Die Kritiker

«Tatort - Murot und das Gesetz des Karma»

von

Kommissar Murot wird an einer Hotelbar von einer deutlich jüngeren Frau angesprochen. Er schwindelt in Bezug auf seine Identität, fühlt sich von der jungen Frau geschmeichelt – und wacht am anderen Morgen bestohlen und beraubt in einem Hotelzimmer auf, nur um einen Moment später zu erfahren, dass eine Etage tiefer ein Mord geschehen ist.

Stab

STAB: Ulrich Tukur, Barbara Philipp, Anna Unterberger, Thomas Schmuser, Philipp Hochmair, Dirk Martens, Yorck Dippe, Stephan Bieker, Sascha Nathan, Mohammad-Ali Behboudi
BUCH: Lars Hubrich, Matthias X. Oberg
REGIE: Matthias X. Oberg
KAMERA: Max Preiss
TON: Ralph Ganswindt, Christian Mathias, Bernd Funtsch, Sascha Mattlehner
SZENENBILD: Manfred Döring
MUSIK: Christof Söhngen
PRODUKTIONSLEITUNG: Uli Dautel
Der inzwischen elfte «Murot»-Kriminalfilm aus der Reihe «Tatort» bewegt sich mit der Geschwindigkeit zweier aufeinander zudriftender Kontinentalplatten vorwärts. Mag die Inhaltsangabe spannend klingen – nein, die Handlung dient nur als Aufhänger eines bleiernen Selbstfindungstripps, auf den sich der LKA-Beamte Murot begeben muss. Damit erst gar keine Spannung aufkommt, ist der tatsächliche Mörder des unglücklichen Herrn im Hotel des Kommissars Murot von Anfang an bekannt. Kapielski heißt er und sein Opfer, Martin Landrot, ist – beziehungsweise war – ein Arbeitskollege. Dieser Martin Landrot hat ein Notebook in ihrer Firma gestohlen, welches er Kapielski übergeben wollte; dummerweise hat die gleiche junge Frau, die Murot ausgeknockt hat, auch Herrn Landrot bestohlen und damit seinen Tod verursacht. Denn Kapielski findet das mit dem verschwundenen Rechner nicht lustig und erstickt seinen Kollegen.

Wenn Murot in seinem Hotelzimmer aufwacht, ohne Erinnerungen an die vergangene Nacht, mag er für einen Moment überlegen, dass es ungünstig erscheinen mag, im gleichen Hotel angetroffen zu werden wie das Opfer eines Mordes. Auf der anderen Seite aber ergibt sich aus diesem Momentum keine Spannung, obschon diese Ausgangssituation wie geschaffen für einen Tukur-Krimi erscheinen mag:

• Wir, die Zuschauer wissen, dass Murot in dieser Nacht niemanden erstickt hat.
• Wir nämlich wissen ja sogar schon, wer der Mörder ist.
• Aber Murot hat davon keine Ahnung und muss ernsthaft in Erwägung ziehen, etwas sehr, sehr Schlimmes getan zu haben.

Was eine irritierende, überraschende Handlung für einen Kriminalfilm wäre. Die aber nach einem kurzen Moment, in dem sie tatsächlich durchschimmert, einfach liegengelassen wird. Für einen anderen Film, der sich für eine echte Kriminalfilmhandlung interessiert, was im Fall dieses «Murot»-Kriminalspiels nicht der Fall ist. Statt dessen schlafwandelt Murot / Tukur durch die Kulissen. Man trifft den Chef des Ermordeten, der sich als empathieloser Investor entpuppt. Die genaue Art seiner Geschäfte wird nie wirklich offenbart, denn wir, die Zuschauer, wissen ja, die da oben, die mit viel Geld hantieren, haben eh immer Dreck am Stecken. Und tatsächlich, gegen den bösen Mann wird ermittelt, denn er hat etwas zu verbergen. Was nicht überrascht, denn warum wohl hat Herr Landrot den Rechner geklaut? Weil er mit seinem Boss ein Hühnchen zu rupfen hat/te. Wie auch Herr Kapielski. Warum der dann Landrot aus dem Leben befördert hat? Vielleicht, weil ein «Tatort» einen Mord braucht?

Irgendwann, nach 45 Minuten Spielzeit, erinnert sich die Handlung daran, dass Murot von einer jungen Frau bestohlen worden ist. Sie wird während der ersten Hälfte zwar nicht ganz von der Inszenierung vergessen, in erster Linie aber geht es dieser Inszenierung nur darum, die junge Frau im Haus ihrer Freundin zu zeigen, in der beide die Früchte ihrer Diebestouren genießen. Allerdings in einem ziemlich spießigen Rahmen. Statt in einer hübschen Stadtvilla mondän das Geld dummer Männer zu verprassen, leben sie im Haus der Freundin, das deren Opa gehörte – einem Jäger mit Jagdtrophäenfetisch. Nach 45 Minuten kommt es dann aber tatsächlich zum zweiten Aufeinandertreffen der Diebin mit Murot. Bei der Durchsicht von Murots Brieftasche hat sie nämlich nicht nur festgestellt, dass Murot sie in Bezug auf seine Identität belogen hat – er hat sich als Versicherungsmitarbeiter ausgegeben. Nein, sie hat auch seinen alten Führerschein gefunden. Und das Foto in diesem Führerschein, das kennt sie sehr gut. Das gleiche Foto nämlich klebt auch in einem Fotoalbum ihrer Mutter. Es ist das Erinnerungsalbum an einen Urlaub, der ihr ganzes Leben verändert hat.

Nach der Hälfte der Spielzeit also liegt der Verdacht im Raum, dass der gute Murot eine Tochter haben könnte. Nein, das ist kein Spoiler. Das Foto im Führerschein → das Foto im Album → das Alter der Diebin... Passt. So wie alle Szenen in diesem Film zusammenpassen und tatsächlich am Ende eine Geschichte ergeben, die jedoch so unfassbar öde daher kommt, dass die größte Überraschung im Grunde darin besteht, dass die ganze Geschichte bis zum Ende ohne eine einzige Überraschung auskommt. Null Spannung, keine Wendungen. Selbst der Mord ist Bullshit. Er macht keinen Sinn. Ja, die beiden Männer geraten in einen Streit. Aber wie der Mord geschieht... Himmel hilf. Kapielski drückt dem am Boden liegenden Landrot die Luft ab. Im laufenden Fernsehen gibt es ein klassisches Konzert zu ehen und das ist so schön, so erhaben, dass Kapielski glatt vergisst, dass er seinen Kollegen gerade hinfort meuchelt.
Echt jetzt?

Sicher, wer Kriminalfilme nur als billige Unterhaltung verachtet, mit denen die billige Sensationsgier des Publikums nach Kolportage befriedigt werden soll, mag sich in «Murot und das Gesetz des Karma» verlieren und den Erzählfluss für seine rigorose Missachtung des Konventionellen lobpreisen. Man kann den Film aber einfach auch nur erstaunlich langweilig finden. Doch, das geht auch.

Am Sonntag, 25. September 2022, 20.15 Uhr, Das Erste

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