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Die ARD und die «Krömer Late Night Show»: Acht Runden Sparring für den RBB

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Boxen im Fernsehen. Für das Privatfernsehen ein Erfolg. Für Das Erste ein Gebührengrab. Leiden müssen andere Unterhaltungssendungen. Ein Fallbeispiel, erklärt von Gastautor Sascha Pöhlmann.

Kennen Sie Yoan Pablo Hernandez? Dominic Britsch? Troy Ross? Oder Roberto Santos? Vielleicht Kurt Krömer? Die vier erstgenannten sind allesamt Boxer. Hernandez darf sich sogar Weltmeister nach den Regularien der International Boxing Federation (IBF) nennen. Letztgenannter ist ein "in Teilen Deutschlands weltbekannter Entertainer", wie er sich in seinen Shows ankündigen lässt. Vier gegen einen. Oder doch eher Groß gegen Klein? In der ARD-Ecke stehen die Boxer mit freundlicher Unterstützung von Boxsport-Moderator Waldemar Hartmann. In der RBB-Ecke: Kurt Krömer, der Entertainer. 2012 war dies ein Kampf über acht Runden - acht Runden Sparring zwischen dem RBB und der Anstaltsmutter ARD um den Samstagabend-Sendeplatz. Nur in den ersten Runden konnte sich der Underdog aus Berlin im öffentlich-rechtlichen Ring behaupten. Angeknockt folgte daraufhin eine wahre Treibjagd durch das Gebührenquadrat.

Doch, wie konnte das passieren? Wie konnte die Premierenstaffel der «Krömer Late Night Show» zu einem Spielball der Programmdirektion der ARD werden? Warum wurde das beispiellose Projekt des RBB zu einem Quotendesaster, bei dem es nur einen Gewinner gab: das Privatfernsehen?

Fangen wir dort an, wo eigentlich das Privatfernsehen seinen Fokus hat: bei der Einschaltquote und dem Paradebeispiel aus acht Wochen Suche nach einem geeigneten Sendeplatz für die Late-Night-Show: den 15. September 2012. An diesem Abend konnte der Zuschauer, statt über Autor und Schauspieler Heinz Strunk und Christine Urspruch (bekannt als Tatort-Darsteller 'Alberich'), ab 23.00 Uhr mehr über die vier oben genannten Boxer erfahren. Die ARD hatte sich spontan entschlossen, eine zweieinhalbstündige Live-Übertragung der beiden Boxkämpfe 'Hernandez vs. Ross' und 'Britsch vs. Santos' ins Spätabendprogramm ab 23.00 Uhr zu nehmen. Schließlich sollte der Zuschauer auch seine Portion öffentlich-rechtliches Boxprogramm bekommen. Eine Woche vorher glänzte nämlich Konkurrent RTL mit Witali Klitschko und vier Runden Boxunterhaltung beim K.O. gegen den Deutschen Manuel Charr. Ab 23.10 Uhr waren 8,75 Millionen Zuschauer dabei. Der Marktanteil lag bei 43,6 Prozent. In der werberelevanten Zuschauergruppe der 14- bis 49-Jährigen waren es 42,8 Prozent. Unfassbare Zahlen - auch wenn in vorangehenden Jahrgängen noch höhere Marktanteile mit Klitschko-Boxkämpfen erreicht werden konnten.

Die Woche davor hatte Sat.1 seine Samstagabend-Boxshow. Felix Sturm verlor seinen WBA-Gürtel an den australischen IBF-Weltmeister Daniel Geale nach Punkten. Knapp über vier Millionen Zuschauer (24,0 Prozent Marktanteil/ 20,9 Prozent bei den Werberelevanten) sahen die Niederlage des Kölners.

Und nun die ARD: Immerhin 2,57 Millionen Zuschauer verfolgten den Sieg von Hernandez über Ross in der Bamberger Stechert-Arena vor den heimischen Empfangsgeräten. Beim Kampf Britsch gegen Santos verzeichnete der Sender 1,4 Millionen Zuschauer weniger und hatte noch knapp 1,1 Millionen Zuschauer. Kurz nach halb zwei in der Nacht endete die Boxübertragung. Bei den 14- bis 49-Jährigen kam man auf einen Marktanteil von 6,7 bzw. 5,6 Prozent.

'Krömer (very) Late (After Mid-)Night Show' oder: Box-Lobby mit Sonderrechten?
Zahlen sind das Eine. Doch warum verschiebt die ARD eine Unterhaltungssendung, die aktuelle Themen wie Integration, Kultur und Politik auf eine unterhaltsame, satirische Weise behandelt, auf einen Sendeplatz, der den Machern wie ein Schlag ins Gesicht vorkommen mag? Um 01.38 Uhr folgte in der Nacht des 16. Septembers die Erstausstrahlung der vierten Folge der «Krömer Late Night Show». Innerhalb der acht Wochen verschob sich die Sendezeit zwischen 22.30 Uhr und 01:38 Uhr. Somit wurde das RBB-Werbeversprechen zur Sendung, "immer nach dem Wort zum Sonntag" zu erscheinen, ad absurdum geführt.

Für öffentlich-rechtliches Fernsehen sollte die Quote nicht alleiniges Ausschlusskriterium für die Programmplanung sein. Um das junge Publikum anzuziehen, gibt es auch andere Formate, die sich besser eignen. Viel wichtiger ist es, der im Grundgesetz als elementar befundenen Meinungsvielfalt gerecht zu werden. Der Rundfunksstaatsvertrag (RStV) basiert auf den Grundrechten und stellt vor allem den Öffentlich-Rechtlichen die Aufgabe, für jede Bevölkerungsgruppe, jedes Alter und jede Interessenlage ein Programm anzubieten. Der Rechtswissenschaftler André Erkens hat in seiner 2009 veröffentlichten Doktorarbeit „Der öffentlich-rechtliche Rundfunk und exklusive Sportberichterstattung“ die Verbindung von Sportrechteerwerb und öffentlich-rechtlichen Fernsehen näher analysiert. Er ist der Meinung, dass Sportarten, über die bereits weitgehend private Rundfunkanstalten berichten, nicht zwingend auch von den Öffentlich-Rechtlichen übertragen werden müssen. Nur weil RTL, Sat.1 und (das nur in Deutschland frei empfangbare) Eurosport bereits eine Vielzahl an Boxveranstaltungen im Programm haben, die eine hohe öffentliche Resonanz aufweisen, muss die ARD dies nicht zusätzlich auch noch tun.

So wären teure Exklusivverträge mit dem schwächelnden „Sauerland Promotion“-Boxstall zu vermeiden gewesen. Zwischen 25 und mehr als 50 Millionen Euro wird die ARD zwischen 2013 und 2015 für die Übertragung der Boxkämpfe der Sauerland-Boxer ausgeben, offizielle Zahlen gibt es nicht. Die Produktionskosten sind noch nicht mit inbegriffen. Stolze Summen für einen Sport, der in der ARD bei Weitem keine so starke Nachfrage hat, wie dies im privaten Fernsehen der Fall ist. Das ZDF ist bereits aus der Boxberichterstattung ausgestiegen, hat die eingesparten Gebührengelder jedoch direkt mit dem Erwerb der Champions-League-Rechte für das Free-TV reinvestiert. Das bedeutet: weniger Boxen, dafür noch mehr Fußball im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Der Deal mit Sauerland war der einzige Rechteerwerb der ARD, der direkt von der ARD-Sportkoordination abgeschlossen wurde. Gewöhnlich schaltet man die ‚SportA‘, die Rechteagentur von ARD und ZDF, für den Rechteerwerb ein.

Verwirrungstaktik für den Zuschauer: Planungssicherheit und Spontaneität
Boxkämpfe sind sicherlich bereits mehrere Monate im Voraus angesetzt. Die Planungssicherheit für die Sender ist gegeben. Wie manche Fights den Weg ins öffentlich-rechtliche Spätabendprogramm finden, darf man aber hinterfragen. Vor allem bei spontanen Programmänderungen, wie am 15. September. Warum muss sich der Gebührenzahler mit Boxkämpfen von epischer Länge berieseln lassen, wenn kurzweilige Unterhaltung bereits vorproduziert in der Sendeplanung stand?

"Der RBB hat sich mit der «Krömer Late Night Show» um den Samstagabend-Sendeplatz nach den Tagesthemen beworben und diesen erhalten. Dennoch hat sich die ARD das Recht für Programmänderungen vorbehalten, falls aktuelle Ereignisse ein zeitnahes Umgestalten des Programmplanes erfordern", erklärt Paraskevi Makri vom rbb Zuschauer-Service. Aktuelle Anlässe waren während der Ausstrahlungsphase der «Krömer Late Night Show» demnach die Premiere von Markus Lanz bei «Wetten, dass…?» im ZDF und der «Sportschau»-Boxabend vom 15. September. Erstere Programmänderung beruht laut Makri auf der im vornherein sehr hohen öffentlichen Aufmerksamkeit des Erstversuchs des Tiroler Talkmasters in der Samstagabend-Showinstanz und der damit geringen Aussicht auf Quote in Konkurrenz zum ZDF-Produkt. Wie lautet die Begründung für den Boxkampf?

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