Die Kritiker

«Was wir verbergen»

von

Ein Ärzteehepaar verschwindet spurlos. Offenbar sind die beiden entführt worden. Während der Mann bald wieder auftaucht, bleibt seine Ehefrau, die vor ihrer Entführung noch einen Notruf absetzen konnte, verschwunden. Kommissarin Katharina Tempel steht vor einem Rätsel.

Stab

BESETZUNG: Franziska Hartmann, Stephan Szász, Hanife Sylejmani, Florian Stetter, Jörg Pose, André Szymanski, Christiane von Poelnitz, Davina Donaldson, Alberta von Poelnitz
REGIE: Francis Meletzky
AUTORIN: Elke Rössler
KAMERA: Morten Søborg
SCHNITT: Thoas Krause
MUSIK: Iva Zabkar
Es kann einfach nicht genug gemordet werden. Und so schickt das ZDF auch schon die nächste neue Ermittlerin auf Tour. Katharina Tempels Einsatzgebiet ist Hamburg, vom LKA kommt sie, auf eigenen Wunsch jedoch ist sie zur Hamburger Kripo gewechselt. Dargestellt wird sie von Franziska Hartmann.
Moment? Katharina Tempel? LKA? Franziska Hartmann?

Tatsächlich, die Figur ist nicht ganz neu. Ihren ersten Auftritt absolvierte Franziska Hartmann in der Rolle der Ermittlerin Katharina Tempel bereits im Jahr 2020 in dem Thriller «Helen Dorn: Kleine Freiheit». Und in diesem Thriller hat sie nicht mehr und nicht weniger als einen famosen Einstieg gegeben. „Als alleinerziehende Mutter eines neunjährigen Sohnes gibt sie eine recht lässige, geduldige Ermittlerin, die mit hanseatischem Gleichmut die Arroganz der Helen Dorn erträgt – und schließlich bricht“, wurde ihre Figur an dieser Stelle gelobt. „Da um diese Katharina Tempel ein eigenständiges Ermittlerteam mit einem Partner, einem Chef und einer Forensikerin aufgebaut wird (plus einer eigenen Backgroundgeschichte mit Sohn und einem gewalttätigen Ex-Mann) – da stellt sich die Frage, ob «Helen Dorn – Kleine Freiheit» möglicherweise nicht nur ein weiterer Fall für Anna Loos in der Rolle der Helen Dorn darstellt, sondern ob dieser Film möglicherweise auch als Backdoor-Pilot für eine neue Serienhauptfigur dient, die hier quasi angetestet wird. Sollte das der Fall sein, so kann man sich nur wünschen, dass diese Katharina Tempel – Franziska Hartmann – auf den Bildschirm zurückkehrt. Gerne als Hauptfigur einer eigenen Serie, die Eigenschaften mit in ihre Rolle brächte, die anderen Ermittlerinnen und Ermittlern des ZDF-Samstags- und Montagskinos ziemlich abgeht: Geduld, Ruhe, Freundlichkeit. Gepaart mit Sinn für Humor, der in einigen Szene aufblitzt und sicher ausbaufähig wäre.“ So stand es hier auf Quotenmeter seinerzeit zu lesen und siehe da: Der «Helen Dorn»-Thriller war ein Backdoor-Pilot für eine neue Reihe. Alles also super? Nun, es heißt nicht umsonst, hüte dich vor deinen Wünschen, denn sie könnten wahr werden, denn leider ist «Was wir verbergen» ein verquaster, langweiliger Einstieg, der eines nicht macht: Lust auf einen zweiten Film.

Warum das?
Da ist also das Ehepaar, das verschwindet. Sie kann noch einen Notruf absetzen, doch als die Polizei am Tatort eintrifft, sind die beiden verschwunden. Der Entführer hat die Wohnungstür aufgebrochen und als erste Amtshandlung den Stecker vom Wlan-Router aus der Wand gezogen. Ein Detail, das Katharina Tempel direkt ins Auge springt. Es ist ihr erster Fall bei der Kripo. Ein Fall, der Fragen aufwirft, denn woher wusste der Entführer, dass er den Wlan-Router vom Netz nehmen musste? Tatsächlich entdecken die Ermittler im Haus ein regelrechtes Heer an versteckten Kameras, die bedauerlicherweise alle über den Router liefen. Die letzten Bilder zeigen einen vermummten Einbrecher (den Entführer) vor der Tür. Dann folgt ein Schwarzbild. Die einzige halbgare Spur, der die Ermittler nachgehen können, führt zu einem Verein, der sich gegen Abtreibungen einsetzt. Mit diesem Verein hatte die Praxis des Ehepaares Ärger. Beide Entführungsopfers haben zeitweise in der Forschung gearbeitet und in Sachen unerfüllte Babywünsche einiges an Erfolgen vorzuweisen. Aber auch in Sachen Früherkennung verfügen sie über eine erstaunliche Expertise – weshalb in ihrer Praxis immer wieder Abtreibungen stattfinden, wenn beim Fötus Behinderungen diagnostiziert werden. Die Vorsitzende des besagten Vereins hat einen Bruder mit Down-Syndrom. Das Verhältnis der beiden ist eng, es ist ersichtlich, warum sie sich gegen die Arbeit der Ärzte wendet. Sie kann aber auch glaubhaft machen, dass sie kaum mit der Entführung zu tun haben kann. Da taucht der Ehemann wieder auf, auf einem kleinen Boot im Hamburger Hafen. Benommen, aber er lebt.

«Was wir verbergen» ist bedauerlicherweise eine ziemlich öde Angelegenheit. Als Pilotfilm hat er zwei Aufgaben zu erfüllen. Zum einen muss der Thriller einen Fall präsentieren, der das Publikum fesselt, zum anderen muss die Hauptfigur etabliert werden. Knapp zweieinhalb Jahre nach dem ersten Auftritt der Figur in einem Thriller der Reihe «Helen Dorn»: wer erinnert sich da noch an diese Katharina Tempel? Hardcore-ZDF-Kriminalfilmfans vielleicht, nicht aber die Masse des Publikums. Also muss eine Geschichte um diese Katharina Tempel aufgebaut werden, die sie als eigenständigen Charakter etabliert. Dabei stellt sich schnell heraus, dass dieser Thriller ein Prequel zu ihrem eigentlichen Debüt darstellt, denn diese Katharina Tempel ist noch verheiratet und daher ist es kein Spoiler zu verraten, dass ihr Gatte, seines Zeichens der smoothe Pressesprecher der Hamburger Polizei inklusive einer legendären Heldentat, ein mieses Stück Scheiße ist, das seine Frau brutal angeht. Das muss natürlich auch in diesem Film zur Sprache kommen. Das Problem: Die Inszenierung braucht eine halbe Ewigkeit, bis sie offenbart, dass der Herr Gatte ein Drecksack ist (was aber so überraschend nicht ist, beginnt die Story doch damit, dass Katharina Tempel eine eigene Wohnung sucht, und zwar heimlich; wir als Zuschauer wissen also, dass etwas in der Ehe arg im ganz Argen liegt), dennoch wird so viel Zeit für das Persönliche aufgewendet, dass der Kriminalfall müde vor sich hindümpelt. Der Fokus der Ermittlungen bleibt irgendwie auf diesen Verein gerichtet, der irgendwie mit diesem Verbrechen in Zusammenhang stehen muss. Mit der einzigen überraschenden Wendung, dem Wiederauftauchen des Ehemannes, ändert sich an der Fokussierung erst recht nichts, obwohl sein Wiederauftauchen viele Fragen aufwirft. Fragen, die die Inszenierung jedoch kaum aufnimmt. Stattdessen springt die Story ohne ein nachvollziehbares Konzept zwischen den privaten Momenten der Ermittlerin und ihrem Fall hin und her. Zwar wird es am Ende eine Schnittstelle zwischen diesen beiden Geschichten geben, die ist jedoch so lahm und vorhersehbar, dass sie die Schwächen nicht kaschieren kann.

Gelingt es einer Geschichte nicht, emotional die Zuschauerschaft bei den Eingeweiden zu packen, richtet sich der Blick fast zwangsläufig auf das Handwerkliche/Formale. Und auch auf dieser Ebene ist «Was wir verbergen» eine knüppelharte Enttäuschung. Das Spiel der handelnden Charaktere wirkt immer wieder hölzern, gerade Dialogen, die sich in Verhörsituationen ergeben, finden selten zu einem echten Timing; da «Was wir verbergen» nur bewegte Bilder aneinanderreiht und wenig inszenatorischen Schick in Sachen Kamera oder Schnitt erkennen lässt, fallen diese Unzulänglichkeiten teils brutal ins Auge.

Zweimal hat Franziska Hartmann die Katharina Tempel in «Helen Dorn» dargestellt. Nach ihrem fulminanten, grandiosen Einstieg zeigten sich bereits 2021 im zweiten Film einige Schwächen in der Aufbereitung der Figur, siehe (Die Kritiker: «Helen Dorn – Wer Gewalt sät» – Quotenmeter.de). In ihrem nunmehr dritten Film ist von dem starken Charakter, als der diese Katharina Tempel in die Serienwelt des ZDF eingeführt worden ist, bedauerlicherweise nicht mehr viel übrig. Der Untertitel des Spielfilmes lautet übrigens „Ein Fall für Katharina Tempel“. Der Name der Protagonistin wird in die zweite Reihe verbannt (im Vergleich dazu sei an Spielfilmreihen wie «Helen Dorn» oder «Sarah Kohr» verwiesen, die die Namen der Protagonistinnen regelrecht als Marken führen). Das zeugt nicht gerade von einem großen Vertrauen der Spielfilm-Redaktion des Zweiten in die Hauptfigur.

Anmerkung: Bereits im Dezember 2022 wurde der Spielfilm erstmals auf arte ausgestrahlt.

Am Montag,3. April 2023 im ZDF, 20.15 Uhr

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