Interview

‚Wenn da alles gut läuft, wechselt man irgendwann in den Profi-Kader‘

von

Schlecky Silberstein und sein Team sind vom FUNK inzwischen beim ZDF gelandet. Christian Brandes erzählt von den neuen Ausgaben seines Teams.

Hallo Herr Brandes! Vielen Dank für Ihre Zeit! Sie starteten zunächst mit «Browser Ballett» bei funk, wechselten dann allerdings zur ARD und machten dort eine fiktionale Serie hinter den Kulissen einer Late-Night-Show. Jetzt sind Sie beim ZDF. Was erwartet uns beim neuen «Browser Ballett»?
Das neue «Browser Ballett» deckt erstmals alle Spielarten der zeitgenössischen Bewegtbildunterhaltung ab. Am kurzen Ende haben wir jetzt TikTok, was mit hoher Wahrscheinlichkeit in ein paar Jahren die wichtigste Videoplattform von allen sein wird, außerdem kommen wir einem uralten Fan-Wunsch nach und machen jetzt endlich Langfilme: Sechs komplett unterschiedliche Filme á 30 Minuten zu jeweils einem Thema. Das macht bereits beim Schreiben wahnsinnig viel Spaß, weil wir erstmals echte Figuren entwickeln können. In unseren Sketchen ziehen wir die Protagonisten aus dem Boden und werfen sie hinterher wieder weg, was in der Natur der Sache liegt. Ich habe vielen Figuren und Archetypen hinterher getrauert, weil gerade Personen aus der Politik wunderschöne und gleichzeitig tragische Konflikte mit sich rumschleppen. Jetzt können wir sie endlich ausweiden.

Derzeit verlassen zahlreiche Künstler den Jugendkanal funk. Ist auch Ihr Team vom YouTube-Netzwerk gegangen, weil Sie aus der Zielgruppe herauswuchsen?
Ja. Und das ist wunderbar. Ich habe Funk immer als eine Art Fußball-Internat für Kreative wahrgenommen, in dem Welpenschutz noch groß geschrieben wird. Wenn da alles gut läuft, wechselt man irgendwann in den Profi-Kader.

Das ZDF gehört zu den erfolgreichsten Spielstätten für Comedy. Sind Sie deshalb zum ZDF gewechselt?
Ich kann meine blöden Fußball-Analogien selbst nicht mehr hören, aber natürlich ist es eine Ehre neben diesen fantastischen Comedy-Formaten aufzulaufen. Die ARD ist ein großer Club, das ZDF auch. Am Ende sammelt man alle Faktoren und trifft eine Entscheidung. Als Satiriker finde ich den Sender mit den kampferprobtesten Justiziaren natürlich immer attraktiv.

Hatten Sie eigentlich auch Angebote von ProSieben oder RTL? Oder schätzen Sie die Planungssicherheit des öffentlich-rechtlichen Fernsehens?
Kann sich irgendwer Satire bei RTL oder ProSieben vorstellen? Das fühlt sich irgendwie komisch an. Mit beiden spricht die Steinberger Silberstein GmbH über ehrliche, anarchische und unpolitische Comedy. Aber Satire bei werbefinanzierten Sendern klingt nach werbefinanzierter Satire und damit nach Interessenskonflikt.

Sie machen jetzt halbstündige satirische Filme – wie viel Arbeit haben Sie in dieses Projekt hineingesteckt?
Wir alle haben aufgehört, die Stunden zu zählen. Es steckt unwirtschaftlich viel Arbeit in den
30-Minütern, weil wir etwas entwickeln müssen, was so noch nie da war. Bei Sketchen oder Sitcoms haben viele vor uns bereits Vorarbeit geleistet. Der satirische 30-Minüter auf Deutsch war bislang ein weißes Blatt Papier.

Sie haben unter anderem beim «Neo Magazine Royale» als Autor gearbeitet. Welche Aktionen gingen denn auf Ihre Kappe?
Ich war beim «Neo Magazin» nie fest angestellt, ich war zu der Zeit schleckysilberstein.com und wir haben eine Zeit lang gemeinsame Sache gemacht. Tatsächlich war ich bei einer Aktion beteiligt, allerdings nicht als Autor, sondern als Maulwurf. Mehr darf ich dazu nicht sagen, sonst kriegt meine Firma nie wieder einen Auftrag von Brainpool.

Für mich sind Sie erstmals als Betreiber von Spiegel Offline in Erscheinung getreten. Sie sammelten lustige Inhalte, waren die Anwaltsschreiben vom Spiegel komisch?
Ich hatte damals Rudolf Augstein zu einem Duell herausgefordert gefordert, um die Sache zu klären. Nur wir zwei vor der Mensa der Henry-Nannen-Schule. Er kam nicht. Später erfuhr ich, dass er bereits 2002 gestorben war. Da habe ich meine Seite in schleckysilberstein.com umbenannt. Diese Anekdote ist mindestens genauso wahr, wie die Vermutung, ich hätte jemals Post von SPIEGEL-Anwälten bekommen.

Mit Ihrem Buch „Das Internet muss weg“ setzten Sie sich kritisch mit dem Internet auseinander. War die These nicht zu weit gegriffen? Immerhin schauen Sie kritisch auf Social-Media, während die Mediatheken von ARD und ZDF doch eine Verbesserung der Situation sein dürfte?
Das Internet, das ich mir fort gewünscht habe, verschwindet tatsächlich gerade. Digital-Plattformen wie Google oder Facebook haben bekannterweise mit perfidesten Methoden Menschen zu Klickvieh gemacht. Beide Unternehmen werden die KI-Revolution nicht überleben. Leider schauen wir schon wieder zu, wie neue Digitalkonzerne komplett unreguliert Maschinen-Intelligenz an echten menschlichen Versuchskaninchen testen dürfen. Das Buch zum Thema lasse ich gerade von ChatGPT schreiben.

Sie haben immer wieder virale Hits gelandet. Unter anderem „Beim Klopapierkauf erwischt“. Wie kommen Sie auf solche Ideen?
Wenn man weiß, wie’s geht, dann sind virale Hits kein Hexenwerk. Ich habe einfach die besten Autoren, die ich finden konnte, eingestellt. Als der Klopapier-Clip entstand, war ich zum Beispiel im Urlaub.

Aufgrund des Satirebeitrags „Corona rettet die Welt“ gab es einen ziemlich großen Aufstand. Unter anderem bekam der Presserat rund 400 Beschwerden. Haben Sie das rückblickend genossen und waren froh, dass Ihre Aktion eingeschlagen hat?
Ich war beschämt und enttäuscht von mir selbst. Wenn es Beschwerden beim Presserat gibt, dann hat man als Künstler etwas falsch gemacht.

Vielen Dank für Ihre offenen und unterhaltsamen Worte.

«browser ballett» ist seit 31. Mai in der ZDFmediathek verfügbar.

Kurz-URL: qmde.de/142523
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