Interview

Stefanie Ren: Es geht um ‚Frust und Verzweiflung‘ der jungen Generation

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Mit «A Thin Line» nimmt Paramount+ eine weitere deutsche Serie ins Portfolio auf. Wir sprachen mit der Autorin Ren über die „Die letzte Generation“ und die Internationalisierung.

Hallo Frau Ren. Paramount+ startet nun Ihre Fernsehserie «A Thin Line», in der die Schwestern Benni und Anna als Cyberaktivistinnen gegen Umwelt- und Klimaverbrechen kämpfen. Wie sieht das aus?
Anna und Benni sind Hackerinnen, gemeinsam betreiben sie die Leaking Website „Climate Leaks“, auf der sie auf Klima-Skandale aufmerksam machen. Am Anfang sind die beiden Zwillingsschwestern eine untrennbare Einheit, aber dann schlägt Benni einen radikaleren Weg ein, den Anna nicht mehr mitgehen kann. Die Serie ist mitreißend, spannend und emotional, trotz Explosionen und Thriller-Elementen steht im Zentrum aber immer das persönliche und menschliche Drama unserer Protagonist:innen.

Während Anna vom Bundeskriminalamt geschnappt wird, schließt sich Benni einer radikalen Umweltaktivistin-Gruppe an. Wie sehr ist „Der letzte Widerstand“ an „Die letzte Generation“ angelegt?
Als wir die Serie im Writers Room geplottet haben, war uns die „Letzte Generation“ natürlich ein Begriff, aber sie war noch nicht so im Fokus der Öffentlichkeit, wie sie es nun seit letztem Jahr ist. Die ganz klare und wichtige Abgrenzung liegt darin, dass die Gruppierung in unserer Serie eine terroristische Vereinigung ist, die gezielt Anschläge verübt, bei denen sie in Kauf nehmen, dass Menschen verletzt werden.

Anna lässt sich zur Mitarbeit bei der BKA-Cybercrime-Einheit überzeugen – somit stehen die beiden Schwestern auf gegenüberliegenden Seiten. Gibt es überhaupt ein „richtig“ oder „falsch“?
Im Falle unserer Serie gibt es ein klares „falsch“, denn Benni begeht Anschläge, bei denen Menschen verletzt werden, das kann niemals der Weg sein. Benni ist frustriert von der Langsamkeit der Klimapolitik, sie hat Angst, dass, wenn sie jetzt nicht in diesem extremen Maße handelt, dass es dann für uns alle zu spät sein wird, und es keine lebenswerte Zukunft mehr geben wird. Letztendlich geht es in unserer Serie auch um den Frust und die Verzweiflung der jungen Generation.

«A Thin Line» ist zwar eine deutsche Eigenproduktion von Paramount+, aber wird diese auch zum Start in synchronisierter Fassung in allen anderen Ländern angeboten?
«A Thin Line» startet am 16. Februar in Deutschland, Schweiz und Österreich. Momentan ist der Start in anderen Ländern mit synchronisierten Fassungen für Anfang Juli geplant.

In den vergangenen Jahren haben die großen amerikanischen Medienhäuser so viele Serien wie noch nie produziert. Jetzt herrscht Ernüchterung, viele Formate werden gecancelt. Wird der Markt für Sie wieder schwieriger?
Der Streamingmarkt hat in Deutschland viel verändert, in dem Sinne, dass auch die Sender vermehrt Projekte für die Mediatheken produzieren, um mit den Streamern mitzuhalten. Trotzdem bekomme ich natürlich mit, dass Formate gecancelt werden, dass man länger auf ein Greenlight warten muss als das in den letzten vier, fünf Jahren manchmal der Fall gewesen ist. Es wird aber immer noch viel gedreht, ich bin gespannt, wie es die nächsten Jahre weitergehen wird.

Klimaaktivisten machen das Leben in Großstädten schwer. Allerdings haben die Anhänger von Castor-Transporten vor 20 Jahren auch die Mitmenschen aufgewühlt. Glauben Sie selbst, das ein Umdenken zum Thema Klima kommen wird?
Das Umdenken hat längst begonnen. Immer mehr Menschen verzichten auf Fleisch und andere tierische Produkte, nehmen die Bahn statt zu fliegen, machen sich viel mehr Gedanken darüber, wo man seinen Urlaub verbringt und was man für einen CO2-Fußabdruck in dieser Welt zurücklassen will. Das passiert vor allem dank der großartigen, gewaltfreien Klimabewegung, die den Menschen vor Augen führt, dass die Klimakrise real ist.

Vor Kurzem wurde Lützerath geräumt. War das für Sie eher gute Werbung für Klimaschutz oder sinnloser Protest?
Was den Klimaschutz angeht, gibt es keinen sinnlosen Protest, solange er gewaltfrei bleibt. Die Debatten darüber werden in der breiten Öffentlichkeit aber oft zu einseitig und zu unausgewogen besprochen. Ich finde beispielsweise, dass zu wenig darüber geredet wird, was die Klimakatastrophe und ihre Folgen tatsächlich für die Menschen bedeutet. Ein Fakt, den auch Anna und Benni in ihrer Tätigkeit als Hacktivistinnen zu spüren bekommen.

Netflix, Paramount+ & Co. gelten als innovativ. Mit der RTL-Serie «Nicht tot zu kriegen» war nach einer Staffel Schluss. Hätten Sie sich mehr Mut gewünscht?
Bei «Nicht tot zu kriegen» war ich gerade Ende 20, bin direkt Headautorin gewesen, habe fünf der acht Episoden geschrieben und gemeinsam mit Regisseur Felix Stienz eine eher ungewöhnliche RTL-Sitcom auf die Beine gestellt. Da wurde uns viel Freiraum gelassen, was auch mit einer Nominierung zum Deutschen Comedypreis gewürdigt wurde. Dass es dann nicht weiterging, war natürlich schade. Ob das mit mehr Mut anders gewesen wäre, kann ich nicht beurteilen.

Für Netflix haben Sie den Spielfilm «For Jojo» geschrieben. Wie fiel die Resonanz auf das Werk aus?
«Für Jojo» ist ein sehr persönliches Projekt, an dem ich lange gearbeitet habe und das letztes Jahr seine Premiere auf dem Filmfest München gefeiert hat und in diesem Zuge die Sektion „Neues Deutsches Fernsehen“ eröffnet hat. Für mich war das ein krönender Abschluss einer langen, zehnjährigen Reise - den Pitch zu «Für Jojo» hatte ich schon als Filmstudentin in der Schublade. Ich habe auf den Film viel positive und auch emotional sehr berührende Resonanz bekommen, vor allem von denjenigen, die sich in der Hauptfigur „Paula“ wiedergefunden haben und begeistert waren, dass auch so eine Figur mal Hauptfigur sein darf. Paula ist nicht gefällig, sie ist unbequem, anstrengend und eckt an. Ich finde es wichtig, dass auch solche eigenwilligen und unangepassten Geschichten erzählt werden. Netflix hatte den Mut sich dieser kantigen Figur anzunehmen und darüber bin ich sehr dankbar.

Sie stammen aus Taiwan. Haben Sie die Befürchtung, dass Hollywood und die deutsche Wirtschaft sich zu gut mit China verstehen und deren Haltung einnehmen?
Das ist natürlich eine sehr komplexe Frage. Für mich persönlich, als Mensch mit taiwanesischen Wurzeln, ist es nicht ganz einfach neutral auf China zu schauen. Für mich als Autorin ist es auch problematisch, wenn ein Investment an inhaltliche, politische oder ideologische Bedingungen gebunden ist, die bis zur Zensur gehen. Was ich damit sagen will: als Autorin sollte man von außen im besten Falle weder künstlerisch, inhaltlich noch thematisch eingeschränkt werden.

Vielen Dank für das offene Gespräch!

«A Thin Line» ist ab Freitag, den 16. Februar, bei Paramount+ zu sehen.

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