinem Produktionsleiter ein kleines kenianisches Team vor Ort, das extrem motiviert war und dadurch die mangelnde Erfahrung wunderbar wett gemacht hat.

Selten habe ich erlebt, dass so ein Dreh einen so zusammenschweißt wie der in dieser Zeit in Kenia. Das liegt sicher auch daran, dass wir in kurzer Zeit extrem viel gedreht haben. Das kombiniert mit den Eindrücken dieses faszinierenden Landes und der Hitze war manchmal wie ein Rausch.

War Heino Ferch Ihre Idealvorstellung als deutscher Fotoreporter Moritz Wagner?
Tatsächlich war Heino Ferch schon meine Idee, als ich begonnen habe, das Projekt zu entwickeln. Dadurch dass wir in derselben Agentur sind, kennen wir uns schon seit Jahren. Aber ich habe es nie geschafft, mit ihm gemeinsam zu drehen.

Hier passte dann aber alles. Heino hat in meinem Kopf quasi die Figur mitentstehen lassen. Zu meiner großen Freude war er dann nicht nur ein großer Name für das Projekt, sondern auch der perfekte Darsteller für die Figur des Moritz Wagner. Heino geht mit einer extremen Professionalität an den Dreh heran. Ich kann wirklich behaupten, dass ich mich auf jeden einzelnen Tag mit ihm am Set gefreut habe.

Waren das ZDF und Zeitsprung sofort Feuer und Flamme für «Tod in Mombasa»?
Ja das kann man sagen. Sowohl Frank Zervos, als auch unserer Redakteur Matthias Pfeiffer mussten nicht lange überredet werden. Besonders Matthias Pfeifer ist ein echter Afrikafan und war sofort überzeugt, dass es dem ZDF guttun würde, einen relevanten Film über diesen Kontinent zu drehen. Aufgrund seiner Expertise zu Afrika hat er uns auch immer wieder ermutigt, Afrika so realistisch wie möglich zu erzählen.

Mit der Firma Zeitsprung und den Produzenten Michael Souvignier, Till Derenbach und Katrin Kuhn verbindet mich schon seit Jahren ein fast freundschaftliches Verhältnis. Zuletzt haben wir gemeinsam den Film «Verunsichert» für die ARD gedreht. Für meine Produzenten war es nie eine Frage, ob wir den Film zusammen machen wollen, sondern eher wie. Denn bei aller Freundschaft muss klar sein, dass so ein Film nicht zulasten des Produzenten gehen darf, selbst wenn sie bei diesem Projekt bereit waren, hart an die finanziellen Grenzen zu gehen.

Ich war von Ihrer Miniserie «8 Zeugen» begeistert. Waren Sie mit der Performance bei RTL+ zufrieden?
Bei der Frage muss ich lachen. Tatsächlich habe ich mir mal überlegt, ob man nicht öfter auch die problematischen Seiten des Filmgeschäfts stärker thematisieren sollte. Meistens berichten ja alle gerne über ihre Erfolge. Wobei ich direkt klar sagen muss, dass das eine tolle Zusammenarbeit mit RTL war.

Die gesamte Entwicklung und der Dreh waren extrem von Vertrauen geprägt. Ich bin RTL wirklich sehr dankbar, dass wir diese Miniserie in dieser Form drehen konnten. Dennoch können wir alle mit der Performance nicht zufrieden sein.

Die Kritiken waren großartig und die Zuschauer, die die Serie gesehen haben, müssen ebenfalls davon angetan gewesen sein. Die Rate, die darüber Auskunft gibt, wie viele Zuschauer die Serie bis zum Ende gesehen haben, war großartig. Sowohl auf der Streamingplattform, die damals noch TVNOW hieß, heute RTL+, als auch bei der linearen Ausstrahlung auf VOX.

Aber zur ganzen Wahrheit gehört eben auch, dass viel zu wenig Zuschauer überhaupt eingeschaltet haben. Bei den Analysen des Senders wäre ich dann gerne dabei gewesen. Ich bin überzeugt, dass das Thema der Serie viele Zuschauer extrem gefesselt hätte, sie aber eben nicht wussten, dass da etwas läuft, das sie interessieren könnte.

Haben Sie Lust ein solches Projekt noch einmal umzusetzen? Woran arbeiten Sie?
Trotz des überschaubaren zahlenmäßigen Erfolgs von «8 Zeugen» würde ich jederzeit wieder ein solches Format drehen. Zum einen halte ich die Geschichte um „Falsche Erinnerungen“ noch lange nicht für auserzählt, zum anderen finde ich diesen formalen Ansatz der Miniserie extrem spannend.

Wobei ich klar sagen muss, dass ich auch gerne größere Budgets umsetze. Meine ersten Fernsehfilme nach der Hochschulzeit waren alle ziemlich aufwendig. Das hat wahnsinnig viel Spaß gemacht. Allerdings würde ich heute gerne diesen Aufwand mit reiferen Geschichten verbinden wollen.

Eine solche Geschichte versuche ich gerade mit Christian Rohde, meinem Produzenten von «8 Zeugen», zu entwickeln. Das ist eine aufregende und ungewöhnliche Idee für eine Miniserie, die aber historisch ist und dadurch auch teuer werden könnte. Daneben gibt es aber auch noch zwei, drei Ideen für eher klassische Krimi und Dramaformate.

Danke für die offenen Worte und die Einblicke in die Filmproduktion!

Das ZDF strahlt «Tod in Mombasa» am Montag, den 05. Februar, um 20.15 Uhr aus.

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