Serientäter

«Alaska Daily»: Network-Stangenware aus Vancouver

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Die Oscar-Gewinnerin Hilary Swank spielt die überhebliche Reporterin, die in Anchorage einen Neuanfang versucht. Spannende Voraussetzungen, die von den Autoren nicht erfüllt werden.

Die zweifache Oscar-Preisträgerin Hilary Swank hat sich nach der schaurigen Science-Fiction-Serie «Away», die Netflix im September 2020 starten wird, einem neuen fiktionalen Format zugewandt. Seit Jahren kann die Schauspielerin nicht an die Erfolge der Clint-Eastwood-Filme «Million Dollar Baby» und «Boys Don’t Cry» anknüpfen und wählt immer wieder enttäuschende Rollen. So auch in der neuen ABC-Serie «Alaska Daily».

Swank spielt die erfahrene und hochbezahlte Reporterin Eileen Fitzgerad, die im chinesischen Shanghai von einem amerikanischen Informanten einen USB-Stick mit geheimen Dokumenten erhält. Zurück in New York City wird sie von der Faktencheckerin Shailey (Ildiko Susany) damit konfrontiert, dass die Story nicht wasserdicht sei. Sie watscht sie ab, Fitzgerald wird wütend. „Ich habe das schon gemacht, als du noch mit Fingerfarben gemalt hast“, sagt die Schauspielerin. Nach der Veröffentlichung der Geschichte wehrt sich der amerikanische General juristisch und nach einer hitzigen Konferenz schmeißt die von Swank verkörperte Figur ihren Spitzenjob hin.

Also schreibt Fitzgerald jetzt ein Buch über den General, der zum Verteidigungsminister befördert wurde. Sie ist im Schlabberlook, fährt Indoor-Rad und recherchiert. Eines Tages taucht Stanley Cornik (Jeff Perry) in New York auf. „In der Lobby“, fragt Fitzgerald, der extra aus Anchorage, Alaska, eingeflogen ist. Er hat die 3.000 Kilometer nicht zum Spaß zurückgelegt, sondern will Fitzgerald als neue Reporterin vor Ort haben. Schon nach wenigen Sätzen wird klar, dass die beiden eine berufliche Vergangenheit haben.

Nach zehn von 46 Minuten sitzt die Reporterin bereits im Flugzeug und erleidet einen Schwächeanfall. Das wird wohl das Geheimnis der Staffel sein, um die Geschichte noch halbwegs interessant zu machen, denn «Alaska Daily» ist eine schlechte Reporter-Ermittlungsgeschichte. Neben einer zweiten staffelübergreifenden Geschichte um die Berichte einer vermissten und ermordeten indigenen Frau steht ein finanzieller Betrug im Vordergrund.

Obwohl die Serie von Tom McCarthy mitentwickelt wurde, der den Oscar-prämierten Spielfilm «Spotlight» schrieb. Dieser handelt von den Journalisten der Tageszeitung „The Boston Globe“, die den sexuellen Missbrauch in der römisch-katholischen Kirche in Boston aufdeckten. Die neue Hilary-Swank-Serie wirkt wie ein Low-Budget-Projekt. Erstaunlich auch, dass hinter der neuen Disney+/ABC-Serie 20th Television steckt, die eigentlich für Formate wie «Pose», «Genius» oder «Mayans M.C.» bekannt sind.

Doch offenbar haben die Verantwortlichen um Hilary Swank, die auch zu den Produzenten gehört, mehr versprochen, als sie liefern können. Die Produktionsfirma betreibt einen regelrechten Etikettenschwindel. Die Serie, die in Anchorage spielt, wurde im Großraum Vancouver in Kanada gedreht. Man sieht zwar ein paar Mal Berge im Hintergrund, aber ansonsten bleibt die wilde Landschaft auf der Strecke. Es ist verwunderlich, dass man nicht wirklich vor Ort gedreht hat, denn mit Formaten wie «Yellowstone» fährt der Konkurrent Paramount Network Spitzenquoten ein. Immerhin sieht man das Land abseits von Los Angeles.

Ohnehin muss man der Serie attestieren, dass die Ausstattung auf Hollywood-Niveau agiert. Aus Tokio und Alaska werden gekaufte Bilder verwendet, die Innenräume sind Studios - und das merkt man der Ausstattung auch an. Man hat einfach nicht das Gefühl, dass in dieser Produktion irgendetwas echt ist. Mit Hilfe der Landschaft Alaskas hätte man vielleicht etwas mehr Pep in die lahme Story bringen können.

Wo wir gerade bei den Geschichten sind: Diese unterscheiden sich nicht von anderen Network-Serien. Letztlich könnte «Alaska Daily» auch eine typische Krimiserie wie «Law & Order» sein, da die Darsteller nur in einem schmucklosen Büro agieren und ansonsten von Haus zu Haus fahren, um die Protagonisten zu befragen. Abgesehen von der vermissten Frau, der man einfach einen „Eingeborenenaufkleber“ verpasst hat, um die Handlung nach Anchorage zu verlegen, ist die Pilotfolge wirklich dürftig. Ein Mann hat sich mit öffentlichen Geldern ein Liebesnest gebaut? Dafür braucht man keine Journalisten in dem nördlichen US-Bundesstaat. Die Geschichten könnten auch in einem Vorort von Los Angeles spielen.



Da sich die Produzenten und Drehbuchautoren nicht um Optik und Storytelling gekümmert haben, sind die Charaktere nur mäßig ausgearbeitet. Fitzgerald, mit nur zwei verschiedenen Gesichtszügen furchtbar gespielt, erzählt zwar gegen Ende des Piloten, dass Lokaljournalismus wichtig sei, aber ihre Ambitionen verrät sie nicht. Stattdessen schüttet die junge Reporterin Yuna Park (Ami Park) ihr Herz aus.

In jedem Fall lassen die Verantwortlichen der «Alaska Daily» so manche Story auf der Straße liegen. Vor ein paar Jahren musste die Zeitung aus einem schönen Gebäude in einen Industriehof umziehen. Den Kampf gegen die Pleite als staffelübergreifende Geschichte einzubauen, wäre viel spannender. Unglücklicherweise ist «Alaska Daily» im unteren Mittelfeld angesiedelt.

«Alaska Daily» ist bei Disney+ verfügbar.

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